Wie Stadionrock im Pub

Von Tobi Müller |
Die schottische Rockband Franz Ferdinand spielte in der Berliner Volksbühne ein exklusives Konzert: ihr einziges Deutschlandkonzert. Dabei klang das Quartett erst wie eine Garagenband, dann wie im Stadion - am besten war der Discoteil, meint der Musikredakteur Tobi Müller.
Noch keine zehn Jahre ist es her, als Franz Ferdinand die Popwelt betörten. Mit einer einfachen Mischung eigentlich: Während rundherum die vielen neuen Gitarrenbands bald immer breitbeiniger auf der Bühne standen, beharrten die vier Schotten auf Rock mit unrockistischen Anteilen. Dinge wie Eleganz, Ironie, Wissen, vielleicht sogar: Weiblichkeit. Sehr weit weg kommt es einem allerdings vor, wenn man in Kritiken von damals liest, diese Musik würde "die Mädchen zum Tanzen" bringen. Könnte man diesen Sexismus heute noch so ungefiltert ventilieren?
Immerhin, das schöne neue Album hat auch einen schön ironischen Titel: "Right Thoughts, Right Words, Right Action", im bewährten Design der historischen russischen Avantgarde: Pfeile, klare Richtungen, Zukunft, bei Franz Ferdinand in Pink! Es ist ein Titel, der den Bierernst aktueller Rockmusik mit einem Hüftstupser erledigt. Und diese Songs sind alle da in der Volksbühne, von allen vier Alben. Aber erst klingt es, als würde eine Garagenband ihr erstes Konzert spielen.

Danach oft wie Stadionrock, der wegen einer Verwechslung im Pub gespielt wird. Zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Powerchords. Gut gelaunt, aber schlechter Durchschnitt. Paul Thomson ist ein routinierter Schlagzeuger geworden, er hält diese Hobbycombo zusammen. So schien es wirklich! Vielleicht ist auch der Kulturunterschied schuld.
Franz Ferdinand: "Right Thoughts, Right Words, Right Action"
Franz Ferdinand: "Right Thoughts, Right Words, Right Action"© Domino Recording
Rock gegen Doof
In Deutschland übernahmen einst Blumfeld den Job, Rockmusik als Eleganz, oho, als Intelligenz gar zu denken. Geblieben sind Tocotronic. Aber deutsche Bands verdichten diese Dinge, die den Doofrock transzendieren, seit 200 Jahren fast nur in den Texten. Vielleicht noch in der Stimme und im Vortrag. Franz Ferdinand sind ein Beispiel, wie man auch jenseits der Dichtkunst un-doofe Rockmusik machen kann. Es gibt musikalische Witze, die Texte sind nicht tiefenklug, sie spielen allenfalls klug mit Sinnklötzchen. Und die Grafik der Alben sind so wichtig wie die Weise, in der Nick McCarthy seine weiße Gibson SG hält. Da hatte man was zu schauen.

Diese Gitarre ist ein Modell, das Angus Young von der Schwanzrockband AC/DC spielt, allerdings in Dunkelrot. McCarthy von Franz Ferdinand hält die weiße und somit discofizierte SG so hoch an der Brust wie eine Ukulele. Dabei wippt er lächelnd hin und her, als spielte er in einem Unterhaltungsorchester. In deutschen Landen hält man so was gerne für Tand. In Großbritannien sind solche Details Teil der Musik, die immer auch Performance sein will. Die Briten nennen es Pop.

Kleine Elvis-Imitationen
Deshalb darf auch nicht verschwiegen werden, dass der endsympathische Sänger und Gitarrist Alex Kapranos in der Mitte das Jackett auszieht. Sein Tank Top auf sehr dünnem Oberkörper leitet den Discoteil ein. Und plötzlich geht es besser mit den musikalischen Späßchen, mit kleinen Elvis-Imitationen, die jeder unter der Dusche hinkriegt, mit einer Verschmelzung aus "Can't stop the feeling" vom letzten Album mit "I feel love", Giorgio Moroders Danceklassiker mit Donna Summer. In "Love Illumination" kann Kapranos kaum noch singen, aber das ist egal für dieses herrlich schmalbrüstige Wüstenrockzitat.

Da, McCarthy und Kapranos halten die Gitarren ganz tief und spielen die Gitarrenfigur zweistimmig, wie früher die Eagles, ein weiteres Männerrockmodell von gestern. Hintern und Hirn haben also doch noch geknutscht. Alles Weitere muss sich dann auf den vielen Kunstpartys im Anschluss zugetragen haben. Denn die Kunstschuldband Franz Ferdinand gastierte als Headliner des Glasgow Festivals, ausgerichtet von der BQ-Galerie und der Volksbühne.

Ans Ende kam damit auch die ABC, die Messe Art Berlin Contemporary. Und das Kunstvolk geriet auch in der Volksbühne noch ein bisschen aus dem Häuschen: Hier wurde ein Hemdknopf geöffnet, da schüttelte man die von Mama abgeschaute Frisur.
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