Wie funktioniert die Gebärdensprache?

Von Anke Schaefer · 17.02.2010
Der dreijährige Leo ist taubstumm. Seine Mutter lernt die Gebärdensprache, um sich mit ihm verständigen zu können. Man setze nicht nur die Hände ein, sondern auch den Oberkörper, den Kopf, den Mund und die Mimik. Dies zu erlernen, sei sehr komplex, sagt sie.
Leo sagt was, Maria übersetzt: "Es glitzert, da sind kleine Blumen."

Leo zeigt auf seinen Arm, auf dem glitzernde Blumen leuchten. Er ist drei Jahre alt, wurde taub geboren. Seit einiger Zeit trägt er sogenannte Chochlea Implantate, die dafür sorgen, dass er inzwischen ganz gut hört und langsam auch das Sprechen lernt. Trotzdem setzt seine Mutter, Maria, auf die Gebärdensprache. Als er plötzlich wissen will, wo seine schwarze Plüschkatze ist, macht sie die Gebärde für "ich weiß es nicht" und erklärt die dann so:

"Ich weiß nicht, das ist praktisch eine Alphabewegung - wenn ich sagen würde, ich weiß, dann würde ich mit dem Zeigefinger von der Stirn nach rechts oben so weg gehen und wenn ich es nicht weiß, dann mache ich eine Alphabewegung, so nennt sich das, als Verneinung des Ganzen."

Maria schreibt also mit dem Zeigefinger ein sinkendes Alpha in die Luft. Sie
studiert "Deaf Studies", einen Bachelor Studiengang über Sprache und Kultur der Gehörlosengemeinschaft, und lernt da auch die Gebärdensprache:

"Oft wird davon ausgegangen, dass es ein paar Zeichen sind und das war's, aber das ist es nicht. Denn es ist eben auch ein ganz anderes Sprachbild - eine visuelle Sprache. Man braucht den Blickkontakt des Gegenübers, man setzt die Hände ein, den Oberkörper, den Kopf und zusätzlich auch das Mundbild und die Mimik, das heißt das Gesicht muss auch immer noch mitsprechen, und das zu erlernen ist komplex."

Will sie etwa sagen, dass sie Auto fahren will, dann zeigt sie pantomimisch, wie sie das Lenkrad hin- und herlenkt. Beim Schlittenfahren wird es schon schwieriger. Da nimmt man beide Fäuste vor die Brust, streckt Daumen und Zeigefinger in die Höhe und macht dann eine Bewegung nach unten, also: bergab. Wie aber bezeichnet man abstrakte Dinge? Da gibt es oftmals verschiedene Gebärden. Zum Beispiel für die Farbe Blau.

"Zum Beispiel Blau halt als wellenförmige Bewegung mit zwei Fingern, dann blau als Blume, die aufgeht, so am Kinn gemacht, das Mundbild dazu wäre jetzt auch blau, bei beiden."

Oft haben sich diese unterschiedlichen Gebärden an unterschiedlichen Orten entwickelt. Daher merkt man dem Sprechenden durchaus an, ob er zum Beispiel aus Hamburg oder aus Berlin kommt. Am besten aber wäre es für alle, die die Gebärdensprache lernen möchten, wenn es ein Land gäbe, in dem nur diese eine Sprache gesprochen würde:

"Das ist einfach schon ne kleine andere Welt auch. Man wünschte sich, man könnte die Sprache wirklich in Gehörlosistan (...) lernen. Es ist halt das Schwierige, dass es ein Volk ist, das keine richtige Heimat hat."

Gut, sagt Maria, dass sie in Berlin wohnt, wo es eine große Gehörlosengemeinschaft gibt. Denn so kann Leo immer wieder erleben, dass er nicht allein ist, sondern es Menschen aller Altersstufen gibt, die genauso sind wie er.