Wieland: "Diese Partei entwickelt sich nicht positiv"

Wolfgang Wieland im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Grüne, Wolfgang Wieland, hat vor Beginn des Parteitages in Berlin die Differenzen zur Linkspartei hervorgehoben. Wieland sagte, die Linkspartei sei im Bund nicht koalitionsfähig. Er verwies dabei auf außenpolitische Positionen wie die Ablehnung aller militärischen Beteiligungen Deutschlands bei Einsätzen im Ausland.
Hanns Ostermann: Wie wird man drittstärkste Kraft, und wie kommt man zurück auf die Regierungsbänke? Drei Tage lang wollen die Bündnis-Grünen auch darüber auf ihrem Bundesparteitag in Berlin sprechen. Verabschiedet werden soll das Programm für die kommende Bundestagswahl.

Eine Million neue Jobs will die Partei schaffen. Das hört sich gut an, durchzusetzen ist so etwas aber natürlich nur gemeinsam mit anderen. Wolfgang Wieland sitzt für die Bündnis-Grünen im Bundestag. Guten Morgen, Herr Wieland.

Wolfgang Wieland: Guten Morgen!

Ostermann: Die einen in Ihrer Partei setzen sich für eine rot-rot-grüne Koalition ein, andere machen sich für die Ampel stark. Vor was für einer Zerreißprobe steht da Ihre Partei?

Wieland: Ich denke nicht, dass das zu einer Zerreißprobe wird. Sie haben Recht, dass es einige gibt, die sehr laut und sehr öffentlich in Interviews jetzt gesagt haben, dass sie weitergehen möchten als in der vorgeschlagenen Wahlaussage und Rot-Rot-Grün als Möglichkeit ausdrücklich festgelegt haben wollen. Es sieht im Moment nicht so aus, dass sie dazu einen Antrag stellen werden, dass sie das also weiterverfolgen wollen, so dass es, denke ich, dazu kommen wird, dass wir dem Vorschlag unseres Bundesvorstandes folgen und im Grunde beschließen, dass wir die bisherige Große Koalition ablehnen wollen und dass wir ausschließen, zu Schwarz-Gelb sozusagen dazuzusteigen - unter dieser Jamaika-Flagge läuft das ja immer gerne – also ein Ausschluss von Jamaika. Ansonsten die Aussage, dass wir unsere grünen Inhalte durchsetzen wollen, dass wir durchaus regierungsbereit und regierungsfähig sind.

Ostermann: Immerhin gibt es derzeit eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag. Wo sind die entscheidenden Differenzen zur Partei Oskar Lafontaines?

Wieland: Na ja, die sind nun leider sehr, sehr deutlich, muss man sagen. Das ist der ganze Bereich der Außenpolitik. Die Linkspartei/PdS lehnt ja nun jegliches militärgestütztes Handeln im Ausland ab, ein Sofortrückzug aus Afghanistan beispielsweise, aber auch nun rein humanitäre Aktionen hat sie bisher immer abgelehnt, von Darfur bis zum Kongo. Das ist für uns keine Position, der wir beitreten können.

Wir waren auch völlig konsterniert, dass sie nun ernsthaft gegen den Vertrag von Lissabon kämpfen, dagegen sogar vors Bundesverfassungsgericht gezogen sind, und man darf ja nicht vergessen, dass als nächste Wahl die Europawahl ansteht, die wir Anfang Juni haben werden und wo wir nun als ausgesprochen pro-europäische Partei antreten werden, uns aufgestellt haben, und mit, wie ich finde, einem tollen personellen Angebot mit neuen Leuten wie Sven Giegold von Attac und mit Barbara Lochbihler von Amnesty zeigen, dass das für uns einen eigenständigen Wert hat, dass wir Europa weiterbringen wollen, dass wir Europa demokratischer machen wollen, aber dass wir nicht wie Herr Vaclav Klaus in Tschechien aussteigen wollen oder den europäischen Prozess blockieren wollen. Da gibt es sehr viel Differenz.

Und natürlich dieses "Wünsch-dir-was"-Programm von Oskar Lafontaine, was zusammengerechnet noch mal die Verschuldung in Höhe von hunderten von Milliarden triebe, wenn man das alles bezahlte, was er den Rentnern geben will, was er den Arbeitslosen geben will, was er im Grunde jedem in dieser Republik geben will. Das ist keine Basis und so sieht es ja auch inzwischen ein Teil der Linkspartei selber. Wir haben ja hier in Berlin den Haushälter, der jahrelang die Haushaltspolitik gemacht hat, Karl Wechselberg, der nun gerade erklärt hat, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr seriöse Haushaltspolitik machen und mich ständig dafür beschimpfen lassen von Oskar Lafontaine und anderen. Jeder, der das realistisch sieht, muss sagen, die Linkspartei ist im Bund einfach nicht koalitionsfähig, nicht zusammenarbeitsfähig. Deswegen meine Prognose: Da wird es kein Rot-Rot-Grün geben.

Ostermann: Sie haben da eine Menge Ausschlusskriterien genannt und aufgezählt, trotzdem von "leider" gesprochen. Das heißt doch, wenn ich Sie da richtig verstanden habe, Sie favorisieren oder hätten dieses Modell gerne favorisiert?

Wieland: Nein, das ist doch theoretisch. Ich muss doch mal sehen, was geht, und "leider" heißt natürlich das Bedauern, dass die von Ihnen ja erwähnte zahlenmäßige Mehrheit für Rot-Rot-Grün, die wir hier haben, die wir zum Beispiel im Land Berlin auch schon lange haben, keine realistische Perspektive ist, dass das real ausscheidet als Machtoption. Das ist mein Bedauern.
Es liegt aber an der Linkspartei, wenn sie sich so verrannt hat, wenn sie auch sich in ihrem Ostteil – es sind ja nicht nur die berühmten, Gysi nennt sie zehn Prozent Spinner West dazugekommen; wir stellen auch leider, muss ich auch wieder bedauern, eine Stagnation in der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit, was DDR angeht, im Ostteil fest. Das heißt, diese Partei entwickelt sich nicht positiv und dort ist ein gewisses Bedauern, weil dann für uns eine Machtoption nicht realisierbar ist und ausscheidet.

Ostermann: Die beiden Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Renate Künast machten sich zunächst für die Ampel stark, bevor sie unter anderem aus Nordrhein-Westfalen zurückgepfiffen wurden. Wie groß sind die Differenzen zu den Liberalen?

Wieland: Bei den Liberalen muss ich zunächst mal das positive betonen. Ich selber bin ja Innenpolitiker und im Bereich Verteidigung der Bürgerrechte, in dem ganzen Bereich Justiz, Inneres gibt es mit den Liberalen eigentlich am meisten Übereinstimmung im Deutschen Bundestag. Das soll man bei den ganzen Differenzen nicht vergessen.

Warum unsere Mitglieder geradezu allergisch auf Guido Westerwelle reagieren, ist diese Attitüde – und es ist ja nicht nur eine Attitüde, sondern es ist eine Politik für eine bessergestellte Klientel -, eine ganz klare, auf das Portemonnaie zielende Politik zu machen, eine egoistische Politik, zu sagen – das hat Bernd Ulrich mal schön gesagt -, lieber schön und reich als arm und krank, und wir machen eben Politik für die schönen und reichen und das langt uns, und versprechen jetzt in einer Situation, wo nun wirklich die Haushalte völlig aus dem Ruder laufen, wo wir Milliarden verbrennen für die Bankenkrise, für die Krise in der Industrie, Steuersenkungen in großem Stil.

Das ist ein abenteuerlicher Kurs, der auch nur wieder mit einer gigantischen Neuverschuldung zu finanzieren wäre. Da gleichen sich im Grunde Linkspartei und FDP. Beide haben in dieser zentralen Frage, die uns alle noch schütteln wird, wie wollen wir unsere Sozialsysteme weiter finanzieren, wenn die Einbrüche kommen, wenn die Beiträge zurückgehen, weil mehr arbeitslos sind, wenn das Steueraufkommen zurückgeht und gleichzeitig mehr vom Staat zur Stabilisierung der Sozialsysteme gezahlt werden muss, diese Frage stellen sie sich gar nicht, sondern die einen fordern mehr Geld für alle und die anderen sagen viel weniger Steuereinnahmen. Von daher gibt es hier, wenn man wirklich realistisch da rangeht, wenn man auch noch Veränderungsziele hat wie wir, die Gesellschaft ökologisch umgestalten will, auch mit der FDP keine Möglichkeit des Zusammengehens. Das ist die realistische Analyse.

Ostermann: Sie werden da die Qual der Wahl haben, nicht zuletzt auf dem Bundesparteitag der Grünen. Herr Wieland, danke Ihnen für das Gespräch heute früh. Ich sprach mit dem Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland.