Wiederentdeckte Weltsensation

Von Susanne Schrammar |
Geschrieben auf Gold und mit Rubinen versetzt präsentierte die niedersächsische Landesbibliothek den Goldenen Brief des birmanischen Königs an König Georg II. Er wurde seit 250 Jahren in Hannover als kuriose Kostbarkeit gehütet - und vergessen.
Sie klingt fast wie ein Märchen, die Geschichte, die Friedrich Hülsmann, Leiter der Handschriftenabteilung der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover heute Nachmittag erstmals der Öffentlichkeit erzählt hat: die Geschichte eines Briefes, der 250 Jahre im Dornröschenschlaf gelegen hat und dessen Herkunft in die Welt aus 1000 und einer Nacht passt.

Hülsmann: "Es geht in dieser Geschichte um den fernen Orient und um einen verloren geglaubten Brief, um Könige, Kriege, um Kaufleute, um Gold und Edelsteine, doch bei all dem, was wir wirklich hören, geht es weder um Märchen noch um Abenteuergeschichten, stattdessen geht es um Geschichte, um Missverständnisse, um Machtpolitik, um Interessenskonflikte."

Der Brief, um den es geht, besteht bis zu 99 Prozent aus purem hauchdünn gewalztem Gold. Er ist 55 Zentimeter lang, 12 Zentimeter breit und an den schmalen Seiten mit 24 seltenen Rubinen verziert. Seine Schriftzeichen sind in das Gold eingraviert und er steckte in einer Hülle hergestellt aus einem Elefantenstoßzahn. Der Goldene Brief, sagen Wissenschaftler, sei eine Weltsensation, denn er ist einzigartig. Zwar hat es ähnliche Stücke gegeben, doch die wurden von ihren Adressaten eingeschmolzen. Nur dieser Brief hat durch Zufall und kaum beachtet 250 Jahre überstanden – in der Königlichen Bibliothek Hannover, die inzwischen zur niedersächsischen Landesbibliothek geworden ist.

Hülsmann: "Die Existenz des Briefes ist eigentlich seit Jahrhunderten bekannt, der Brief ist aber über all die Jahrhunderte, hier wo er im Haus war, als Kuriosität behandelt worden. Er wurde bei Führungen immer wieder gezeigt und es hieß immer, der stammt von einem indischen König, und der betet das Feuer an und und und."

All die Jahre konnte der Brief nicht gelesen werden, und das lag an den ungeschickten Händen des dänischen Königs Christian VII. Bei einem Besuch der königlichen Bibliothek 1768 schob er den bis dahin aufgerollten Brief in seine Elfenbeinhülle, dabei riss das Gold ein. Dass das wertvolle Dokument inzwischen restauriert ist und man weiß, dass der Goldene Brief ein Stück Kolonial- und Weltgeschichte beinhaltet, ist Hülsmanns Hartnäckigkeit zu verdanken. Der Leiter der Handschriftenabteilung suchte nach Experten, die die Herkunft des Briefes aufklären könnten und landete bei Jacques Leider, Experte für birmanische Geschichte an der École française d'Extrême-Orient in Paris. Der fand in dreijähriger Forschungsarbeit heraus, dass der Goldene Brief am 7. Mai 1756 von Alaunphaya, dem damaligen König von Birma, an Georg II., König von England, geschrieben wurde. Der birmanische Monarch bietet darin eine Handelsniederlassung für Teakholz in seinem Land an. Eine Art Freundschaftsoffensive an die Kolonialmacht, die damals kurz vor dem siebenjährigen Krieg gegen Frankreich stand und das Teakholz für den Schiffbau brauchte, vermutet Jacques Leider:

"Er wollte beständige Handelsbeziehungen, er wollte ein richtiges Bündnis, er wollte – sicher auch in einer Anfangsphase – Waffen, Kanonen, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Aber später sieht man doch eine weitere Vision, dass er auf die Engländer wirklich zählt und eben nicht auf die Franzosen. Der Brief, auf Gold geschrieben und mit Rubinen versetzt, ist ja was Besonders. Das sieht man ja, und das sollten die eigentlich verstehen. Haben sie aber irgendwie nicht verstanden."

Georg II., seines Zeichens Mitglied des hannoverschen Welfengeschlechts, verkannte die wichtige politische Dimension des Briefes und schickte ihn an die Königliche Bibliothek in seiner Heimat Hannover. Auf eine Antwort wartete Alaunphaya vergeblich. Der birmanische König war so erzürnt, dass er die englischen Niederlassungen in seinem Land dem Erdboden gleichmachte und 40 Jahre Funkstille zwischen den beiden Ländern herrschte.

Bei der heutigen Präsentation vor 450 geladenen Gästen kündigte Bibliotheksdirektor Georg Ruppelt an, die deutsche Kommission für das UNESCO Weltkulturerbe auf den Goldenen Brief aufmerksam machen zu wollen. Neben dem Nachlass von Gottfried Wilhelm Leibniz, der 2007 auf die Liste aufgenommen wurde, wäre dies bereits das Zweite Weltkulturerbe im Bestand.

Georg Ruppelt: "Ich denke, dieses Stück hat nun alles, was in die UNESCO gehört: Er verbindet Ost und West, er ist ein Symbol für den Versuch, in Freundschaft miteinander zu leben – so steht es jedenfalls drin, auch wenn politische Hintergründe sind – und er ist spektakulär in seinem Äußeren. Gold zieht an!"

Besucher anziehen soll der Goldene Brief erst in etwa 18 Monaten. Bis dahin wird der unansehnliche 70er-Jahre Bau der niedersächsischen Landesbibliothek im Inneren auf Hochglanz gebracht und ein sicherer Ausstellungsplatz für das bedeutende Schriftstück gefunden. Ende des Jahres werden sich Wissenschaftler erneut mit dem Goldenen Brief beschäftigen. Auf einem Kolloquium in Hannover soll u.a. die Frage geklärt werden, warum das Dokument zwei Jahre von Birma nach England unterwegs war und warum Georg, der II. es nach Hannover schickte. Der Goldene Brief wandert jetzt erst mal wieder in den Tresor.