Windkraft
Den geplanten forcierten Windkraftausbau auch in Wäldern sieht Forscher Christian Voigt skeptisch. Zum Schutz etwa von Fledermäusen brauche es Abschaltauflagen. © imago / Nature Picture Library / Bruno Amicis
Mehr Pestizide durch die Energiewende
06:57 Minuten

Die Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland soll deutlich steigen, um klimafreundlich Energie zu erzeugen. Doch an den Anlagen stirbt laut Wissenschaftlern eine erhebliche Zahl an Fledermäusen. Die Schädlingsbekämpfung muss dann künstlich erfolgen.
Etwa 30.000 Windenergieanlagen (WEA) werden in Deutschland zurzeit betrieben. Und es sollen deutlich mehr werden, hat die Bundesregierung angekündigt. Bis 2032 sollen zwei Prozent der deutschen Gesamtfläche mit WEAs bebaut werden. Was einerseits den klimafreundlichen Wandel vorantreibt, scheint andererseits ein ökologisches Desaster zu sein. An vielen Windenergieanlagen verenden laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) „windenergiesensible“ Tierarten, zum Beispiel Fledermäuse.
Es geht dabei nicht nur um die Fledermäuse selbst, sondern auch darum, was sie fressen. Das Team um Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), hat sich die an Windkraftanlagen getöteten Fledermäuse – im Fachjargon: Schlagopfer – genauer angeschaut.
Weniger Fledermäuse bedeutet mehr Schädlinge
Bis zu 46 verschiedene Insektenarten fanden die Forscher in den Mageninhalten einer der häufigsten Fledermausarten, dem Großen Abendsegler. Rund 20 Prozent der verzehrten Insekten waren dabei Schadinsekten, wie Esskastanienbohrer oder Eichenwickler.
Das hat gravierende Folgen für die natürliche Form der Schädlingsbekämpfung, bei um die zehn Fledermaus-Schlagopfer pro Windkraftanlage, mal der Summe von 30.000 derzeit betriebenen WEA. „Ohne die regelnde Funktion der Fledermäuse könnten Schadinsekten überhandnehmen, die wir dann mit teuren und wenig umweltverträglichen Maßnahmen bekämpfen müssen“, erklärt Christian Voigt. Das heißt konkret: Weniger Fledermäuse gleich mehr Schädlinge und damit auch mehr Pestizide auf den Feldern.
Abschaltauflagen gefordert
Die sorgfältige Standortsuche der Windkraftanlagen ist für Christian Voigt eminent wichtig. Deswegen schaut er skeptisch auf die Pläne der Ampelregierung. Den forcierten Ausbau von Windkraftanlagen in Wäldern halte er für sehr bedenklich. „Sofern geeignete Standorte für Windkraftanlagen gefunden werden, müssen Abschaltauflagen praktiziert werden.“ Beispielsweise, dass Windkraftanlagen den Betrieb einstellen müssen, wenn besonders viele Fledermäuse aktiv sind. Etwa im Spätsommer, im Frühherbst, bei besonders hohen Temperaturen, geringer Windgeschwindigkeit oder nachts.

Um die zehn Fledermäuse fallen im Schnitt pro Jahr jeder der rund 30.000 derzeit betriebenen Windkraftanlagen zum Opfer. Das hat Folgen für die Schädlingsbekämpfung.© picture alliance / blickwinkel / Douma
Artenschützerin Janine Friedhoff vom Windkraftbetreiber Prokon hingegen betont: Nicht jede Windkraftanlage oder jeder Windpark benötige eine Natur- beziehungsweise Artenschutzmaßnahme. Und: „Sollte eine Anlage beziehungsweise ein Park Maßnahmen benötigen, so legen nicht wir diese fest. Dies geschieht in einem Abstimmungsprozess mit der zuständigen Naturschutzbehörde.“
„Viele dieser alten Anlagen, und ich spreche hier von über 75 Prozent der 30.000 Anlagen in Deutschland, laufen ohne Abschaltauflagen für den Fledermausschutz“, erklärt Christian Voigt. Das heißt, in diesen Anlagen sterben im Durchschnitt 14 Fledermäuse pro Jahr, und hochgerechnet auf die mehr als 20.000 Anlagen ist das eine beträchtliche Summe.“
Politik ist am Zug
Janine Friedhoff unterstreicht: „Für eine Um- beziehungsweise Nachrüstung mit technischen Möglichkeiten muss es seitens der zuständigen Naturschutzbehörde einen konkreten und vor allem begründeten Anlass bzw. Aufforderung dazu geben. Wenn dies dann der Fall sein sollte, so würde sich dann gemeinsam weiter besprochen werden.“
Es wird also an der Politik sein zu entscheiden, ob man rigoros Windkraftanlagen baut - und damit akzeptiert, dass mehr Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden, um der Schädlinge Herr zu werden.