Wie wir wohnen
Mit Peter Richter schreibt jemand, der sich einen Sinn für die scheinbar nebensächlichsten Dinge hat, in ihnen jedoch ganze Milieus erkennt. Im Sinne von Oscar Wilde, der ja auch fand, dass nichts verräterischer als die Oberfläche sei. Der Autor schont nichts und vor allem nicht sich selbst, auch die eigenen Wohnverhältnisse nimmt er auf die Schippe. Richter ist kein vernörgelter Volkserzieher, der sich über alles mokiert und alles besser weiß. Ein hochvergnügliches Buch.
Peter Richter, Jahrgang 1973, ein gelungenes Produkt deutscher Wiedervereinigung, war schon alt genug, um seine Sozialisation im sächsischen Dresden zu DDR-Zeiten mit der wacher Beobachtungsgabe des Pubertisten zu reflektieren und noch jung genug, um mit dem coolen Zynismus des Erwachsenen seinen Weg in die blühenden Landschaften zu erkunden.
Das erste Buch des Journalisten hieß darum auch "Blühende Landschaften" und wurde schnell in die Bestsellerlisten aufgenommen.
Richter hat in Hamburg und Madrid Kunstgeschichte studiert und ist promovierter Kunsthistoriker. In seiner Dissertation hat er sich mit dem Plattenbau beschäftigt, damit also mit Wohnen in Ostdeutschland. Dass er dieses Leben nicht wohlfeil diffamiert, sondern es als eine Form von Wohnmöglichkeiten betrachtet, das durch Übersteigerung aus einer plausiblen Architektur-Utopie zum gleichmacherischen Werktätigenstube wurde, lässt er dabei nicht außer Acht.
Da schreibt jemand, der sich auch einen Sinn für die scheinbar nebensächlichsten Dinge hat, in ihnen jedoch ganze Milieus erkennt. Im Sinne von Oscar Wilde, der ja auch fand, dass nichts verräterischer als die Oberfläche sei. Unsere Inszenierungen sind doch oft die reine Fassade, man steht neben sich und denkt - wenn man noch halbwegs bei Troste ist - was tue ich eigentlich, warum sage ich das?
Richter nun nennt das Buch eine Einrichtungsfibel. Schon das Wort Fibel: so schön altmodisch, während wir doch inzwischen alles designen, unser Ambiente stilisieren - die Wohnung als Bühne für unser Lebensdrama - oder ist es doch nur eine Komödie oder gar nur eine Klamotte?
Der Autor schont nichts und vor allem nicht sich selber - schön diese Selbstironie, mit der er auch eigene Wohnverhältnisse auf die Schippe nimmt und sich und den Leser fragt: Wer bin ich eigentlich, das ich hier den Leuten in die Wohnzimmer gucke, ein Buch über das Wohnen schreibe und mich darüber mokiere, mein eigener Kram sieht beim Umzug doch eher wie Sperrmüll aus.
Doch all die hochgejazzten TV-Wohnshows, wie die mit der fröhlichen Tine Wittleer - und nun sage mir keiner, dass er die noch nie gesehen hätte. Allein der Vorher-Nachher-Effekt Tine Wittler und ihre immer gut gelaunten - wie sagt man doch? - Heinzelmännchen vom Maurer über den Elektriker bis zur Dekospezialistin, sie machen noch aus jeder Bude eine anheimelndes Ambiente. Es ist immer wieder so schön.
Und nur ein Freitagabend bei IKEA belehrt uns: Wohnen ist Weltanschauung. Peter Richter schreibt da gleich zu Beginn seines hochvergnüglichen Buches: "Denn was siehst du denn, wenn du in deiner Wohnung hineinschaust wie in einen Spiegel? Biografische Geröllhalden, Modeirrtümer und traurige Kompromisse. Du bist das Billy-Regal, das alle haben, die auch mal was Besonderes haben wollten. Und schon erkennen sich bestimmt 80 Prozent der Leser wieder.
Richter beobachtet uns, wie wir fasziniert dem neuen Trend des Minimalismus in Leder, Glas und Stahl hinterher hecheln. Schließlich müssen wir trendigen Städtebewohner uns und unserer hochgetunten Medienwelt aus Hi-Fi und Apple weißgetünchte Räume bieten. Doch die nächste Modemesse oder Werbekampagne ruft Coocooning aus und alles kuschelt sich zeitgeistmüßig zwischen gespachtelten terrakottafarbenen Wänden, schätzt die natürliche Aura von Holz, Leinen und schönem Dekor.
Wohnen als Waffe in den sozialen Distinktionskämpfen - schreibt Richter und lässt da einmal -und er tut das selten - sein soziologisches Wissen deutlich "heraushängen”. Bloß - er hat ja so Recht und bringt die Sache auf den Punkt. Man spürt in jedem Kapitel, dass der Autor seine soziologischen Hintergründe sicher auf dem Schirm hat - doch er macht sich über das Geschwurbel lustig und schreibt ein riesiges Feuilleton. Das Wissen ist grundsolide - der Ton in hohem Grade belustigt.
Es gibt "keine öffentlicheren Bühnen als die privaten Wohnungen."
Und der Autor spaziert ungeniert durch Altbaufluchten mit abgezogenen Dielen und allen Stuck, den sich der gutbetuchte Enddreißiger heute so leistet in den großen Städten dieses Landes. Er hat damit nicht nur eine Anschrift, sondern eine Adresse. Aber auch WGs kennt Richter gut - hat sich langsam hochgewohnt in "topsaniert” und seine gleichaltrigen Freunden zugehört, wenn die über Geburtshäuser debattierten, weil dort vielerorts das Wohnen beginnt, das die heranwachsende oft verwöhnte Blage in überausstaffierten Kinderzimmern dominant fortsetzt, sich auf Sitzsäcken fläzt oder zwischen Bergen von Spielzeug nichts mit sich anzufangen weiß. Sie haben wie Richter schreibt, ein Kinderzimmer, aber oft keine Kinderstube.
Aber keine Furcht. Der Autor ist kein vernörgelter Volkserzieher, der sich über alles mokiert und alles besser weiß. Doch glücklicherweise auch kein Gutmensch ,der alle und jeden versteht oder gar verstehen will. So wie er die Wohnwelten und ihre Statisten beobachtet, stellt er sie mit Witz und frechen Sprüchen dar, ohne je in billigen Comedysound zu verfallen. Die Kapitelüberschriften sind spröde annonciert: Das Geburtshaus, die Kinderstube, das Jugendzimmer, Männer und Frauen, das Möbelhaus et cetera und schließlich und endlich: das Grab, die letzte Wohnung.
Seit langem hat mir kein Buch solchen Spaß gemacht. Ein Tipp, der in meiner Geschenkliste ganz weit oben steht.
Rezensiert von Astrid Kuhlmey
Peter Richter: Deutsches Haus - Eine Einrichtungsfibel
Goldmann Verlag, München 2006, 223 Seiten , 18 Euro
Das erste Buch des Journalisten hieß darum auch "Blühende Landschaften" und wurde schnell in die Bestsellerlisten aufgenommen.
Richter hat in Hamburg und Madrid Kunstgeschichte studiert und ist promovierter Kunsthistoriker. In seiner Dissertation hat er sich mit dem Plattenbau beschäftigt, damit also mit Wohnen in Ostdeutschland. Dass er dieses Leben nicht wohlfeil diffamiert, sondern es als eine Form von Wohnmöglichkeiten betrachtet, das durch Übersteigerung aus einer plausiblen Architektur-Utopie zum gleichmacherischen Werktätigenstube wurde, lässt er dabei nicht außer Acht.
Da schreibt jemand, der sich auch einen Sinn für die scheinbar nebensächlichsten Dinge hat, in ihnen jedoch ganze Milieus erkennt. Im Sinne von Oscar Wilde, der ja auch fand, dass nichts verräterischer als die Oberfläche sei. Unsere Inszenierungen sind doch oft die reine Fassade, man steht neben sich und denkt - wenn man noch halbwegs bei Troste ist - was tue ich eigentlich, warum sage ich das?
Richter nun nennt das Buch eine Einrichtungsfibel. Schon das Wort Fibel: so schön altmodisch, während wir doch inzwischen alles designen, unser Ambiente stilisieren - die Wohnung als Bühne für unser Lebensdrama - oder ist es doch nur eine Komödie oder gar nur eine Klamotte?
Der Autor schont nichts und vor allem nicht sich selber - schön diese Selbstironie, mit der er auch eigene Wohnverhältnisse auf die Schippe nimmt und sich und den Leser fragt: Wer bin ich eigentlich, das ich hier den Leuten in die Wohnzimmer gucke, ein Buch über das Wohnen schreibe und mich darüber mokiere, mein eigener Kram sieht beim Umzug doch eher wie Sperrmüll aus.
Doch all die hochgejazzten TV-Wohnshows, wie die mit der fröhlichen Tine Wittleer - und nun sage mir keiner, dass er die noch nie gesehen hätte. Allein der Vorher-Nachher-Effekt Tine Wittler und ihre immer gut gelaunten - wie sagt man doch? - Heinzelmännchen vom Maurer über den Elektriker bis zur Dekospezialistin, sie machen noch aus jeder Bude eine anheimelndes Ambiente. Es ist immer wieder so schön.
Und nur ein Freitagabend bei IKEA belehrt uns: Wohnen ist Weltanschauung. Peter Richter schreibt da gleich zu Beginn seines hochvergnüglichen Buches: "Denn was siehst du denn, wenn du in deiner Wohnung hineinschaust wie in einen Spiegel? Biografische Geröllhalden, Modeirrtümer und traurige Kompromisse. Du bist das Billy-Regal, das alle haben, die auch mal was Besonderes haben wollten. Und schon erkennen sich bestimmt 80 Prozent der Leser wieder.
Richter beobachtet uns, wie wir fasziniert dem neuen Trend des Minimalismus in Leder, Glas und Stahl hinterher hecheln. Schließlich müssen wir trendigen Städtebewohner uns und unserer hochgetunten Medienwelt aus Hi-Fi und Apple weißgetünchte Räume bieten. Doch die nächste Modemesse oder Werbekampagne ruft Coocooning aus und alles kuschelt sich zeitgeistmüßig zwischen gespachtelten terrakottafarbenen Wänden, schätzt die natürliche Aura von Holz, Leinen und schönem Dekor.
Wohnen als Waffe in den sozialen Distinktionskämpfen - schreibt Richter und lässt da einmal -und er tut das selten - sein soziologisches Wissen deutlich "heraushängen”. Bloß - er hat ja so Recht und bringt die Sache auf den Punkt. Man spürt in jedem Kapitel, dass der Autor seine soziologischen Hintergründe sicher auf dem Schirm hat - doch er macht sich über das Geschwurbel lustig und schreibt ein riesiges Feuilleton. Das Wissen ist grundsolide - der Ton in hohem Grade belustigt.
Es gibt "keine öffentlicheren Bühnen als die privaten Wohnungen."
Und der Autor spaziert ungeniert durch Altbaufluchten mit abgezogenen Dielen und allen Stuck, den sich der gutbetuchte Enddreißiger heute so leistet in den großen Städten dieses Landes. Er hat damit nicht nur eine Anschrift, sondern eine Adresse. Aber auch WGs kennt Richter gut - hat sich langsam hochgewohnt in "topsaniert” und seine gleichaltrigen Freunden zugehört, wenn die über Geburtshäuser debattierten, weil dort vielerorts das Wohnen beginnt, das die heranwachsende oft verwöhnte Blage in überausstaffierten Kinderzimmern dominant fortsetzt, sich auf Sitzsäcken fläzt oder zwischen Bergen von Spielzeug nichts mit sich anzufangen weiß. Sie haben wie Richter schreibt, ein Kinderzimmer, aber oft keine Kinderstube.
Aber keine Furcht. Der Autor ist kein vernörgelter Volkserzieher, der sich über alles mokiert und alles besser weiß. Doch glücklicherweise auch kein Gutmensch ,der alle und jeden versteht oder gar verstehen will. So wie er die Wohnwelten und ihre Statisten beobachtet, stellt er sie mit Witz und frechen Sprüchen dar, ohne je in billigen Comedysound zu verfallen. Die Kapitelüberschriften sind spröde annonciert: Das Geburtshaus, die Kinderstube, das Jugendzimmer, Männer und Frauen, das Möbelhaus et cetera und schließlich und endlich: das Grab, die letzte Wohnung.
Seit langem hat mir kein Buch solchen Spaß gemacht. Ein Tipp, der in meiner Geschenkliste ganz weit oben steht.
Rezensiert von Astrid Kuhlmey
Peter Richter: Deutsches Haus - Eine Einrichtungsfibel
Goldmann Verlag, München 2006, 223 Seiten , 18 Euro