Wilde Pantoffelhelden live

Das zivilisierte Zeitalter der Aufklärung hatte eine Kehrseite - zur Selbstvergewisserung brauchten die neu aufgeklärten Europäer ein Gegenüber, etwas Unzivilisiertes, Barbarisches, Wildes, das die eigene Aufgeklärtheit umso heller strahlen ließ (nicht umsonst heißt die Epoche im Englischen ja "Enlightement").
Die Künstler stellten sich bewusst und unbewusst in den Dienst der Zeit, indem sie das "Fremde" und "Wilde" in ihre Kunst einflochten. Der durch den zunehmenden Kolonialismus näherrückende Orient, aber auch Afrika und der Fernere Osten boten eine reiche Projektionsfläche, die musikalischen Klang-Gewürze verschafften den Komponisten einen Kreativitätsschub ungeahnten Ausmaßes.

Die eigene Kultur zu bestätigen und das Fremde reizvoll, aber auch ein wenig abschreckend, verzerrt oder karikiert darzustellen - das war das Ziel aller exotisiernden Kunst der Zeit. Warum schrieb Wilhelm Hauff reihenweise Märchen über Sultane, Wesire und orientalische Pantoffelhelden? Wohl auch weil er wegen der Zensur über einheimische Herrscher nicht sprechen durfte.

Nicht zuletzt bedienten die Stoffe der vielen orientalischen Opern auch das Bedürfnis des Publikums nach schrägem Humor. Das Freiburger Barockorchester nimmt deshalb sowohl die Ouvertüre zu Mozarts "Entführung aus dem Serail" ins Programm wie auch die "Sinfonia Turchesca" von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr, in der ein holzschnittartiger Kampf zwischen Europäern und Türken nach der Art eines Kasperletheaters stattfindet. Das Instrumentarium des traditionellen Orchesters wurde um die so genannte "Janitscharenmusik" bereichert: Piccoloflöte, große Trommel, Becken, Triangel. Das Resultat ist eine lebhafte Musik voller Überraschungen, für die sich das Freiburger Barockorchester die beiden Schlagzeuger Murat Coskun und Michael Metzler eingeladen haben, die ganz nach Art der Zeit mächtig improvisieren werden.

"Ich glaube man wird dabey nicht schlafen können, und sollte man eine ganze Nacht durch nichts geschlafen haben", schrieb Mozart über die exotische Musik in seiner "Entführung" an den Vater. Vielleicht ist auch die Nacht nach diesem Konzert eine schlaflose.
barockorchester


Live aus dem Konzerthaus Freiburg, Rudolf-Böhme-Saal


Wolfgang Amadeus Mozart
Ouvertüre zum Singspiel "Die Entführung aus dem Serail" KV 384

Christian Cannabich
Suite aus dem Ballett "Les fêtes du Serail"

Wolfgang Amadeus Mozart
Violinkonzert A-Dur KV 219

ca. 20:50 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
"man wird dabei nicht schlafen können…" –
der Reiz des Orients in der Musik der Aufklärungszeit
Von Anette Unger
Murat Coskun und Henning Bey -
live im Gespräch mit Volker Michael

Nicolas Dalayrac
Ouvertüre zu "Azémia ou Les Sauvages"

Christoph Wilibald Gluck
Suite aus dem Ballett "L’Orfano della China"

Franz Xaver Süßmayr
Sinfonia Turchesca C-Dur


Murat Coskun, Michael Metzler und Charlie Fischer, Schlagzeug
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz, Violine und Leitung