Wild umstritten
Unter dem Titel "Träumender Knabe - Enfant terrible" werden im Wiener Schloss Belvedere die Bilder des jungen österreichischen Malers Oskar Kokoschka ins Zentrum rückt. Gezeigt werden 145 Werke, die einen neuen Blick auf den Expressionisten ermöglichen sollen, der in den späten 1910er-Jahre als künstlerischer "Oberwildling" galt.
Eins konnte Oskar Kokoschka auf den Tod nicht ausstehen: Von einer Frau nicht erhört geschweige denn, verlassen zu werden. Zu welchem Grad an kreativer Raserei das Enfant Terrible des österreichischen Expressionismus da fähig war, zeigt die Ausstellung im Wiener Schloss Belvedere recht eindringlich. Da ist zum Beispiel eine Tusche-Tempera-Arbeit aus dem Jahr 1909 zu sehen, "Amokläufer" heißt sie, die an aggressiver Explosivität nichts zu wünschen übrig lässt: Ein lodernder Berserker, unverkennbar die Züge Kokoschkas tragend, stürmt mordbrennend eine Straße hinunter, in der einen Hand eine Fackel, in der anderen einen Dolch. Der Anlass für dieses Bild war, nicht weiter überraschend, ein amouröser: Kokoschka verlieh darin seiner Erbitterung über das Ende einer Liebe zu seiner Studienkollegin Lilith Lang Ausdruck.
Alfred Weidinger, Kurator der Wiener Ausstellung, weist auf die Doppelbegabung des temperamentvollen jungen Kokoschka hin, der sowohl ein begabter Maler als auch ein begabter Dichter war:
"Es gibt sein wahrscheinlich wichtigstes Buch, das aus einer abgelehnten Liebe entstanden ist – auf so etwas hat Kokoschka immer am heftigsten reagiert –, und da hat er geschaffen sein Märchenbuch "Die träumenden Knaben". In diesem Buch arbeitet er seine Auseinandersetzung mit Lilith Lang auf, einerseits in illustratorischer Hinsicht, andererseits auch in der Dichtung. Wenn man sich in die Dichtung vertieft, kommt man drauf, dass er in der Dichtung schon viel, viel weiter ist als in der Illustration. Später kehrt sich das dann um, aber in der Anfangsphase ist er in der Dichtung weit, weit expressiver als in der Illustration."
Die Ausstellung im Schloss Belvedere zeichnet die Entwicklung Oskar Kokoschkas von seinen noch vom Jugendstil geprägten Anfängen bis zu seiner Dresdner Zeit 1922 nach – die Entwicklung einer explosiven Radikalisierung. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie heiß umfehdet, wild umstritten Kokoschka in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in Wien war. Nachdem er einige Arbeiten Kokoschkas gesehen hatte, rief der Thronfolger Franz-Ferdinand empört dazu auf, dem Kerl, der diese Bilder verbrochen habe, sämtliche "Knochen im Leib zu brechen".
Zugleich, nur scheinbar ein Paradox, fasste Kokoschka viel früher als sein Generationsgenosse Egon Schiele auf dem Kunstmarkt Fuß. Agnes Husslein, die Direktorin der "Österreichischen Galerie im Belvedere", weiß auch warum:
"Ja, weil er es gut verstanden hat, sich zu vermarkten. Er war ein großer Egozentriker, sehr von sich überzeugt, er hat die Menschen fasziniert. Er war ja auch ein faszinierender und interessanter Mensch. Damit hat er’s auch geschafft, bedeutende Unterstützer für sich zu rekrutieren. Adolf Loos hat sich international für ihn eingesetzt, er war bei Paul Cassirer unter Vertrag, einem großen Kunsthändler, also, die haben sicher das ihre dazu beigetragen."
Bis ins hohe Alter hinein liebte es Oskar Kokoschka, sich als urwüchsiges Naturgenie zu inszenieren, dem alles Theoretisieren schwer auf die Nerven ging. In einem seiner letzten Interviews meinte der 1980 verstorbene Künstler:
"Ich habe allen Grund, das Dogmatisieren und Formalisieren zu hassen. Ich verstehe nichts von Theorien. Das ist ganz gut in anderen Disziplinen, in der Philosophie, in der Mathematik – aber nicht in der bildenden Kunst. Die bildende Kunst ist eine Bildersprache, die man lesen lernen muss."
Der junge Kokoschka lernte sie auch zu erschaffen: Nervosität und expressive Ungeduld waren ein Kennzeichen seiner frühen malerischen Arbeiten. Nicht selten kratzte der Künstler den fertigen Farbauftrag mit Fingernägeln wieder aus der Leinwand heraus. Auch in der Auswahl seiner Modelle beschritt Kokoschka – noch als Student der Kunstgewerbeschule – eher originelle Wege.
Alfred Weidinger: "Natürlich auch in der Kunstgewerbeschule: alter Mann, alte Frau, später kam noch ein Jüngling dazu, und das war’s dann, mehr Modelle gab es in der Kunstgewerbeschule nicht. Kokoschka hat das nicht genügt. Er hat dann begonnen, junge Mädchen auf der Straße anzusprechen und sie zu fragen, ob sie ihm Modell stehen wollten. Zahlen konnte er nichts, es ist ihm dennoch gelungen, junge Mädchen zu überreden, ihm Modell zu stehen, wahrscheinlich für ein Butterbrot. Das waren natürlich keine klassischen Modelle, die ruhig in ihrer Pose verharrten, die haben sich ununterbrochen bewegt. Und das sieht man wunderbar in den Zeichnungen. Da sieht man sich bückende, sich drehende Menschen. Aber der Mut, solche Darstellungen überhaupt zu machen, der kommt von Rodin. Denn kurz vorher sieht er Rodin."
Und so werden auch Werke von Auguste Rodin und Ferdinand Hodler gezeigt in Schloss Belvedere, um deren Einfluss auf Kokoschka deutlich zu machen. Die Schau über den jungen Kokoschka ist die erste von gleich drei Ausstellungen, die dem großen Künstler in diesem Jahr in Österreich gewidmet sind. Ab Mitte April wird die Albertina die Entwicklung des späten Kokoschka – von den Jahren im Exil bis zu seinem Tod – beleuchten, und ab Ende Mai möchte auch das Lentos-Museum Linz mit einer großen Kokoschka-Ausstellung punkten. Die Belvedere-Chefin Agnes Husslein hofft, dass Oskar Kokoschka damit – endlich, endlich – aus dem Schatten Klimts und Schieles treten wird:
"Diese Ausstellungen werden sich das Ihrige dazu beitragen, ihm zu der Position zu verhelfen, die ihm gebührt."
Alfred Weidinger, Kurator der Wiener Ausstellung, weist auf die Doppelbegabung des temperamentvollen jungen Kokoschka hin, der sowohl ein begabter Maler als auch ein begabter Dichter war:
"Es gibt sein wahrscheinlich wichtigstes Buch, das aus einer abgelehnten Liebe entstanden ist – auf so etwas hat Kokoschka immer am heftigsten reagiert –, und da hat er geschaffen sein Märchenbuch "Die träumenden Knaben". In diesem Buch arbeitet er seine Auseinandersetzung mit Lilith Lang auf, einerseits in illustratorischer Hinsicht, andererseits auch in der Dichtung. Wenn man sich in die Dichtung vertieft, kommt man drauf, dass er in der Dichtung schon viel, viel weiter ist als in der Illustration. Später kehrt sich das dann um, aber in der Anfangsphase ist er in der Dichtung weit, weit expressiver als in der Illustration."
Die Ausstellung im Schloss Belvedere zeichnet die Entwicklung Oskar Kokoschkas von seinen noch vom Jugendstil geprägten Anfängen bis zu seiner Dresdner Zeit 1922 nach – die Entwicklung einer explosiven Radikalisierung. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie heiß umfehdet, wild umstritten Kokoschka in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in Wien war. Nachdem er einige Arbeiten Kokoschkas gesehen hatte, rief der Thronfolger Franz-Ferdinand empört dazu auf, dem Kerl, der diese Bilder verbrochen habe, sämtliche "Knochen im Leib zu brechen".
Zugleich, nur scheinbar ein Paradox, fasste Kokoschka viel früher als sein Generationsgenosse Egon Schiele auf dem Kunstmarkt Fuß. Agnes Husslein, die Direktorin der "Österreichischen Galerie im Belvedere", weiß auch warum:
"Ja, weil er es gut verstanden hat, sich zu vermarkten. Er war ein großer Egozentriker, sehr von sich überzeugt, er hat die Menschen fasziniert. Er war ja auch ein faszinierender und interessanter Mensch. Damit hat er’s auch geschafft, bedeutende Unterstützer für sich zu rekrutieren. Adolf Loos hat sich international für ihn eingesetzt, er war bei Paul Cassirer unter Vertrag, einem großen Kunsthändler, also, die haben sicher das ihre dazu beigetragen."
Bis ins hohe Alter hinein liebte es Oskar Kokoschka, sich als urwüchsiges Naturgenie zu inszenieren, dem alles Theoretisieren schwer auf die Nerven ging. In einem seiner letzten Interviews meinte der 1980 verstorbene Künstler:
"Ich habe allen Grund, das Dogmatisieren und Formalisieren zu hassen. Ich verstehe nichts von Theorien. Das ist ganz gut in anderen Disziplinen, in der Philosophie, in der Mathematik – aber nicht in der bildenden Kunst. Die bildende Kunst ist eine Bildersprache, die man lesen lernen muss."
Der junge Kokoschka lernte sie auch zu erschaffen: Nervosität und expressive Ungeduld waren ein Kennzeichen seiner frühen malerischen Arbeiten. Nicht selten kratzte der Künstler den fertigen Farbauftrag mit Fingernägeln wieder aus der Leinwand heraus. Auch in der Auswahl seiner Modelle beschritt Kokoschka – noch als Student der Kunstgewerbeschule – eher originelle Wege.
Alfred Weidinger: "Natürlich auch in der Kunstgewerbeschule: alter Mann, alte Frau, später kam noch ein Jüngling dazu, und das war’s dann, mehr Modelle gab es in der Kunstgewerbeschule nicht. Kokoschka hat das nicht genügt. Er hat dann begonnen, junge Mädchen auf der Straße anzusprechen und sie zu fragen, ob sie ihm Modell stehen wollten. Zahlen konnte er nichts, es ist ihm dennoch gelungen, junge Mädchen zu überreden, ihm Modell zu stehen, wahrscheinlich für ein Butterbrot. Das waren natürlich keine klassischen Modelle, die ruhig in ihrer Pose verharrten, die haben sich ununterbrochen bewegt. Und das sieht man wunderbar in den Zeichnungen. Da sieht man sich bückende, sich drehende Menschen. Aber der Mut, solche Darstellungen überhaupt zu machen, der kommt von Rodin. Denn kurz vorher sieht er Rodin."
Und so werden auch Werke von Auguste Rodin und Ferdinand Hodler gezeigt in Schloss Belvedere, um deren Einfluss auf Kokoschka deutlich zu machen. Die Schau über den jungen Kokoschka ist die erste von gleich drei Ausstellungen, die dem großen Künstler in diesem Jahr in Österreich gewidmet sind. Ab Mitte April wird die Albertina die Entwicklung des späten Kokoschka – von den Jahren im Exil bis zu seinem Tod – beleuchten, und ab Ende Mai möchte auch das Lentos-Museum Linz mit einer großen Kokoschka-Ausstellung punkten. Die Belvedere-Chefin Agnes Husslein hofft, dass Oskar Kokoschka damit – endlich, endlich – aus dem Schatten Klimts und Schieles treten wird:
"Diese Ausstellungen werden sich das Ihrige dazu beitragen, ihm zu der Position zu verhelfen, die ihm gebührt."