Wie intelligent sind Papageien?

Können Hunde wirklich nur Grautöne sehen? Wie intelligent sind Papageien? Und stimmt es, dass der Mount Everest noch in die Höhe wächst? Antworten auf diese Fragen gibt, reich bebildert, das Buch "Die 70 Wunder der Natur". Der Herausgeber Michael J. Benton ist Professor für Paläontologie und hat selber über 40 Bücher verfasst, darunter populärwissenschaftliche Werke über Dinosaurier.
Warum haben Tiere Farben? Um nicht gefressen zu werden! Deshalb tarnen sie
sich entweder so geschickt, dass sie gar nicht erst vor ihren Feinden entdeckt werden - oder aber sie täuschen mit Farbe vor, gefährlicher zu sein, als sie sind. Warnfarben etwa signalisieren: Achtung giftig!

So sieht die tropische Milchschlange mit ihren schwarz-gelb-roten Streifen der giftigen Korallenschlange ähnlich und dass, obwohl ihr Biss völlig harmlos ist. Ganz schön schlau! Und es sind genau diese Wunder der Natur, die oft noch immer Rätsel aufgeben und so Wissenschaftler und Laien bis heute faszinieren.

70 dieser Wunder widmet sich der großformatige Bildband, der jetzt bei Frederking&Thaler erschienen ist. Über 60 international anerkannte Naturwissenschaftler berichten darin von ihrer Arbeit, ihrer Suche nach Erklärungen, und zeigen: Je mehr wir über die Erde und das Leben auf ihr erfahren, je größer unser Wissen wird, desto mehr Fragen ergeben sich.

Denn je feiner und umfassender die Untersuchungsmethoden und Forschungstechniken werden, desto eher entdeckt man Lebensformen an Stellen, an denen man nicht mit ihnen gerechnet hat. In Salzwüsten und in der Tiefsee, im Eis - überall wimmelt es von Lebewesen, die sich an extreme Umweltverhältnisse angepasst haben. Wie sie das geschafft haben, das ist bis heute eine der großen Fragen der Wissenschaft.

Warum tragen Hirsche Geweihe, und warum gibt es Homosexualität in der Tierwelt? Wie intelligent sind Papageien, woran erinnern sich Kraken, wie orientieren sich Vögel, empfinden Affen Mitleid, können Elefanten trauern, sind Tiere nett zueinander? Fragen über Fragen, auf die es bislang nur vorläufige Antworten gibt.

Manche Tiere können zum Beispiel das für Menschen unsichtbare ultraviolette Licht sehen. Zebrafinken erkennen so offenkundig den besten Partner. Andere Tiere kommunizieren über Pheromone, also chemische Botenstoffe miteinander.

Der australische Prachtfrosch setzt beispielsweise ein Sexualpheromon frei, das sich über die Oberflächenspannung des Wassers schnell verbreitet. Diese Geruchsstoffe sind in nur so geringen Spuren vorhanden, dass die Forschung große Schwierigkeiten hat, sie überhaupt zu entdecken und dann zu analysieren.

Rätselhaft ist auch die Größe. Ein unterirdisch wachsender Honigpilz im US-Bundesstaat Oregon ist derzeit der weltweit größte lebende Organismus. Er wächst auf einer Fläche von 880 Hektar und ist rund 2400 Jahre alt. Die größte Masse des Lebens allerdings stellen die für das menschliche Auge nicht sichtbaren Bakterien dar, die jeden Winkel der Erdoberfläche besetzt haben, sogar das Körperinnere dicht besiedeln.

Das Buch gliedert sich in sieben große Kapitel. Es beginnt mit der Entstehung der Erde und den Ursprüngen des Lebens, versucht dabei zu ergründen, warum es zum Beispiel vor 251 Millionen Jahren zu einem Massensterben kam, bei dem gut 95 Prozent aller Arten erloschen, befasst sich ausführlich mit den Dinosauriern.

Dann wird die Geologie erklärt. Man erfährt, dass die dünne Erdkruste auf einem flüssig heißen Erdkern schwimmt und sich ständig bewegt, wodurch sich Kontinente verschieben, Vulkane ausbrechen und Erdbeben ausgelöst werden. Der größte Teil des Buches befasst sich jedoch mit der Evolution und ihren Auswirkungen auf sämtliche Lebensformen. Denn Selektion und Mutation haben die schon beschrieben skurrilen wie faszinierenden Phänomene hervorgebracht.

Und so sind "Die 70 Wunder der Natur" ein Buch zum Eintauchen, wären da nicht die mitunter komplizierten Texte einzelner Wissenschaftler, die eines besseren Lektorats bedurft hätten. Das hätte auch dem Kapitel über das Thema Kreationismus nicht geschadet, zumal die Diskussion amerikanisch-christlicher Fundamentalisten, die Darwins Evolutionstheorie ablehnen, vor allem ein amerikanisches Thema ist und keine europäisches.
Trotzdem allem lohnt sich dieser Sammelband. Er bietet nicht nur einen gelungenen Einblick in die neuste Forschung und ihre Ergebnisse, sondern bezaubert mit seinen oftmals fantastischen Bildern, eindrucksvollen Grafiken und aufschlussreichen Zeichnungen immer wieder aufs Neue.

Sympathisch ist zudem, dass die Autoren nie verhehlen, dass sie erst ein Bruchteil der Wunder der Natur entdeckt und entschlüsselt haben und jegliche Überheblichkeit fehl am Platz ist.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Michael J. Benton (Hrsg.), Die 70 Wunder der Natur
Aus dem Englischen von Werner Kügler,
Frederking&Thaler Verlag, München 2008,
304 Seiten, 29,90 Euro