Wieso, weshalb, warum?
Kinder berühren mit ihren Warum-Fragen nicht selten den Bereich der Philosophie. In "Warum bin ich Ich?" gibt der Tübinger Professor Manfred Frank Antworten auf diese Frage und vermittelt in kindgerechter Form einen Einstieg in die Welt des philosophischen Denkens.
Seit fünf Jahren veranstaltet die Universität Tübingen die Tübinger Kinder-Uni. Es handelt sich um eine Reihe von jeweils sechs bis acht lebendigen Vorlesungen pro Sommersemester für Schulkinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Professoren diverser Fachrichtungen sehen sich mitunter bis zu 1300 Kindern im Hörsaal gegenüber und referieren zu Fragestellungen wie "Warum speien Vulkane Feuer?", "Warum gibt es Strafe?" und "Wo steht Gott im Krieg?"
Lagen bislang nur die Bände der Sachbuchreihe "Die Kinder-Uni. Forscher erklären die Rätsel der Welt" vor, zusammenfassende kindgerechte Mitschriften zweier Journalisten, werden diese nun ergänzt durch die Publikation des authentischen Gedankengangs, den der Tübinger Philosophieprofessor Manfred Frank vorgetragen und den Kindern mit Hilfe von Illustrationen und Bildzitaten vermittelt hat.
Frank unterscheidet zunächst zwei Typen von Warum-Fragen. "Warum sind die Dinos ausgestorben?" – derlei Fragen zielen auf die Ursache eines Sachverhaltes. Dagegen sind Fragen wie "Warum müssen wir sterben?" im Grunde Wozu-Fragen. Es geht letztlich nicht um die Ergründung einer Ursache, sondern um die Frage:
"Wozu ist die Welt so eingerichtet, dass Tieren und Menschen etwa so Schreckliches abverlangt wird – egal, was die biologische Ursache dafür ist."
Warum-Fragen des zweiten Typs sind philosophische Fragen, für die "eigentlich keine (oder selten) eindeutige Antworten" vorliegen. Warum bin ich Ich? Auf diese typisch philosophische Frage, will Manfred Frank, inzwischen 62 Jahre alt, seinen jungen Zuhörern dennoch eine Antwort geben.
"Wenn ich gar nicht wirklich Manfred Frank, sondern nur aus Versehen an diesen Namen geraten bin, höre ich dann auf, Ich zu sein? Und ihr, wenn euch bei der Geburt jemand mit einem anderen Baby verwechselt und eure Mama das nicht bemerkt hätte, wärt ihr dann nicht genau die, die ihr seid?
Mit kindgerechten Gedankenspielen stellt Frank zunächst die Selbstverständlichkeit des Alltagsdenkens infrage. Dann erklärt er den Sprachgebrauch des Fürworts "Ich" und erinnert mit kurzen, lustigen Geschichten an die Vorteile, Tücken und die Besonderheit dieses Zauberwörtchens.
Schließlich verdeutlicht er im Rückgriff auf ein Erlebnis des Wiener Physikprofessors Ernst Mach, der sich in seiner Zerstreutheit einst nicht im Spiegel erkannte und lediglich einen heruntergekommenen Schulmeister entdeckte,
"dass wir die Kenntnis, die wir von uns selbst als uns selbst haben, nicht aus einem Gegenstand vor uns oder aus einen Spiegelbild lernen: Wir müssen sie vorher schon besitzen."
Schimpansen und Menschen erkennen sich im Spiegel wieder, andere Tiere hingegen nicht. Nur der Mensch sagt etwa ab dem Alter von zwei Jahren "Ich" und trifft damit "verwunderlicherweise immer todsicher" sich selbst.
Auf Gewährsmänner innerhalb der Philosophiegeschichte greift Frank, Experte für das Phänomen des Selbstbewusstseins, kaum zurück. Kant wird kurz zitiert mit seiner Antwort auf die Frage "Warum lachen wir?", und eine kuriose Begebenheit aus dem Leben des US-amerikanischen Philosophen John Perry dient zur Verdeutlichung, dass zur richtigen Beschreibung unserer selbst unbedingt der Glaube dazugehört, dass wir selbst es sind, die wir meinen und auf die wir zeigen, will man von Selbstbewusstsein sprechen. Am Ende, in seiner philosophischen Auswertung, geht Frank schließlich doch noch auf Descartes ein, auf das klassische cogito ergo sum.
Franks Vorlesungsstunde beweist eindrücklich, dass die Tiefendimension der titelgebenden Grundsatzfrage Kindern ebenso nahe gebracht werden kann wie Erwachsenen, die neugierig geblieben sind. Das vorliegende Bändchen zeugt auf Seiten des Tübinger Philosophieprofessors von Fachkenntnis, Weitsicht und Einfühlungsvermögen für das ungewöhnliche Publikum. Es dokumentiert überdies exemplarisch das interessante und geglückte Experiment der Tübinger Kinder-Uni.
Rezensiert von Thomas Kroll
Manfred Frank: Warum bin ich Ich? Eine Frage für Kinder und Erwachsene
Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2007
61 Seiten, 12,80 Euro
Lagen bislang nur die Bände der Sachbuchreihe "Die Kinder-Uni. Forscher erklären die Rätsel der Welt" vor, zusammenfassende kindgerechte Mitschriften zweier Journalisten, werden diese nun ergänzt durch die Publikation des authentischen Gedankengangs, den der Tübinger Philosophieprofessor Manfred Frank vorgetragen und den Kindern mit Hilfe von Illustrationen und Bildzitaten vermittelt hat.
Frank unterscheidet zunächst zwei Typen von Warum-Fragen. "Warum sind die Dinos ausgestorben?" – derlei Fragen zielen auf die Ursache eines Sachverhaltes. Dagegen sind Fragen wie "Warum müssen wir sterben?" im Grunde Wozu-Fragen. Es geht letztlich nicht um die Ergründung einer Ursache, sondern um die Frage:
"Wozu ist die Welt so eingerichtet, dass Tieren und Menschen etwa so Schreckliches abverlangt wird – egal, was die biologische Ursache dafür ist."
Warum-Fragen des zweiten Typs sind philosophische Fragen, für die "eigentlich keine (oder selten) eindeutige Antworten" vorliegen. Warum bin ich Ich? Auf diese typisch philosophische Frage, will Manfred Frank, inzwischen 62 Jahre alt, seinen jungen Zuhörern dennoch eine Antwort geben.
"Wenn ich gar nicht wirklich Manfred Frank, sondern nur aus Versehen an diesen Namen geraten bin, höre ich dann auf, Ich zu sein? Und ihr, wenn euch bei der Geburt jemand mit einem anderen Baby verwechselt und eure Mama das nicht bemerkt hätte, wärt ihr dann nicht genau die, die ihr seid?
Mit kindgerechten Gedankenspielen stellt Frank zunächst die Selbstverständlichkeit des Alltagsdenkens infrage. Dann erklärt er den Sprachgebrauch des Fürworts "Ich" und erinnert mit kurzen, lustigen Geschichten an die Vorteile, Tücken und die Besonderheit dieses Zauberwörtchens.
Schließlich verdeutlicht er im Rückgriff auf ein Erlebnis des Wiener Physikprofessors Ernst Mach, der sich in seiner Zerstreutheit einst nicht im Spiegel erkannte und lediglich einen heruntergekommenen Schulmeister entdeckte,
"dass wir die Kenntnis, die wir von uns selbst als uns selbst haben, nicht aus einem Gegenstand vor uns oder aus einen Spiegelbild lernen: Wir müssen sie vorher schon besitzen."
Schimpansen und Menschen erkennen sich im Spiegel wieder, andere Tiere hingegen nicht. Nur der Mensch sagt etwa ab dem Alter von zwei Jahren "Ich" und trifft damit "verwunderlicherweise immer todsicher" sich selbst.
Auf Gewährsmänner innerhalb der Philosophiegeschichte greift Frank, Experte für das Phänomen des Selbstbewusstseins, kaum zurück. Kant wird kurz zitiert mit seiner Antwort auf die Frage "Warum lachen wir?", und eine kuriose Begebenheit aus dem Leben des US-amerikanischen Philosophen John Perry dient zur Verdeutlichung, dass zur richtigen Beschreibung unserer selbst unbedingt der Glaube dazugehört, dass wir selbst es sind, die wir meinen und auf die wir zeigen, will man von Selbstbewusstsein sprechen. Am Ende, in seiner philosophischen Auswertung, geht Frank schließlich doch noch auf Descartes ein, auf das klassische cogito ergo sum.
Franks Vorlesungsstunde beweist eindrücklich, dass die Tiefendimension der titelgebenden Grundsatzfrage Kindern ebenso nahe gebracht werden kann wie Erwachsenen, die neugierig geblieben sind. Das vorliegende Bändchen zeugt auf Seiten des Tübinger Philosophieprofessors von Fachkenntnis, Weitsicht und Einfühlungsvermögen für das ungewöhnliche Publikum. Es dokumentiert überdies exemplarisch das interessante und geglückte Experiment der Tübinger Kinder-Uni.
Rezensiert von Thomas Kroll
Manfred Frank: Warum bin ich Ich? Eine Frage für Kinder und Erwachsene
Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2007
61 Seiten, 12,80 Euro