Wie unsere Farb-Begriffe gebildet werden

Wie kommt es, dass manche Menschen beispielsweise zwischen "bordeaux-", "ziegel-" und "tomatenrot" unterscheiden, während andere für alle drei Farbnuancen nur einen Begriff zur Verfügung haben, nämlich "rot"? Mit diesen und anderen Fragen setzt sich das Buch "Farben. Betrachtungen aus Philosophie und Naturwissenschaften" auseinander, das auf einer Vortragsreihe an der Ludwig-Maximilians-Universität München beruht.
Das Buch beruht auf einer Vortragsreihe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München unter der Überschrift: "Farben. Betrachtungen aus Philosophie und Naturwissenschaften." Die dreizehn Vorlesungen in Folge sind in diesem Buch hier abgedruckt. Mit von der Partie als Vortragende waren Philosophen, (Philosophie-Historiker und Wissenschaftstheoretiker), Psychologen, Physiker und Neurowissenschaftler.

Wie kommt es , dass wir Dinge als "rot, grün oder blau" bezeichnen, dass manche Menschen z. B. zwischen "bordeaux-", "ziegel-" und "tomatenrot" unterscheiden, während andere für alle drei Farbnuancen nur einen Begriff zur Verfügung haben, nämlich "rot" ? Mit anderen Worten: Wie entstehen all die Farb-Begriffe in unserem Kopf? Das vorliegende Buch macht uns klar, um diese Frage zu klären, müssen (mindestes) drei Wissenschaftsdisziplinen zusammenarbeiten: die Physik, die Neurobiologie und die Philosophie.

Zu diesem Thema gibt es mehrere Artikel in diesem Buch, die meisten sind von Natur- und Geisteswissenschaftlern gemeinsam verfasst. Die beste Schilderung des Prozesses unserer Farb-Wahrnehmung haben Stefan Glasauer (Neurobiologe) und Bernd Karcher (Philosoph) geliefert.

In einem Text unter der Überschrift "Farben sehen". Dort erfahren wir z. B., wie unsere Farb-Begriffe gebildet werden: durch Erfahrung mit unserer Umgebung nämlich. Man stelle sich vor, ein kleiner Junge beginnt, die Welt zu entdecken. Seine Mutter zeigt ihm einen Apfel, sagt ihm "Das ist ein Apfel, und der ist rot". Nach wiederholter Begegnung mit roten Äpfeln speichert das Hirn des Kleinen zwei Begriffe: erstens den Begriff "Apfel", zweitens den Begriff "Rot" – und dazu ein Bild ,das der Junge auch dann in Erinnerung bringen kann, wenn kein roter Apfel in der Nähe ist: die Vorstellung eines roten Apfels eben.

Und wie nimmt das Auge des Kindes die rote Farbe des Apfels wahr? Da kommen in diesem Artikel zunächst die Physik und später die Neurobiologie ins Spiel. "Ein roter Apfel", das heißt physikalisch betrachtet: die Oberfläche des Apfels ist so beschaffen, dass sie den roten Anteil des Sonnenlichtes reflektiert. Darum erscheint dem Betrachter dieser Apfel als rot, bei hellem Tageslicht zumindest.

Und die neurobiologische Seite des Themas: das Licht, welches von der Apfel-Oberfläche reflektiert wird, erregt die Netzhaut des Betrachters. Auf der Netzhaut gibt es so genannte "Zapfen", beim Menschen drei verschiedene: "rote, grüne und blaue Zapfen" genannt: Farb-Rezeptoren. Die vergleichen die einfallenden Lichtwellen miteinander, und so entsteht unser gesamtes System des farbigen Sehens. Diese Farb-Wahrnehmung vergleicht unser Hirn sofort mit seinen Farb-Vorstellungen und schließlich mit seinen Farb-Begriffen, und so kommen wir am Ende zu dem Schluss: Das Ding vor unseren Augen ist ein roter Apfel.

Wer sich für die wissenschaftsgeschichtliche Seite des Themas interessiert, wird in diesem Buch ebenfalls fündig. Unter der Überschrift "Historische Positionen in neuem Licht" werden die großen Farb-Theorien der Vergangenheit vorgestellt: Descartes, Kant, Wittgenstein. Auch der berühmte Streit zwischen Goethe und den Anhängern der newtonschen Farb-Theorie wird diskutiert. Wer meint, dass Goethe in dieser Sache Unrecht hatte, erfährt: Das stimmt nur bedingt.

Das Buch macht seinem Leser deutlich, der Mechanismus unserer Farb-Wahrnehmung ist weit komplizierter, als es unserem Alltagsverstand erscheint; ein Thema, um zu staunen über die Wunder der Natur. Den Autoren ist es gelungen, das Ganze recht plausibel darzustellen, auch offene Fragen werden benannt. Nachdem in letzter Zeit so manchen Grabenkrieg zwischen Neurobiologen und Philosophen ausgefochten wurde, zeigt dieses Buch: Es gibt auch ein Miteinander – der Forschung zum Nutzen, dem Leser zur Freude und Erleichterung.

Rezensiert von Susanne Mack

Glasauer, Stefan/Steinbrener, Jakob:
Farben. Betrachtungen aus Philosophie und Naturwissenschaften

Suhrkamp 2007
370 Seiten, 14 Euro