Wie erklär ich's meinen Kindern?

Von Maria Riederer |
Manche Eltern tun sich wohl schwer damit, Kindern den Gedanken von Gott zu erklären. Wenn Gott den Menschen hilft, wieso passieren dann trotzdem so viele schlimme Dinge?
"Gott tut ja nur Gutes, aber wenn man dann irgendwie sich wehtut oder hinfällt oder so, dann denk ich manchmal: Warum hat Gott das nicht verhindert?"

"Wenn man was Schlimmes erlebt, dann fragt man sich: warum hat jetzt der und der nicht geholfen?"

"Ich glaub, Gott ist viel mächtiger, er hat die ganze Welt erschaffen, aber wieso kann er dann nicht so richtig schlimme Katastrophen verhindern wie einen Weltkrieg oder so?"

"Ich find's schon schwer, mit Gott zu leben, weil wenn Gott eine Sache nicht verhindern kann, die einem ganz wichtig ist, dann lebt er ja sozusagen nicht mit einem sondern in dem Moment gegen einen. Aber wenn er merkt, dass jemand ihn ganz doll lieb hat, kann er ja doch noch was versuchen."

Warum müssen Menschen leiden? Warum hört Gott unsere Bitten nicht? Warum lässt er das Leiden zu? Oder verursacht Gott das Leiden sogar? Dann wäre Gott ja weder gut noch allmächtig! Eine der schwersten Fragen überhaupt.

Eine zufriedenstellende Antwort gibt es nicht. Es kann helfen, sie ab und zu umzudrehen und sich zu fragen, wie viel Leid Gott wohl schon verhindert hat - was wir aber nicht wissen, weil es eben ausblieb. Wir können uns bewusst werden, wie häufig wir schon einem Unglück entkommen sind, ohne es zu merken. Doch in dem Moment, in dem das Leiden akut ist, nimmt es eine solche Größe an, dass Gott dahinter verschwindet. Die Beziehung zuwischen Gott und dem Menschen gerät in eine Sackgasse.

In diese Sackgasse geraten wohl alle Menschen unweigerlich, wenn sie großem Leid begegnen. Aber wie kommt man wieder heraus? Wer nicht einfach aufhören möchte, an Gott und seine Güte zu glauben, der muss einen Weg finden. Und dieser Weg heißt "Vertrauen".

"Hallo Artur! kannst du mir helfen?"

"Guten Morgen, Hannah. Auf jeden Fall helfe ich dir. Was gibt's denn?"

"Schau mal, meine schöne Spieluhr ist schon wieder kaputt. Du hast sie doch schon paar mal repariert."

"Lass mal sehen. Oh je, wie ist das denn passiert?"

"Mein Bruder hat sie runtergeschmissen. Wir haben uns gestritten."

"Mhm, das hab ich mir gedacht. Die ist ja total verbeult. (zieht die Spieluhr auf). Nein, da ist nichts mehr zu machen. Schau, die ganze Mechanik ist zerdrückt. Was für ein wunderschönes Stück."

"Du musst sie wieder ganz machen! Es ist das schönste und älteste von meinen Sachen. Damit hat schon meine Oma gespielt. Bitte!"

"Lass mir die Spieluhr mal da. Ich kümmer mich drum."

"Was heißt, ich kümmer mich drum? Kannst du sie reparieren oder nicht?"

"Nein. Sie ist kaputt und sie wird kaputt bleiben."

"Du bist blöd. Du hast gesagt, du hilfst mir."

"Ich bin blöd? Hab ich die Uhr denn kaputt gemacht."

"Nein."
"Wenn ich sage, dass ich dir helfe, dann tue ich das auch. Ich werde dieses schöne Stück in mein großes Kunstwerk einbauen."

"Was für ein Kunstwerk? Und außerdem – das ist meine Spieluhr? Ich will sie wiederhaben!"

"Auch, wenn sie kaputt ist und nie mehr Musik machen kann?"

"Ja"

"Wenn du sie mir gibst, dann kannst du sicher sein, dass ich etwas Wunderbares draus mache."

"Aber – gehört sie dann trotzdem noch mir?"

"Natürlich. Aber sie gehört dann auch in mein großes Kunstwerk."

"Kann ich das Kunstwerk denn mal sehen?"

"Naja – noch nicht so wirklich. Aber du kannst die Teile sehen, aus denen ich es mache."

"Was? Daraus willst du ein Kunstwerk machen? Mit dem ganzen Schrott? Ich lach mich tot!"

"Dieser ganze Schrott, Hannah, ist das Leben. Es ist der Streit, das Missgeschick, der Unfall, das Unwissen – alles, was dazu führt, dass etwas kaputt geht. Und manchmal ist wirklich nichts mehr zu reparieren. Aber wer es zu mir bringt kann sicher sein, dass ich etwas daraus machen werde."

"Dafür braucht man aber viel Fantasie. Woher weiß ich denn, dass das wirklich schön wird?"

"Traust du mir das etwa nicht zu? Glaubst du nicht, dass ich das kann?"

"Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?"

"Wissen kannst du es nicht – das musst du auch nicht. Du siehst lauter kaputte Sachen und kannst du dir nicht vorstellen, was für ein Prachtexemplar am Ende dabei herauskommt. Aber ich bin der Künstler. Und du kannst mir vertrauen. Das verspreche ich dir."

Wenn das Leben Schrott ist, wenn die Tagesschau nur Katastrophen verkündet, wenn Krankheit und Tod, Streit und Machtgier herrschen – dann ist das wesentlich schwerwiegender als eine kaputte Spieluhr. Die Geschichte kann aber zeigen, dass das Leid nicht von Gott kommt, aber zu Gott kommen kann.

Die Warum-Fragen hören deshalb nicht auf. Das ist auch nicht nötig. Sie dürfen mit auf den Schrotthaufen geworfen werden – auch mit Schwung und Zorn und allem, was dazugehört. Die Psalmen machen es vor.

"Herr, warum bleibst du so fern, verbirgst dich in Zeiten der Not?"

"In seinem Hochmut quält der Frevler die Armen:
Er soll sich fangen in den Ränken, die er selbst ersonnen hat!
Herr, steh auf, erheb deine Hand, vergiss die Gebeugten nicht!
Du siehst es ja selbst, denn du schaust auf Unheil und Kummer.
Zerbrich den Arm des Bösen!
Bestraf seine Frevel, so dass man nichts mehr von ihm findet.
Herr, du hast die Sehnsucht der Armen gestillt,
du stärkst ihr Herz, du hörst auf sie.
Du verschaffst den Verwaisten und Bedrückten ihr Recht.
Kein Mensch mehr verbreite Schrecken im Land."