Wie nachhaltig können Musikfestivals sein?

"In Deutschland sind wir alle Greenwasher"

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Besucher des Wacken Open Air kommen per "Metal Train" am Bahnhof Izehoe an.
Nachhaltiges Reisen: Zum Wacken Open Air kommen Besucher auch per "Metal Train". © imago images / Chris Emil Janßen
Jacob Bilabel im Gespräch mit Martin Böttcher · 31.07.2019
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Künstler setzen sich gerne für den Umweltschutz ein, aber wie glaubhaft ist das, wenn sie selbst um die Welt fliegen? Jacob Bilabel von der "Green Music Initiative" erforscht, wie man Musik-Events effizienter gestalten kann.
DJs zahlen CO2-Abgaben, Festivals organisieren Mehrfachsysteme für den Getränke- und Essensverkauf, manche haben sogar Beauftragte für Nachhaltigkeit. Aber wie glaubhaft sind solche Initiativen, wenn die Besucher mit dem Auto oder gar per Flugzeug anreisen?
Jacob Bilabel von der "Green Music Initiative" sieht da keinen Widerspruch. Er hält die Bemühungen für glaubhaft. Die Herausforderung bestehe darin, irgendwo anzufangen, Festivals nachhaltiger zu gestalten, sei es bei Mobilität, Energie oder Catering.
"Festivals sind temporäre Kleinstädte auf der grünen Wiese. 60.000 Leute reisen an mit dem Auto oder Flugzeug. Und da stellt sich die Frage: Kann man Festivals noch machen? Ich glaube ja. Ich glaube, dass 60.000 Leute, die zusammen Musik hören, sind am Ende effizienter und klimaschonender als wenn sie es allein machten."

Keine Alternative zum Fliegen

Die "Green Music Initiative" sieht sich als Plattform zur Förderung einer klimaverträglichen Musik- und Entertainmentbranche und will dazu beitragen, CO2-Emissionen zu verringern. Sie verfolge einen forschenden Ansatz. Sie frage zum Beispiel: Wie könne man intermodale Verkehre einfacher machen oder die Autoauslastung erhöhen? "Wir sind sozusagen ein Max-Planck-Institut für Festivals", sagt Bilabel.
Was aber ist mit den Künstlern, die zum Umweltschutz aufrufen, aber selbst mit ihren Tourneen zur Klimaerwärmung beitragen? Handelt es sich nicht um "Greenwashing", also Heuchelei? "In Deutschland sind wir alle Greenwasher", sagt Bilabel. "Wir empfinden uns als Müllweltmeister, wir sind aber leider Müllproduktionsweltmeiter."
Bands seien aber angewiesen aufs Fliegen. Trotzdem tue sich was in der Branche: Manche Produktionen werden kleiner, Künstler kompensieren ihre Emissionen. Eine Band wie Radiohead hat 2007 ihre CO2-Emissionen ausrechnen lassen und festgestellt, dass die meisten für die An- und Abreise ihrer Fans anfallen. Seitdem trete Radiohead mehr in Städten auf. "Aber Fliegen ist immer noch ein On-Off-System. Es gibt noch nichts, was besser, einfacher und schneller ist."

Vorbild Wacken

Das Wacken Festival 2019 schafft mit einer "Wacken Future Factory" ein Forum, um über die Zukunft des Festivals zu sprechen. In Workshops wird unter anderem über Nachhaltigkeit, Inklusion und Sicherheit gesprochen.
Er sieht Handlungsbedarf: "Wir sind an dem Punkt, wo wir dringend was tun müssen. Wenn wir als Bundesregierung unser Klimaziel immer zehn Jahre rausschieben, ist das ein Zeichen: Dass wir alle zu wenig gemacht haben."
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