Wie geht es weiter am Dresdner Hannah-Arendt-Institut?

Von Alexandra Gerlach · 11.04.2007
Der Vertrag von Gerhard Besier, dem Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, wird nicht verlängert. Diese Entscheidung des Kuratoriums steht im Widerspruch zur Beurteilung des Instituts durch den international besetzten, wissenschaftlichen Beirat, der erst kürzlich eine positive Bewertung abgegeben hatte.
Nur scheibchenweise kommt das volle Ausmaß dieser neuen Erschütterungen am Dresdner Hannah-Arendt-Institut ans Licht. Alle Hauptpersonen sind auf Tauchstation gegangen, wie in so unerquicklichen Situationen so häufig. Keine Statements, keine größeren Erklärungen, das Kuratorium habe einvernehmlich aber nicht einstimmig fristgerecht entschieden, den Fünf-Jahres -Vertrag von Gerhard Besier nicht zu verlängern. Das sei an sich ein übliches Verfahren, betonte letzte Woche, Kuratoriumsmitglied Prof. Hermann Kokenge, der Rektor der TU Dresden:

"Es ist nicht nur eine Frage, inwieweit man mit der Arbeit zufrieden ist sondern es geht ja auch um ein gesamtes Institut, was durch den Direktor geführt und geleitet werden muss, also, ich glaube das sind verschiedene Aspekte, die dort auch eine Rolle gespielt haben."

Das stimmt in der Tat, denn zu diesem Zeitpunkt war das Kuratorium bestens im Bilde über einen siebenseitigen Brand-Brief, in dem die wissenschaftlichen Institutsmitarbeiter dem Direktor das Vertrauen kündigten. Darin auch der schwer wiegende Vorwurf, der Kirchenhistoriker Besier habe es an der gebotenen Distanz zur Scientology-Sekte fehlen lassen. Er verteidige die Sekte, die in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nicht nur gegen Kritik, sondern betreibe auch noch am Institut gezielt Austausch mit Wissenschaftlern, die wie er zu den Fürsprechern von Scientology gehörten.

Besiers angebliche Nähe zur Psycho-Sekte Scientology ist kein neuer Vorwurf. Bereits 2003 hatte der Kirchenhistoriker für Wirbel in diesem Zusammenhang gesorgt damals hatte er nur wenige Monate nach seiner Amtseinführung eine Begrüßungsrede anlässlich der Einweihung eines neuen Scientology-Instituts in Brüssel gehalten. Schon damals gingen die Wogen der Empörung hoch. Die PDS-Landtagsabgeordnete Heike Werner kommentierte seinen Auftritt im Herbst 2003 so:

"Ja, das muss ihm einfach klar sein, er ist eine herausgehobene Persönlichkeit, er ist eben nicht nur Religionswissenschaftler und nicht mehr nur Privatmann, er ist Direktor eines staatlichen Institutes. … Es gab einfach schon mehrere Artikel und es ist nicht einfach so, dass er nur die Religionsfreiheit hervorstreicht sondern man hat schon das Gefühl, dass er sehr Pro-Scientology ist."

Der Gescholtene zeigte sich damals erstaunt, gab aber zu, mit seiner Brüsseler Rede ein Tabu gebrochen zu haben. Doch ihm gehe es um die Freiheit, und vor allem um die Religionsfreiheit. Vor allem diese Rechtfertigung gab im Herbst 2003 den Ausschlag für herbe Kritik an seinem Verhalten. Besier ließ sich davon nicht beirren und verwies auf andere Länder Europas, in denen die Scientologen längst als Religionsgemeinschaften anerkannt seien, wie etwa in Schweden, Italien und Portugal.

Schon 2003 war es für das Kuratorium eine schwierige Entscheidung, an Besier als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts festzuhalten. Der damalige Wissenschaftsminister Matthias Rößler, CDU, verurteilte im September 2003 die Brüsseler Eskapade Besiers und machte eine klare Ansage:

"Es ist natürlich deutlich zu formulieren, dass erstens der Auftritt dort inakzeptabel ist, dass er zumindest zu großen Missverständnissen Anlass gibt, und das er dem Institut Schaden zufügen kann. Und wir gehen auch davon aus, dass er sich ab jetzt ganz klar auch dazu äußert, das er sich die satzungsgemäßen Forschungsgegenstände zum Inhalt seiner Arbeit machen wird, das erwarten wir ganz einfach von ihm und solche Dinge in Zukunft unterlässt."

Besier, der immer wieder betonte, er gehöre Scientology nicht an, blieb im Amt, und sorgte dennoch weiter für Schlagzeilen. So etwa, als er nach dem Bekanntwerden der Stasi-Vorwürfe gegen den sächsischen PDS-Spitzenkandidaten Peter Porsch, ein Ende der Stasi-Debatte forderte. Die Kritiker Porschs, so Besier wörtlich, seien eine "Gruppe selbsternannter Tugendwächter", und es sei ein Unterschied, ob jemand als überzeugter Kommunist glaube einer besseren Sache zu dienen, als wenn ein Arzt oder Pfarrer Vertrauen missbrauchte.

Diese Argumentation sorgte nachhaltig für Diskussionsstoff, doch zu seinem Sturz führte sie nicht. Zu sehr war dem Kuratorium daran gelegen, nach den endlosen Personalquerelen rund um die Ablösung von Besiers Vorgänger Klaus-Dietmar Henke im Institut endlich wieder Ruhe einkehren zu lassen, um eine ernsthafte wissenschaftliche Aufarbeitung zweier deutscher Diktaturen wieder möglich zu machen.

Das scheint teilweise gelungen zu sein, meint zumindest der wissenschaftliche Beirat, der dem Institut und maßgeblich Direktor Besier gute Noten für die geleistete Arbeit und die Produktivität der vergangenen Jahre ausstellt. Das ist die Ambivalenz dieses Falles. Die wissenschaftlichen Institutsmitarbeiter bemängeln indessen in ihrem Brief die Ausweitung des Forschungsgebietes auch auf die Staaten Mittel- und Osteuropas, und fordern eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Ziel – die Erforschung des Totalitarismus in Deutschland.

Fraglich ist nun, wie es weitergehen soll mit dem inzwischen arg lädierten Hannah-Arendt-Institut. Kuratoriumsmitglied Professor Hermann Kokenge:

"Das HAIT ist ja kein Institut der TU Dresden, sondern ein eigenständiges Institut, was zwar mit der TU verbunden ist. … Für uns bedeutet das, dass Herr Besier, wenn er aus dem HAIT ausscheidet, bei uns weiter beschäftigt sein wird, und zwar auf seinem Fachgebiet."

Möglich erscheint zudem, dass auch das gesamte Institut in die TU Dresden eingegliedert werden könnte, um einen kompletten Neustart zu beginnen. Über dies und über die Neubesetzung des Direktorenpostens wird das Kuratorium demnächst zu entscheiden haben.