Wie erklär' ich es meinen Kindern?
Eine Frage, die Kinder sehr beschäftigt, ist der frühe Tod anderer Kinder: Warum dürfen sie nicht länger leben? Warum lässt Gott das zu? Ist Sterben eine Strafe – aber dann straft er ja alle mit, die trauern müssen. Deshalb ein Bild für die Lebenszeit des Menschen in Gottes Augen.
Kind: "Das ist schon traurig, wenn kleine Kinder, die vielleicht nur ein Jahr gelebt haben und dann schon wieder sterben müssen, dann ist das schon traurig. Wieso Gott manche so lange leben lässt und dann manche eben nicht so lang."
" Wenn zum Beispiel ein Sohn von einem gestorben ist, dann sagt der Vater vielleicht: Gott, wieso hast du ihn sterben lassen und nicht irgendeinen anderen, älteren Menschen? "
" Wenn jetzt neue geboren werden und dann wieder sterben, liegt das vielleicht auch daran, dass Gott sich den Menschen anders vorgestellt hat, dass er zum Beispiel sieht: Oh, dieser Mensch ist doch nicht so gut für meine Welt, dass er ihn noch mal erschaffen möchte." "
Eine schwierige Frage, die schwierigste vielleicht überhaupt, weil das Kind hier – mit gutem Grund – an der Allmacht Gottes zweifelt. Und auch an der Unantastbarkeit des Menschen. Die Vorstellung von einem Gott, der manche Menschen früh sterben lässt, weil sie irgendwie "misslungen" seien, ein Gott, der mit dem Tod seine Fehler korrigieren muss, erweckt nicht gerade Vertrauen.
Hier überwiegt nicht die Frage nach dem Sinn von Leid, sondern nach dem Sinn unterschiedlich langer Lebenszeit. Warum dürfen die einen lange leben und die anderen nur kurz? Friedrich Rückert zeichnet das schrecklich abgeschnittene Leben eines kleinen Kindes in einem seiner Kindertodtenlieder:
Der Liebe Leben ist schnell vollbracht,
Es keimet, es reift in einer Nacht;
Frühmorgens erwacht,
Noch eh du's gedacht,
Hüpfts Kindlein frisch
Durch Blütengebüsch,
Und regt die Glieder
Mit Macht, mit Macht.
Kommts Abendroth,
Ists Kindlein todt,
Es legt sich nieder,
Ersteht nicht wieder,
Ist nimmer erwacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Dein Lauf ist vollbracht,
Dein Grab ist gemacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Einen Tag hat dieses Kinderleben in der Wahrnehmung des Vaters nur gedauert – vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Eine schrecklich kurze Zeit. Egal, ob das Leben ein halbes Jahr dauert, drei oder 10 oder 25 Jahre. "Viel zu früh zu sich gerufen" – steht dann in den Todesanzeigen. Zu früh, zu kurz. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen und Wünschen von einem erfüllten langen Leben, das viele Jahre dauern sollte.
Aus Psalm 90: Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Am Morgen grünt es und blüht, am Abend wird es geschnitten und welkt.
Die Zeit strukturiert unser Leben. Die Natur gibt uns Tage, Monate, Jahre vor. Der Mensch hat daraus seine Uhren-Zeit gemacht, mit der er sein Leben organisiert und immer mehr einschränkt. Die Zeit, wie wir sie heute kennen, voller Ansprüche und Vorstellungen, ist rein menschlicher Natur. Aber das ist, in den Dimensionen göttlicher Unendlichkeit gedacht, relativ. Vor Gott gibt es keinen Unterschied zwischen einem kurzen und einem langen Leben. Jedes Leben ist in sich ganz und vollständig.
Kind: "Aber das ist doch ungerecht."
Alter Mann: "Was ist ungerecht?"
Kind: "Dass ein Kind sterben muss, und du darfst so lange leben. Du bist jetzt schon fast 80, und der Josef, der kleine Bruder vom Emil, war erst ein halbes Jahr alt. Der hat ja noch nicht mal richtig gelebt. Oder die Mama vom Peter. Die war noch ganz jung und ist jetzt schon tot."
Alter Mann: "Ist es gerecht, dass die Donau größer, breiter und länger ist als der kleine Feldbach hinterm Haus?"
Kind: "Was?"
Alter Mann: "Lass uns mal hingehen an den Bach. Dann zeig ich dir, was ich meine. Schau, hier – da kommt das Wasser aus dem Boden. Das ist sozusagen die Geburt vom Bach. Die Quelle. Da kommt das Wasser her. Dann fließt der Bach hier den Hang hinunter, und unten im Tal verschwindet er schon wieder. Komm, wir gehen mal am Bach entlang."
Alter Mann: "Schau, mittendrin hört der Bach einfach auf. Da hinten fließt er in den Fluss und wird weggetragen. Dann ist der Bach zu Ende."
Kind: "Ist eben nur ein kleiner Bach. Aber dafür ein schöner. Im Sommer gibt's hier immer Frösche. Und außerdem kann man gut spielen am Feldbach."
Alter Mann: "Und? Ist das nun schlimm, dass der Feldbach so klein ist? Ist das ein Grund zu sagen: Das ist ja ungerecht. Der arme Bach, der hätte doch noch viel weiter und länger und breiter werden können? Aber er ist eben so wie er ist. Ein schöner, kleiner, wichtiger Bach."
Kind: "Aber der Josef ist tot. Und der Bach nicht. Der fließt nämlich weiter."
Alter Mann: "Für Gott ist der Josef nicht tot. Und für seine Eltern auch nicht. Sein Leben geht weiter. In unserer Erinnerung fließt er noch weiter, immer weiter. Der kleine Fluss nimmt ihn mit in einen größeren Fluss, und am Ende fließt das Wasser vom Feldbach irgendwo ins Meer."
Kind: "Und das Meer, das soll Gott sein?"
Alter Mann: "Richtig. Das Meer, das ist Gott. Und die Quelle, an der der Bach anfängt, ganz klein, das ist auch Gott. Alles hängt zusammen. Die ganze Erde ist durchzogen mit Bächen und Flüssen und Gewässern. Und alles hängt zusammen. Und weil Gott alles sieht und nicht nur einen kleinen Teil des Lebens, so wie wir, deshalb weiß er auch, dass Josefs Leben ganz war und nicht halb. Und Peters Mama hat auch nicht nur halb gelebt, sondern ganz."
Kind: "Aber traurig ist es trotzdem."
Alter Mann: "Ja, traurig ist es trotzdem. Aber es ist doch gut zu wissen, dass kein Leben aufhört, bevor es aufhören soll und bevor es nicht vollständig ist wie ein fertig gewobenes Tuch."
Kind: "Ein fertig gewobenes Tuch?"
Alter Mann: "Ja, so sagt es ein König in der Bibel: In der Mitte meiner Tage muss ich hinab zu den Pforten der Unterwelt, man raubt mir den Rest meiner Jahre. - Er hat also auch gedacht, dass sein Leben noch nicht fertig sei für den Tod. Aber dann sagt der König: Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben, du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch. "
" Wenn zum Beispiel ein Sohn von einem gestorben ist, dann sagt der Vater vielleicht: Gott, wieso hast du ihn sterben lassen und nicht irgendeinen anderen, älteren Menschen? "
" Wenn jetzt neue geboren werden und dann wieder sterben, liegt das vielleicht auch daran, dass Gott sich den Menschen anders vorgestellt hat, dass er zum Beispiel sieht: Oh, dieser Mensch ist doch nicht so gut für meine Welt, dass er ihn noch mal erschaffen möchte." "
Eine schwierige Frage, die schwierigste vielleicht überhaupt, weil das Kind hier – mit gutem Grund – an der Allmacht Gottes zweifelt. Und auch an der Unantastbarkeit des Menschen. Die Vorstellung von einem Gott, der manche Menschen früh sterben lässt, weil sie irgendwie "misslungen" seien, ein Gott, der mit dem Tod seine Fehler korrigieren muss, erweckt nicht gerade Vertrauen.
Hier überwiegt nicht die Frage nach dem Sinn von Leid, sondern nach dem Sinn unterschiedlich langer Lebenszeit. Warum dürfen die einen lange leben und die anderen nur kurz? Friedrich Rückert zeichnet das schrecklich abgeschnittene Leben eines kleinen Kindes in einem seiner Kindertodtenlieder:
Der Liebe Leben ist schnell vollbracht,
Es keimet, es reift in einer Nacht;
Frühmorgens erwacht,
Noch eh du's gedacht,
Hüpfts Kindlein frisch
Durch Blütengebüsch,
Und regt die Glieder
Mit Macht, mit Macht.
Kommts Abendroth,
Ists Kindlein todt,
Es legt sich nieder,
Ersteht nicht wieder,
Ist nimmer erwacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Dein Lauf ist vollbracht,
Dein Grab ist gemacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Einen Tag hat dieses Kinderleben in der Wahrnehmung des Vaters nur gedauert – vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Eine schrecklich kurze Zeit. Egal, ob das Leben ein halbes Jahr dauert, drei oder 10 oder 25 Jahre. "Viel zu früh zu sich gerufen" – steht dann in den Todesanzeigen. Zu früh, zu kurz. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen und Wünschen von einem erfüllten langen Leben, das viele Jahre dauern sollte.
Aus Psalm 90: Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Am Morgen grünt es und blüht, am Abend wird es geschnitten und welkt.
Die Zeit strukturiert unser Leben. Die Natur gibt uns Tage, Monate, Jahre vor. Der Mensch hat daraus seine Uhren-Zeit gemacht, mit der er sein Leben organisiert und immer mehr einschränkt. Die Zeit, wie wir sie heute kennen, voller Ansprüche und Vorstellungen, ist rein menschlicher Natur. Aber das ist, in den Dimensionen göttlicher Unendlichkeit gedacht, relativ. Vor Gott gibt es keinen Unterschied zwischen einem kurzen und einem langen Leben. Jedes Leben ist in sich ganz und vollständig.
Kind: "Aber das ist doch ungerecht."
Alter Mann: "Was ist ungerecht?"
Kind: "Dass ein Kind sterben muss, und du darfst so lange leben. Du bist jetzt schon fast 80, und der Josef, der kleine Bruder vom Emil, war erst ein halbes Jahr alt. Der hat ja noch nicht mal richtig gelebt. Oder die Mama vom Peter. Die war noch ganz jung und ist jetzt schon tot."
Alter Mann: "Ist es gerecht, dass die Donau größer, breiter und länger ist als der kleine Feldbach hinterm Haus?"
Kind: "Was?"
Alter Mann: "Lass uns mal hingehen an den Bach. Dann zeig ich dir, was ich meine. Schau, hier – da kommt das Wasser aus dem Boden. Das ist sozusagen die Geburt vom Bach. Die Quelle. Da kommt das Wasser her. Dann fließt der Bach hier den Hang hinunter, und unten im Tal verschwindet er schon wieder. Komm, wir gehen mal am Bach entlang."
Alter Mann: "Schau, mittendrin hört der Bach einfach auf. Da hinten fließt er in den Fluss und wird weggetragen. Dann ist der Bach zu Ende."
Kind: "Ist eben nur ein kleiner Bach. Aber dafür ein schöner. Im Sommer gibt's hier immer Frösche. Und außerdem kann man gut spielen am Feldbach."
Alter Mann: "Und? Ist das nun schlimm, dass der Feldbach so klein ist? Ist das ein Grund zu sagen: Das ist ja ungerecht. Der arme Bach, der hätte doch noch viel weiter und länger und breiter werden können? Aber er ist eben so wie er ist. Ein schöner, kleiner, wichtiger Bach."
Kind: "Aber der Josef ist tot. Und der Bach nicht. Der fließt nämlich weiter."
Alter Mann: "Für Gott ist der Josef nicht tot. Und für seine Eltern auch nicht. Sein Leben geht weiter. In unserer Erinnerung fließt er noch weiter, immer weiter. Der kleine Fluss nimmt ihn mit in einen größeren Fluss, und am Ende fließt das Wasser vom Feldbach irgendwo ins Meer."
Kind: "Und das Meer, das soll Gott sein?"
Alter Mann: "Richtig. Das Meer, das ist Gott. Und die Quelle, an der der Bach anfängt, ganz klein, das ist auch Gott. Alles hängt zusammen. Die ganze Erde ist durchzogen mit Bächen und Flüssen und Gewässern. Und alles hängt zusammen. Und weil Gott alles sieht und nicht nur einen kleinen Teil des Lebens, so wie wir, deshalb weiß er auch, dass Josefs Leben ganz war und nicht halb. Und Peters Mama hat auch nicht nur halb gelebt, sondern ganz."
Kind: "Aber traurig ist es trotzdem."
Alter Mann: "Ja, traurig ist es trotzdem. Aber es ist doch gut zu wissen, dass kein Leben aufhört, bevor es aufhören soll und bevor es nicht vollständig ist wie ein fertig gewobenes Tuch."
Kind: "Ein fertig gewobenes Tuch?"
Alter Mann: "Ja, so sagt es ein König in der Bibel: In der Mitte meiner Tage muss ich hinab zu den Pforten der Unterwelt, man raubt mir den Rest meiner Jahre. - Er hat also auch gedacht, dass sein Leben noch nicht fertig sei für den Tod. Aber dann sagt der König: Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben, du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch. "