Wiener Festwochen

"Parsifal" neu gelesen und gehört

Der Komponist Bernhard Lang im Studio des Deutschlandfunk Kultur.
Der Komponist Bernhard Lang im Studio des Deutschlandfunk Kultur. © Deutschlandradio / Mirjam Wlodawer
09.12.2017
Am 2.12. war in unserem Programm die Aufzeichnung der diesjährigen Bayreuther "Parsifal"-Aufführung zu hören. Bernhard Langs "ParZeFool" begreift sich als zeitgenössische Neudeutung von Stoff und Musik – und das nicht nur im phonetischen Spiel mit dem Titel(helden).
In den unmittelbaren Reaktionen auf die Aufführungen in Wien und mittlerweile auch Berlin stand fast durchweg Jonathan Meeses wild-anarchistische und kryptisch verrätselte Inszenierung im Mittelpunkt – eine Art Reste-Veredelung, die der Kunst-Provokateur nach seinem Bayreuth-Herauswurf durch Katharina Wagner & Co. im Jahre 2014 in Angriff nahm. Dieses Interesse ist verständlich, aber ziemlich ungerecht gegenüber Langs Leistung, der bereits seinerseits eine tiefgründige Analyse des Wagnerschen Original-"Parsifal" und eine darauf basierende "komponierte Interpretation" unter aktuellen Gesichtspunkten vorgelegt hat.
Sie betrifft nicht nur Wagners Musik, die zwar in ihrer Substanz erhalten und insofern auch wiedererkennbar bleibt, aber zum Beispiel durch Rock- und Jazz-Elemente teilweise mit einer anderen Aura versehen wird, sondern auch das Libretto des "Bühnenweihfestspiels": Lang lässt es in seiner Fassung nicht nur in verschiedenen Sprachen (neben Deutsch auch Englisch, Französisch und Altgriechisch) singen, sondern spitzt verschiedene Kernaussagen des Textes zu und beleuchtet sie teilweise neu. Wenn aus dem bei Wagner formulierten Wunsch "Erlösung dem Erlöser" ein "Erlösung von Erlösern" wird, ist das beispielsweise die Schärfung einer bewusst etwas wolkig-vieldeutig gehaltenen metaphysischen Formel zum politisch Konkreten - nicht zuletzt unter dem Aspekt der seit der "Parsifal"-Uraufführung 1882 neu gemachten geschichtlichen Erfahrungen. Solche bedenkenswerten Varianten gibt es viele, und eine Radio-Ausstrahlung, die notgedrungen auf die dominante optische Opulenz von Meeses Bilderwelten verzichten muss, ist sicher besonders gut geeignet, gerade diese Qualitäten deutlich zu machen.


Wiener Festwochen
Theater an der Wien
Aufzeichnung vom 04.06.2017


Bernhard Lang/Jonathan Meese
"ParZeFool - Der tumbe Thor"
Musiktheater für Stimmen, Chor, Ensemble und zwei Jazz-MusikerInnen nach Richard Wagners "Parsifal"
Regie: Jonathan Meese


Tómas Tómasson - Amfortas
Wolfgang Bankl - Gurnemanz
Daniel Gloger - Parsifal
Martin Winkler - Klingsor
Magdalena Anna Hofmann - Kundry
Alexander Kaimbacher - 1. Gralsritter
Andreas Jankowitsch - 2. Gralsritter
Sven Hjörleifsson, Johanna von der Deken - Zwei Knappen
Manuela Leonhartsberger, Xiaoyi Xu, Melodie Wilson, Marie-Pierre Roy - Blumenmädchen


Klangforum Wien
Arnold Schoenberg Chor
Leitung: Simone Young