Wie Südeuropas Kino mit der Krise kämpft

Von Vanja Budde · 12.02.2013
Kinos bleiben leer, Fördergelder werden gestrichen, Produktionsfirmen steht das Wasser bis zum Hals: Die Wirtschaftskrise hat die Filmindustrie in Ländern wie Spanien und Griechenland vor massive Probleme gestellt. Doch manche Kreative können der Misere auch Positives abgewinnen.
Neus Ballús: "Es ist alles ganz anders jetzt. Als wir vor vier Jahren mit der Finanzierung des Filmes begannen, waren wir quasi die Letzten, die noch von Fördertöpfen profitierten, die mittlerweile gekürzt wurden oder ganz verschwunden sind. Derzeit gibt es einen kompletten Wandel des Filmemachens in Spanien und in ganz Südeuropa. Wir müssen herausfinden, wie wir am besten weitermachen können. Die Krise betrifft definitiv jeden von uns."

Die junge spanische Regisseurin Neus Ballús ist erfreut, dass ihr Film "Die Plage" beim internationalen Festivalpublikum der Berlinale großen Zulauf hat. Die Geschichte spielt in den Vororten von Barcelona und wird als Blick auf den Krisenalltag in Spanien wahrgenommen. Um 20 Prozent wurde dort die staatliche Filmförderung zusammengestrichen.

"Kleine Filme werden noch gemacht, weil man nicht viel Geld braucht, nur eine Kamera und ein paar Freunde. Große, kommerzielle Filme werden auch noch gemacht, weil die Industrie sie für den Export braucht. Aber die mittleren Filme, so wie unserer, die verschwinden gerade von der Bildfläche."

Die Krux in Spanien: Man bekommt Fördergelder erst für den fertigen Film, die Produktionsfirmen müssen die Dreharbeiten aber vorfinanzieren. Vielen von ihnen steht das Wasser bis zum Hals, erklärte Adrià Monés von Filmax bei einer Podiumsdiskussion des Europäischen Film-Marktes:

"Es ist in Spanien im Moment sehr schwer, einen Bankkredit zu bekommen.
Doch das Gute an Krisenzeiten ist, dass die Leute sich neue Gedanken machen müssen: Wir produzieren mehr Filme in englischer oder französischer Sprache. Die Leute versuchen neue Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, es gibt mehr europäische Koproduktionen, die zwar mühsam sein können, aber manchmal die besseren Filme ergeben. Es ist ein Schlamassel, aber manchmal ist Schlamassel eine gute Sache."

Auch die Verwertung von Filmen muss neue Wege gehen, forderte Monés, großes Stichwort - vor allem in Spanien: Das Internet.

"Die Piraterie hat bei uns die zweit- oder drittgrößten Ausmaße weltweit angenommen. Es gibt ein paar sehr gute Internetplattformen für den legalen Download, aber sie haben kaum Nutzer, weil das illegale Downloaden so einfach ist. Im Kino laufen fast nur noch Filme für Erwachsene. Denn neun Euro für eine Kinokarte, das ist für Teenager jetzt sehr viel."

Und die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien ist extrem hoch. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, überlegt es sich dreimal, wofür er es ausgibt. Das ist in Griechenland nicht anders, bestätigt der Kulturjournalist Christos Mitsis aus Athen.

"Die Zahl der Kinobesucher ist um 30 Prozent gesunken, auf derzeit zehn, elf Millionen Eintrittskarten im Jahr. Und die Produktion ist runtergegangen auf zwei, drei große Filme im Jahr, statt sieben, acht oder zehn wie in der Vergangenheit. Es gibt aber mehr kleine Filme und die sind interessanter, weil meist sehr junge Leute sie machen."

Der Zusammenbruch der Wirtschaft in Griechenland hat große künstlerische Energie und Kreativität freigesetzt, meint Mitsis.

"Die Lage der Filmemacher ist einerseits schlecht, weil es kein Geld mehr gibt, das ist ein Schock. Doch andererseits gibt es in Zeiten der Krise viele Konflikte, die ganze Gesellschaft steht Kopf. Es gibt neue Geschichten, neue Helden, neue Situationen. Und weil in unseren digitalen Zeiten ein Mensch allein oder ein kleines Team mit einer Kamera einen Film machen kann, sehen wir viele interessante kleine Filme. Viele dieser griechischen Filme werden mit Preisen ausgezeichnet und auf Festivals wie Cannes oder der Berlinale gezeigt."

Regisseur Athanasios Karanikólas weiß von Familie und Freunden in Thessaloniki, dass die Auswirkungen der Krise für viele Menschen kaum zu ertragen sind. Doch die Kino-Kunst, sagt auch er, die profitiert:

"Ich finde nicht, dass das Kino in Griechenland jetzt in Gefahr ist. Im Gegenteil: Das blüht gerade, man erlebt eine große neue griechische Welle."

So weit würde Athina Rachel Tsangari noch nicht gehen. Die griechische Regisseurin und Produzentin ist Mitglied der Internationalen Jury der Berlinale.

"Keinen Zugang zu staatlichen Geldern zu haben, zusammen unabhängig zu arbeiten, in großer Kameradschaft unter uns, das hat unserem Kino meiner Meinung nach sehr geholfen. Alle Welt spricht von der neuen griechischen Welle. Ich bin nicht sicher, ob es eine Welle ist, aber es ist definitiv eine Bewegung von Leuten, die miteinander arbeiten. Es ist sehr entscheidend, was da gerade passiert."

Der griechische Staat solle sich gut überlegen, ob er es sich leisten kann, die Künste und dabei vor allem die Filmindustrie kaputt zu sparen, mahnte Tsangari, die eine der herausragenden Vertreterinnen des neuen griechischen Kinos ist.

"In den vergangenen Jahren gab es kaum Förderung. Derzeit geraten die Dinge wieder etwas in Bewegung, das Griechische Filmzentrum beginnt zu akzeptieren, dass es Verpflichtungen hat. Wir hoffen, dass das Kulturministerium die Kultur in Griechenland unterstützen wird. Wir haben nur sehr wenig, was wir exportieren können. Vielleicht ist Kunst derzeit das Einzige."