Willkommen zurück im Jahr 1978

Von Christine Kewitz · 04.04.2013
Statt etwas Neues zu erschaffen, hat die Firma Korg einen Musik-Synthesizer von 1978 einfach noch mal auf den Markt gebracht. Das innovationshemmende Problem heißt dabei oft simpel: Faulheit. Dabei hat die digitale Tontechnik einiges zu bieten.
Ach, wie schön. Da ist er ja. Der MS-20 Mini. Ein Synthesizer aus der elektronischen Steinzeit kommt jetzt, 35 Jahre später, als Miniaturausgabe wieder in die Läden. Anstatt die digitale Zukunft zu gestalten, besinnt sich die Firma Korg auf altbekanntes Analoges.

Peter Kirn ist Komponist, Medienkünstler und Technikfan. Er war einer der ersten Musiker, die den neuen alten Synthesizer testen durften.

"Das ist der MS-20 Mini. Er sieht genauso aus wie das Original nur etwas kleiner. Vor allem der Filter ist einzigartig. Es gibt Menschen, die Wein lieben und Details herausschmecken, während es für andere schlicht Rotwein ist. Diese Liebhaber gibt es auch bei Filtern. Und für Menschen, die Synthesizer mögen, hat dieser Filter einen unverwechselbaren Klang."

Bis auf einen MIDI- und einen USB-Anschluss, die es damals noch nicht gab, ist also alles beim Alten geblieben. Willkommen zurück - im Jahr 1978. Zumindest schon mal optisch. Und wie klingt der Nachbau im Miniformat? Peter Kirn:

"Die beiden klingen gleich! Die Schaltkreise innen drin sind identisch, es wurden lediglich moderne Komponenten mit den gleichen Eigenschaften eingesetzt. Aber das ist einzigartig. Es ist das einzige Beispiel einer großen Firma, die genau das gleiche Gerät noch einmal herausbringt. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand ein altes Design nachbildet, aber zum ersten Mal kommt es von einer bedeutenden Firma."

Bis jetzt ließen sich die großen Firmen eher von ihren eigenen Produkten inspirieren. Wie zum Beispiel der amerikanische Synthesizerhersteller Moog. Der auf das Original erst den Mini-Moog und dann den Memorymoog, den Polymoog oder den Moog Prodigy folgen ließ.

Und das ist bis heute nicht anders. Trotz neuer Möglichkeiten durch digitale Entwicklungen, haftet musikalischen Neuerscheinungen oft ein analoges Déjà-vu an.

Doch es gibt Innovationen. Kleine klangästhetische Revolutionen, die einen eigenen, digitalen Sound erschaffen. Wie der virtuelle Synthesizer Omnisphere, der aus akustischen Samples völlig neue Soundmöglichkeiten herausholt. Aus der Filmmusik ist dieser Klangerzeuger längst nicht mehr wegzudenken. Doch Omnisphere ist eine Ausnahme.

Roman Beilharz ist Musiker, Komponist und Dozent am Institut für Musik der Universität Kassel. Seiner Meinung nach heißt das innovationshemmende Problem ganz einfach Faulheit. Man greift halt gerne auf das Bekannte zurück, bevor man sich in komplett neue Dimensionen einfuchst.

"Deswegen schlagen wir uns unter anderem auch auf Bildschirmen im Tonbereich immer noch mehrheitlich mit 3D-Nachbildungen von analogen Mischpultoberflächen herum, was bedienergonomisch völliger Humbug ist, weil natürlich Maus und Tastatur, da gibt es sicher sinnvollere Ansätze als Fader und Drehregler. Die Gewöhnung ist einfach so groß, dass häufig diese Lernkurve einfach nicht investiert wird, ganz neue Bedienkonzepte zu lernen und anzuwenden, dass sich solche Lösungen auch häufig gar nicht durchsetzen. Am einfachsten ist halt immer noch: Ich drehe den Knopf und es tut sich was. Eine virtuelle Nachbildung, ist damit nicht vergleichbar."

Peter Kirn: "Es klingt nicht wie ein akustisches Instrument. Aber es hat Eigenschaften, die wir bei akustischen Instrumenten mögen und die uns die Bedienung erleichtern. Wenn ich zum Beispiel hier an dem Filterknopf drehe... auch wenn ich das vorher nie gemacht habe... höre ich einen Unterschied. Ich denke, das Design soll dem Benutzer erleichtern, seine Ideen einfach umzusetzen."

An analogen Instrumenten kann man herumschrauben, das Aluminium unter seinen Fingern spüren und liebevoll mit dem Lappen drüber putzen. Tastatur und Maus in Kaffeesahnebeige versprühen kaum Eleganz. Doch mittlerweile lässt die Digitalwelt den Menschen etwas näher an sich heran, meint Roman Beilharz.

"Ja, das Touchpad ist schon wieder mehr sexy auf jeden Fall. Trotzdem ist es immer noch ein Unterschied, ob ich, gerade im Tonstudiobereich, ob ich ein großes Rack habe mit schimmernden, hinterleuchteten Frontplatten, wo, wenn der Kunde kommt, dem erst mal der Mund offen stehen bleibt und er sagt 'Ahh' und der Kunde weiß dann auch, wofür er sein Geld ausgibt, denn er kann es sehen, was natürlich Quatsch ist."

Eine Festplatte an sich schindet spontan keinen Eindruck. Selbst wenn da unsichtbar ganz viele wertvolle Programme drauf sind. Doch das ist kein Grund dafür, weiterhin bloß die Retroschiene zu fahren, denn die digitale Welt macht sich langsam auf den Weg in eine eigenständige Zukunft.

"Es gibt jetzt schon Forschungsprojekte mit Touchscreens, die zum Beispiel Beulen bilden können oder Vertiefungen und zwar auf Abruf kann man dann Buttons, die man fühlen kann, in der Touchoberfläche erzeugen. Dann gibt es im selben Zug Projekte, wo die Touchoberflächen erweitert werden um eine Vibrationsrückmeldung, so dass man zum Beispiel den Druckpunkt wie ein 'Knack' eines realen physischen Schalters simulieren kann."

Auch Entwicklungen wie die Software Melodyne sind für Roman Beilharz wegweisend. Mit diesem Programm lassen sich in mehrstimmigen Aufnahmen einzelner Melodielinien manipulieren und bis zur Unkenntlichkeit harmonisch und rhythmisch verändern - ohne die Klangqualität zu zerstören. Für die Zukunft stellt er sich vor, dass Audiosoftware lernt, aufgenommene Instrumente automatisch zu erkennen.

"Jetzt wäre es denkbar, dass man die Regelung, ob dieser Bassdrumklang schnell knackig ein oder langsam oder schnell ausschwingt, warum also nicht die Bearbeitungsschritte, die man bei einer Bassdrum normalerweise sowieso aufrufen würde schon mal direkt nach der Aufnahme direkt dem Nutzer anbieten und dann nur noch sagen, wisch in die Richtung, die Bassdrum klingt knackiger, wisch in die Richtung und die Bassdrum klingt softer."

In den kommenden 35 Jahren wird sich einiges tun. Und falls nicht, kann KORG ja immer noch mal auf MS-20 zurück greifen.
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