Wie ein altes Ehepaar
Krimis sind in Schweden oft Gesellschaftskritik – so auch bei Anders Roslund und Börje Hellström. Die beiden Autoren beschreiben in ihren Texten die dunkle Seite des schwedischen Wohlfahrtsstaates. In ihrem Buch „Blinder Glanz“, das nun auf Deutsch erschienen ist, geht es um Straßenkinder in Stockholm.
Sie schreiben in der Küche. Halbvolle Manuskriptseiten neben halbleeren Cola-Dosen. Börje Hellström, 51, rund und gemütlich, Vollglatze, ausgestattet mit psychologischem Feingefühl. Anders Roslund, 48, schlank und drahtig, roter Kinnbart, randlose Brille, der Spezialist für die Struktur im Buch.
Anders Roslund: „Wir beginnen jeden Tag mit einer Therapiesitzung. Wir schimpfen und klagen über das Böse in der Welt. Wenn sich Börje Sorgen wegen seiner Tochter macht, die dieses oder jenes vorhat, dann weiß ich das. Wir kennen einander gut, weil wir über Dinge reden, in die ich nicht einmal meine Frau einweihen würde.“
Die beiden Star-Autoren des Stockholmer Piratenverlages wirken wie ein altes Ehepaar, bei dem jeder seine Rolle gefunden hat. Seit zehn Jahren entwickeln sie zusammen Handlung und Figuren. Wer genau welche Passagen schreibt, wollen sie nicht verraten. Wichtig ist ihnen, alles zusammen zu machen. Das ist erstaunlich harmonisch, aber nicht immer frei von Eitelkeiten.
Auf dem Tisch: zwei Kladden, die Seiten vollgeschrieben mit Stichworten und mörderischen Skizzen. Anders schreibt zuerst mit Tinte, per Hand. Nach vier bis fünf Runden wird daraus der Text. Jetzt stehen zum Beispiel die Stichworte wie „Zugriff“ und „Gerichtsmedizin“ im Raum, Anhaltspunkte für eine Szene ihres nächsten Buches. Eine Frau wurde verprügelt.
Anders Roslund: „Börje war der Meinung, dass sie wegen ihres Veilchens mit Sonnenbrille zur Arbeit geht. Ich sah das anders. Dann haben wir ein paar Frauen angerufen, die sich mit solchen Dingen auskennen. Und am Ende haben wir die Sonnenbrille gestrichen.“
Roslund, langjähriger Fernsehjournalist. Grub schon immer gern Geschichten aus, die man eigentlich nicht hören will, von Ausreißern, Junkies, Kleinganoven. Dreht Ende der 90er einen Film über Strafgefangene. Damals trifft er Börje, selbst ehemaliger Häftling. Er hat ausgewiesene Kontakte in die Szene. Später wird er Sozialarbeiter und macht sich für die Rückkehr Strafgefangener in die Gesellschaft stark. Mit ihren Krimis legen die beiden den Finger in die Wunde, sagt Börje Hellström, der aus eigener Erfahrung weiß, was in Familien schief laufen kann.
Börje Hellström: „Meine Eltern haben mich wohl gemocht, aber das habe ich als Kind kaum mitbekommen. Meine Erziehung war etwas chaotisch. Für meine Tochter Amanda, die im Sommer 20 wird, muss ich eigene Wege gehen. Ich würde ihr gern mehr Liebe geben als ich selber bekommen habe.“
Hellström bleibt auch nach seiner Rückkehr in die Gesellschaft der Szene treu, kümmert sich als Sozialarbeiter um Jugendliche mit Suchtproblemen. Mit seinen Krimis will das ungleiche Duo an der schwedischen Bullerbü-Romanze kratzen. Denn unter dem Pflaster, so enthüllen sie in „Blinder Glanz“, da lauert Unerhörtes.
Börje Hellström: „Viele Jahre wurde verneint, dass es Straßenkinder in Stockholm gibt. Kinder in der Kanalisation: da denken unsere Landsleute an Rumänien oder Russland. Aber es gibt sie auch bei uns in Stockholm. In den U-Bahn-Schächten, wo sie hausen, ist es dunkel und feucht, Ratten springen umher und es stinkt zum Himmel.“
Natürlich wird im Buch gemordet. Kommissar Grens stolpert über eine Busladung Straßenkinder aus Rumänien, stellt im Zuge der Ermittlungen fest, dass sich das Elend direkt unter seinen Füßen abspielt. Roslund und Hellström beschreiben Schweden als eine von Gewalt gegen Frauen geprägte, vergiftete und korrumpierte Gesellschaft. Was ihre Helden durchmachen, ist oft schwer zu ertragen. Ihre Krimis haben selten einen versöhnlichen Ausgang.
Anders Roslund: „Sind wir so naiv zu glauben, dass Olof Palme ohne Leibwächter auf der Straße herumlaufen kann? Dass eine Anna Lindh ihres Lebens sicher ist? Wir Schweden reden uns ein, dass wir besonders friedfertig sind. Und zugleich werden in irgendwelchen Wohnungen Menschen verschoben. Und verborgen im Untergrund leben Kinder. Wir wollen es nicht glauben, aber es gibt sie doch.“
Wenn die beiden im Auto von Lesung zu Lesung fahren, hören sie Börjes Lieblingssong. Johnny Cash „A boy named Sue“: die Geschichte von einem Jungen mit Mädchennamen, der ohne Vater aufwächst. Auch Anders hatte Stress mit dem Alten, bekennt er wehmütig. Doch wo Börje zum Schnaps griff, zog Anders mit seinen Sportschuhen los. Ein langer Lauf zu sich selbst.
Vielleicht sind es diese Narben, die ihre Krimis so authentisch machen. Wir wollen nicht von außen gucken, sondern das eigene Leben hinterfragen, philosophiert Börje und gießt sich ein Glas Cola ein.
Börje Hellström: „Wir wollen keinen moralischen Zeigefinger erheben, wir beschreiben nur, was geschieht. Was sie daraus machen, müssen die Leser selbst entscheiden.“
Anders Roslund: „Wir beginnen jeden Tag mit einer Therapiesitzung. Wir schimpfen und klagen über das Böse in der Welt. Wenn sich Börje Sorgen wegen seiner Tochter macht, die dieses oder jenes vorhat, dann weiß ich das. Wir kennen einander gut, weil wir über Dinge reden, in die ich nicht einmal meine Frau einweihen würde.“
Die beiden Star-Autoren des Stockholmer Piratenverlages wirken wie ein altes Ehepaar, bei dem jeder seine Rolle gefunden hat. Seit zehn Jahren entwickeln sie zusammen Handlung und Figuren. Wer genau welche Passagen schreibt, wollen sie nicht verraten. Wichtig ist ihnen, alles zusammen zu machen. Das ist erstaunlich harmonisch, aber nicht immer frei von Eitelkeiten.
Auf dem Tisch: zwei Kladden, die Seiten vollgeschrieben mit Stichworten und mörderischen Skizzen. Anders schreibt zuerst mit Tinte, per Hand. Nach vier bis fünf Runden wird daraus der Text. Jetzt stehen zum Beispiel die Stichworte wie „Zugriff“ und „Gerichtsmedizin“ im Raum, Anhaltspunkte für eine Szene ihres nächsten Buches. Eine Frau wurde verprügelt.
Anders Roslund: „Börje war der Meinung, dass sie wegen ihres Veilchens mit Sonnenbrille zur Arbeit geht. Ich sah das anders. Dann haben wir ein paar Frauen angerufen, die sich mit solchen Dingen auskennen. Und am Ende haben wir die Sonnenbrille gestrichen.“
Roslund, langjähriger Fernsehjournalist. Grub schon immer gern Geschichten aus, die man eigentlich nicht hören will, von Ausreißern, Junkies, Kleinganoven. Dreht Ende der 90er einen Film über Strafgefangene. Damals trifft er Börje, selbst ehemaliger Häftling. Er hat ausgewiesene Kontakte in die Szene. Später wird er Sozialarbeiter und macht sich für die Rückkehr Strafgefangener in die Gesellschaft stark. Mit ihren Krimis legen die beiden den Finger in die Wunde, sagt Börje Hellström, der aus eigener Erfahrung weiß, was in Familien schief laufen kann.
Börje Hellström: „Meine Eltern haben mich wohl gemocht, aber das habe ich als Kind kaum mitbekommen. Meine Erziehung war etwas chaotisch. Für meine Tochter Amanda, die im Sommer 20 wird, muss ich eigene Wege gehen. Ich würde ihr gern mehr Liebe geben als ich selber bekommen habe.“
Hellström bleibt auch nach seiner Rückkehr in die Gesellschaft der Szene treu, kümmert sich als Sozialarbeiter um Jugendliche mit Suchtproblemen. Mit seinen Krimis will das ungleiche Duo an der schwedischen Bullerbü-Romanze kratzen. Denn unter dem Pflaster, so enthüllen sie in „Blinder Glanz“, da lauert Unerhörtes.
Börje Hellström: „Viele Jahre wurde verneint, dass es Straßenkinder in Stockholm gibt. Kinder in der Kanalisation: da denken unsere Landsleute an Rumänien oder Russland. Aber es gibt sie auch bei uns in Stockholm. In den U-Bahn-Schächten, wo sie hausen, ist es dunkel und feucht, Ratten springen umher und es stinkt zum Himmel.“
Natürlich wird im Buch gemordet. Kommissar Grens stolpert über eine Busladung Straßenkinder aus Rumänien, stellt im Zuge der Ermittlungen fest, dass sich das Elend direkt unter seinen Füßen abspielt. Roslund und Hellström beschreiben Schweden als eine von Gewalt gegen Frauen geprägte, vergiftete und korrumpierte Gesellschaft. Was ihre Helden durchmachen, ist oft schwer zu ertragen. Ihre Krimis haben selten einen versöhnlichen Ausgang.
Anders Roslund: „Sind wir so naiv zu glauben, dass Olof Palme ohne Leibwächter auf der Straße herumlaufen kann? Dass eine Anna Lindh ihres Lebens sicher ist? Wir Schweden reden uns ein, dass wir besonders friedfertig sind. Und zugleich werden in irgendwelchen Wohnungen Menschen verschoben. Und verborgen im Untergrund leben Kinder. Wir wollen es nicht glauben, aber es gibt sie doch.“
Wenn die beiden im Auto von Lesung zu Lesung fahren, hören sie Börjes Lieblingssong. Johnny Cash „A boy named Sue“: die Geschichte von einem Jungen mit Mädchennamen, der ohne Vater aufwächst. Auch Anders hatte Stress mit dem Alten, bekennt er wehmütig. Doch wo Börje zum Schnaps griff, zog Anders mit seinen Sportschuhen los. Ein langer Lauf zu sich selbst.
Vielleicht sind es diese Narben, die ihre Krimis so authentisch machen. Wir wollen nicht von außen gucken, sondern das eigene Leben hinterfragen, philosophiert Börje und gießt sich ein Glas Cola ein.
Börje Hellström: „Wir wollen keinen moralischen Zeigefinger erheben, wir beschreiben nur, was geschieht. Was sie daraus machen, müssen die Leser selbst entscheiden.“