Wie Nazis und Palästinenser gemeinsame Sache machten
Der damalige politische Führer und das religiöse Oberhaupt der palästinensischen Muslime, Muhammad Amin el-Husseini, bat nach 1933 die Nationalsozialisten um Unterstützung seines Kampfes gegen Juden und Briten. Im Gegenzug erbot er sich, unter Moslems Propaganda für das Dritte Reich zu machen. Klaus Gensickes Biographie beschreibt die engen Verbindungen.
Über Jahrzehnte war er der wichtigste Repräsentant der arabischen Welt, ihr politischer Führer und das religiöse Oberhaupt der palästinensischen Muslime: Muhammad Amin el-Husseini, Sohn einer der einflussreichsten arabischen Familien Palästinas. 1897 in Jerusalem geboren, besuchte er in Istanbul die Verwaltungshochschule und Militärakademie, diente als Offizier in der türkischen Armee.
El-Husseinis politische Aktivitäten begannen nach dem 1. Weltkrieg. Er propagierte eine arabische Nationalbewegung, initiierte und unterstützte gewaltsame Aufstände gegen Briten und die jüdische Bevölkerung Palästinas. Persönlicher Machtwille, gewalttätiger Antisemitismus und das Streben nach einem unabhängigen arabischen Großreich bestimmten zeitlebens sein Handeln. 1921 wurde er zum Mufti von Jerusalem ernannt. Ein Jahr darauf zum Präsidenten des islamischen Oberrates, welcher islamische Gerichte, Moscheen und Schulen kontrollierte.
Nach 1933 nahm El-Husseini Kontakt zu Vertretern des nationalsozialistischen Deutschland auf. Er bat um Unterstützung seines Kampfes gegen Juden und Briten. Im Gegenzug erbot er sich, unter Moslems Propaganda für das Dritte Reich zu machen. Von 1941 bis 1945 lebte Husseini in Deutschland, rekrutierte moslemische SS-Verbände, agitierte für die Deutschen in Radiosendungen und drängte fortwährend darauf, die "Endlösung der Judenfrage" konsequent zu verfolgen. Sein erbitterter Antisemitismus war dem von Hitler durchaus ebenbürtig. Seine Ziele passte der Mufti dem Kriegsverlauf an. Anfangs ging es ihm um eine unabhängige arabische Nation. Dann forderte er "Juden raus aus Palästina", um schließlich den Schutz der bosnischen Bevölkerung auf dem Balkan zu verlangen.
Nach dem Krieg konnte der Mufti seinen Einfluss in der arabischen Welt noch einige Jahre lang aufrechterhalten. Doch nach Errichtung des Staates Israel, dessen Existenzrecht er nie anerkannte, wurde er zum Opfer innerarabischer Interessenkonflikte. Seine kompromisslose Haltung isolierte ihn zunehmend.
Klaus Gensickes politische Biographie Amin el-Husseinis beschreibt höchst detailliert die engen Verbindungen zwischen dem Mufti und Nazideutschland - das unablässige Taktieren beider Seiten, um den jeweils größten Eigennutz zu erzielen. Im wesentlichen stellt der Autor aufgrund deutscher Dokumente das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Mufti und Nationalsozialisten dar.
In anderen Bereichen lässt das Buch Fragen offen. Und das, obwohl es in der vorliegenden Form die "aktualisierte, vollständige Überarbeitung" der 20 Jahre alten Dissertation des Autors ist. Gensicke analysiert wenig, häuft hingegen Informationen aufeinander. Die Jahre vor 1933 und nach 1945 beschreibt er vergleichsweise kurz. Wie der Mufti von den eigenen Landsleuten gesehen wurde, wie er seine Aktivitäten selber einschätzte, worin seine Tätigkeiten zwischen 1945 und seinem Tod 1974 bestanden, wird nicht erzählt.
Auch erfahren wir nicht, woher er seine Ideen bezog, welche geistigen Auseinandersetzungen er führte, wie er seine Spionagenetze organisierte oder Aufstände initiierte. Eine übersichtliche, allgemeine Darstellung historischer Entwicklungen im Nahen Osten fehlt in dieser Studie. Sie wäre erforderlich, um zahlreiche Details, die der Autor ausbreitet, ihrer Bedeutung entsprechend einzuordnen. Gensicke setzt Kenntnisse voraus, die er vermitteln müsste.
Dennoch muss man von einem wichtigen Buch sprechen, denn der Autor widmet sich einem Kapitel deutscher Geschichte, das im öffentlichen Bewusstsein kaum vorhanden ist. Er macht den Einfluss Nazi-Deutschlands auf die Verhältnisse im Nahen Osten deutlich und legt Wurzeln des islamischen Antisemitismus frei.
Rezensiert von Carsten Hueck
Klaus Gensicke: "Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis".
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007
247 Seiten, 49,90 EUR
El-Husseinis politische Aktivitäten begannen nach dem 1. Weltkrieg. Er propagierte eine arabische Nationalbewegung, initiierte und unterstützte gewaltsame Aufstände gegen Briten und die jüdische Bevölkerung Palästinas. Persönlicher Machtwille, gewalttätiger Antisemitismus und das Streben nach einem unabhängigen arabischen Großreich bestimmten zeitlebens sein Handeln. 1921 wurde er zum Mufti von Jerusalem ernannt. Ein Jahr darauf zum Präsidenten des islamischen Oberrates, welcher islamische Gerichte, Moscheen und Schulen kontrollierte.
Nach 1933 nahm El-Husseini Kontakt zu Vertretern des nationalsozialistischen Deutschland auf. Er bat um Unterstützung seines Kampfes gegen Juden und Briten. Im Gegenzug erbot er sich, unter Moslems Propaganda für das Dritte Reich zu machen. Von 1941 bis 1945 lebte Husseini in Deutschland, rekrutierte moslemische SS-Verbände, agitierte für die Deutschen in Radiosendungen und drängte fortwährend darauf, die "Endlösung der Judenfrage" konsequent zu verfolgen. Sein erbitterter Antisemitismus war dem von Hitler durchaus ebenbürtig. Seine Ziele passte der Mufti dem Kriegsverlauf an. Anfangs ging es ihm um eine unabhängige arabische Nation. Dann forderte er "Juden raus aus Palästina", um schließlich den Schutz der bosnischen Bevölkerung auf dem Balkan zu verlangen.
Nach dem Krieg konnte der Mufti seinen Einfluss in der arabischen Welt noch einige Jahre lang aufrechterhalten. Doch nach Errichtung des Staates Israel, dessen Existenzrecht er nie anerkannte, wurde er zum Opfer innerarabischer Interessenkonflikte. Seine kompromisslose Haltung isolierte ihn zunehmend.
Klaus Gensickes politische Biographie Amin el-Husseinis beschreibt höchst detailliert die engen Verbindungen zwischen dem Mufti und Nazideutschland - das unablässige Taktieren beider Seiten, um den jeweils größten Eigennutz zu erzielen. Im wesentlichen stellt der Autor aufgrund deutscher Dokumente das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Mufti und Nationalsozialisten dar.
In anderen Bereichen lässt das Buch Fragen offen. Und das, obwohl es in der vorliegenden Form die "aktualisierte, vollständige Überarbeitung" der 20 Jahre alten Dissertation des Autors ist. Gensicke analysiert wenig, häuft hingegen Informationen aufeinander. Die Jahre vor 1933 und nach 1945 beschreibt er vergleichsweise kurz. Wie der Mufti von den eigenen Landsleuten gesehen wurde, wie er seine Aktivitäten selber einschätzte, worin seine Tätigkeiten zwischen 1945 und seinem Tod 1974 bestanden, wird nicht erzählt.
Auch erfahren wir nicht, woher er seine Ideen bezog, welche geistigen Auseinandersetzungen er führte, wie er seine Spionagenetze organisierte oder Aufstände initiierte. Eine übersichtliche, allgemeine Darstellung historischer Entwicklungen im Nahen Osten fehlt in dieser Studie. Sie wäre erforderlich, um zahlreiche Details, die der Autor ausbreitet, ihrer Bedeutung entsprechend einzuordnen. Gensicke setzt Kenntnisse voraus, die er vermitteln müsste.
Dennoch muss man von einem wichtigen Buch sprechen, denn der Autor widmet sich einem Kapitel deutscher Geschichte, das im öffentlichen Bewusstsein kaum vorhanden ist. Er macht den Einfluss Nazi-Deutschlands auf die Verhältnisse im Nahen Osten deutlich und legt Wurzeln des islamischen Antisemitismus frei.
Rezensiert von Carsten Hueck
Klaus Gensicke: "Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis".
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007
247 Seiten, 49,90 EUR