Wie geben Schriftsteller dem Sport Worte?
Dem sportlichen Leben von Literaten widmet sich das Buddenbrookhaus in Lübeck: Es geht um Gegensätzlichkeit und Anziehungskraft von Sport und Geist. Um Körper, Kultur und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, als Sportbegeisterung begann, ein Massenphänomen zu werden. "SportsGeist - Dichter in Bewegung" heißt die Ausstellung, die allerdings einige Lücken beim Thema hat.
Ring frei! im ersten Stock des Buddenbrookhauses. SportsGeist sollen die Besucher hier nicht nur im Dichterwort entdecken, sondern in eigener Betätigung. Auf dem Heimfahrrad gibt es Texte vom Kanu-begeisterten Uwe Johnsson zu hören. Doch die größte Faszination geht vom Boxring aus.
Zur Eröffnung der Ausstellung ist der Boxtrainer Fritz Szunek gekommen. 11 Weltmeister hat er betreut, darunter Dariusz Michalschewski und die Klitschko-Brüder. Den Blick auf das Gesamterlebnis Sport findet Szunek in der Ausstellung würdig wiedergegeben.
"Das ist ja das Schöne dabei, dass solche Künstler, wie Berthold Brecht einer war, oder auch Thomas und Heinrich Mann, die natürlich keinen Leistungssport betrieben haben, aber den Sport benutzt haben, um den Geist frei zu machen. Dass solche Künstler wahrnehmen, nicht nur, was im Ring passiert, sondern auch, was drum herum passiert. Wie die Leute mitgehen. Und das finde ich gerade das Interessante dabei, dass Schriftsteller so was übernehmen."
Sportler finden nach dem Wettkampf kaum die richtigen Worte auf die Frage: "Wie war’s denn?" Literaten mögen meist sportliche Laien sein, aber die subjektive Begeisterung zu beschreiben, gelingt ihnen natürlich besser.
Das ist die Idee der Ausstellung, sagt die Leiterin der Münchner Monacensia und Mitkuratorin der Ausstellung, Elisabeth Tworek.
"Wir haben uns in dieser Ausstellung auf die Fragen beschränkt: Wie geben Schriftsteller dem Sport Worte, welche Sportarten haben sie selbst betrieben und wie haben sie sich in ihrer Zeit, der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit diesem Phänomen auseinandergesetzt."
Eine solche Betrachtung erscheint spannend, zumal im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, zu Zeiten, in denen wir kaum eine Zeitung aufschlagen oder eine Nachrichtensendung ansehen, ohne das Neueste zum Befinden der Nationalmannschaft erfahren zu müssen. Offenbar spielt Fußball auch unter Literaten eine wichtige Rolle. Michael Ott ist der zweite Kurator der Ausstellung.
"Da haben wir zum einen dieses klassische Bild, das Mannschaftsbild, das ist ja eine der zentralen Darstellungsformen auf Fotografien. Sie sehen da unten Vladimir Nabokow als Torhüter einer russischen Emigrantenmannschaft in Berlin in den 30er Jahren. Sie sehen Albert Camus mit einer Universitätsmannschaft in Algier. Sie sehen Pier Paolo Pasolini, da oben links, in einer italienischen Dorfmannschaft in Casarca ..."
Neben den Fotografien zeigt die Ausstellung an dieser Stelle - nichts. Die Erklärung, wie Künstler mit dem Phänomen Massenbegeisterung umgehen, bleibt sie selbst beim Thema Fußball schuldig.
Erst im Begleitbuch erfährt der Besucher von der "gemeinsamen Leidenschaft", über die die Autoren immer wieder schreiben. Auch der Hinweis, dass sämtliche totalitären Regime des 20. Jahrhunderts am Sport als Mittel der Massenbegeisterung interessiert waren, fehlt. Die Ausstellung lenkt den Blick immer wieder auf den einzelnen Schriftsteller.
Hier im Buddenbrookhaus natürlich besonders auf Thomas Mann. "Der Turnunterricht in der Schule", schrieb er 1900 an einen Freund, "ist so ungefähr das Widrigste, was ich bislang erlebt." Thomas Mann war ein "vergeistigter Körpermensch", sagt Michael Ott.
"Jetzt muss man sich sicher vor Augen halten, dass es dabei um ein wilhelminisches Schulturnen an Barren, Reck und Stange ging. Er konnte das nicht, wie viele, später als Befreiung von der Qual anderer Fächer erfahren. Er war selber sicherlich nie der große, aktive Sportler, aber er war sehr am Sport interessiert und Sport taucht in sehr vielen seiner Texte auf. Denken Sie an das Schneekapitel im Zauberberg, als Hans Castorp Skifahren lernt und bei einer Skitour fast umkommt. Denken Sie an andere Stellen, Felix Krull ..."
Am Ende des Rundgangs ermutigt die Ausstellung noch einmal zum haptischen Zugang. Ein Sandsack hängt vor der lebensgroßen Fotografie der zierlichen Schriftstellerin Vicki Baum, aufgenommen um 1920.
Elisabeth Tworek: "Als sie noch in Berlin lebte, war sie Redakteurin bei einer sehr modernen Zeitung im Ullstein-Verlag. Sie hat sich sehr um ihre eigene Körperlichkeit gekümmert und sie hat aus dem Sport enorm viel Selbstwertgefühl geschöpft, gerade durch das Training am Punchingball. Später, in ihrer Autobiografie, die natürlich erst in den 60er Jahren entstand, behauptet sie, sie habe da ihr Selbstbewusstsein gekriegt, um auch die Emigration in Würde und Anstand durchzustehen. Sie wurde erst in den USA zur Weltautorin."
Die Ausstellung macht neugierig auf das Thema "Dichter in Bewegung" und auf das wirklich empfehlenswerte Begleitbuch. Befriedigende Antworten auf die Frage nach dem SportsGeist in der Literatur gibt sie nicht.
Service:
Die Ausstellung "SportsGeist - Dichter in Bewegung" ist noch bis zum 25. Juni 2006 im Buddenbrookhaus in Lübeck zu sehen. Bis zum 29. September 2006 läuft sie parallel in der Monacensia München.
Zur Eröffnung der Ausstellung ist der Boxtrainer Fritz Szunek gekommen. 11 Weltmeister hat er betreut, darunter Dariusz Michalschewski und die Klitschko-Brüder. Den Blick auf das Gesamterlebnis Sport findet Szunek in der Ausstellung würdig wiedergegeben.
"Das ist ja das Schöne dabei, dass solche Künstler, wie Berthold Brecht einer war, oder auch Thomas und Heinrich Mann, die natürlich keinen Leistungssport betrieben haben, aber den Sport benutzt haben, um den Geist frei zu machen. Dass solche Künstler wahrnehmen, nicht nur, was im Ring passiert, sondern auch, was drum herum passiert. Wie die Leute mitgehen. Und das finde ich gerade das Interessante dabei, dass Schriftsteller so was übernehmen."
Sportler finden nach dem Wettkampf kaum die richtigen Worte auf die Frage: "Wie war’s denn?" Literaten mögen meist sportliche Laien sein, aber die subjektive Begeisterung zu beschreiben, gelingt ihnen natürlich besser.
Das ist die Idee der Ausstellung, sagt die Leiterin der Münchner Monacensia und Mitkuratorin der Ausstellung, Elisabeth Tworek.
"Wir haben uns in dieser Ausstellung auf die Fragen beschränkt: Wie geben Schriftsteller dem Sport Worte, welche Sportarten haben sie selbst betrieben und wie haben sie sich in ihrer Zeit, der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit diesem Phänomen auseinandergesetzt."
Eine solche Betrachtung erscheint spannend, zumal im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, zu Zeiten, in denen wir kaum eine Zeitung aufschlagen oder eine Nachrichtensendung ansehen, ohne das Neueste zum Befinden der Nationalmannschaft erfahren zu müssen. Offenbar spielt Fußball auch unter Literaten eine wichtige Rolle. Michael Ott ist der zweite Kurator der Ausstellung.
"Da haben wir zum einen dieses klassische Bild, das Mannschaftsbild, das ist ja eine der zentralen Darstellungsformen auf Fotografien. Sie sehen da unten Vladimir Nabokow als Torhüter einer russischen Emigrantenmannschaft in Berlin in den 30er Jahren. Sie sehen Albert Camus mit einer Universitätsmannschaft in Algier. Sie sehen Pier Paolo Pasolini, da oben links, in einer italienischen Dorfmannschaft in Casarca ..."
Neben den Fotografien zeigt die Ausstellung an dieser Stelle - nichts. Die Erklärung, wie Künstler mit dem Phänomen Massenbegeisterung umgehen, bleibt sie selbst beim Thema Fußball schuldig.
Erst im Begleitbuch erfährt der Besucher von der "gemeinsamen Leidenschaft", über die die Autoren immer wieder schreiben. Auch der Hinweis, dass sämtliche totalitären Regime des 20. Jahrhunderts am Sport als Mittel der Massenbegeisterung interessiert waren, fehlt. Die Ausstellung lenkt den Blick immer wieder auf den einzelnen Schriftsteller.
Hier im Buddenbrookhaus natürlich besonders auf Thomas Mann. "Der Turnunterricht in der Schule", schrieb er 1900 an einen Freund, "ist so ungefähr das Widrigste, was ich bislang erlebt." Thomas Mann war ein "vergeistigter Körpermensch", sagt Michael Ott.
"Jetzt muss man sich sicher vor Augen halten, dass es dabei um ein wilhelminisches Schulturnen an Barren, Reck und Stange ging. Er konnte das nicht, wie viele, später als Befreiung von der Qual anderer Fächer erfahren. Er war selber sicherlich nie der große, aktive Sportler, aber er war sehr am Sport interessiert und Sport taucht in sehr vielen seiner Texte auf. Denken Sie an das Schneekapitel im Zauberberg, als Hans Castorp Skifahren lernt und bei einer Skitour fast umkommt. Denken Sie an andere Stellen, Felix Krull ..."
Am Ende des Rundgangs ermutigt die Ausstellung noch einmal zum haptischen Zugang. Ein Sandsack hängt vor der lebensgroßen Fotografie der zierlichen Schriftstellerin Vicki Baum, aufgenommen um 1920.
Elisabeth Tworek: "Als sie noch in Berlin lebte, war sie Redakteurin bei einer sehr modernen Zeitung im Ullstein-Verlag. Sie hat sich sehr um ihre eigene Körperlichkeit gekümmert und sie hat aus dem Sport enorm viel Selbstwertgefühl geschöpft, gerade durch das Training am Punchingball. Später, in ihrer Autobiografie, die natürlich erst in den 60er Jahren entstand, behauptet sie, sie habe da ihr Selbstbewusstsein gekriegt, um auch die Emigration in Würde und Anstand durchzustehen. Sie wurde erst in den USA zur Weltautorin."
Die Ausstellung macht neugierig auf das Thema "Dichter in Bewegung" und auf das wirklich empfehlenswerte Begleitbuch. Befriedigende Antworten auf die Frage nach dem SportsGeist in der Literatur gibt sie nicht.
Service:
Die Ausstellung "SportsGeist - Dichter in Bewegung" ist noch bis zum 25. Juni 2006 im Buddenbrookhaus in Lübeck zu sehen. Bis zum 29. September 2006 läuft sie parallel in der Monacensia München.