Wie Artikel 3 ins Grundgesetz kam

Von Winfried Sträter · 21.05.2009
Obwohl bereits die Weimarer Verfassung Männern und Frauen gleiche Rechte zugestanden hatte, war die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Konzeption des Grundgesetzes nicht von vornherein ausgemacht. Durch Mobilisierung der Öffentlichkeit sorgte die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert jedoch dafür, dass die Gleichberechtigung mit ins Grundgesetz kam.
65 stimmberechtigte Abgeordnete hatte der Parlamentarische Rat, der 1948/49 das Grundgesetz ausarbeitete. 61 Männer und 4 Frauen. Helene Wessel von der Zentrumspartei, Helene Weber (CDU), Frieda Nadig (SPD) und Elisabeth Selbert, ebenfalls SPD.

Die entscheidende Frau im Kampf um die Gleichberechtigung war die Juristin Elisabeth Selbert. Sie war Anwältin für Scheidungsrecht und wusste, welche Konsequenzen die Vorherrschaft des Mannes im Familienrecht hatte:

"Wie groß war immer das Erschrecken dieser Frauen, die vielleicht ein ganzes Leben lang hinter dem Ladentisch gestanden, dass sie bei der Scheidung mit leeren Händen aus dem Hause gingen, weil sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verpflichtet waren, im Geschäft des Mannes mitzuarbeiten, ohne allerdings an dem Gewinn beteiligt zu sein. Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Die meisten Frauen wissen es nicht.3"

Die Weimarer Verfassung garantierte Männern und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte. Elisabeth Selbert forderte echte Gleichberechtigung: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Dieser Satz sollte im Grundgesetz stehen. Die Männer, aber auch die drei Ratskolleginnen von Elisabeth Selbert hatten Sorge, dass die Gleichberechtigung die Familienstrukturen zerstöre.

So wurde der Antrag im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates erst einmal abgeschmettert. Elisabeth Selbert mobilisierte die Öffentlichkeit und entfachte eine große Kampagne von Frauenverbänden. Allein 40.000 Metallarbeiterinnen schickten Protestbriefe ab. Dieser Druck überraschte die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates derart, dass sie am 18. Januar 1949 doch noch dem Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" zustimmten. Am nächsten Tag sagte Elisabeth Selbert in einer Rundfunkansprache:

""Meine verehrten Hörerinnen und Hörer, der gestrige Tag, an dem der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates in Bonn dank der Initiative der Sozialdemokraten die Gleichberechtigung der Frau in die Verfassung aufgenommen ist, dieser Tag war ein geschichtlicher Tag, eine Wende auf dem Weg der deutschen Frauen der Westzonen. Lächeln Sie nicht! Es ist nicht falsches Pathos einer Frauenrechtlerin, das mich so sprechen lässt."

Mit Artikel 3 wurde das überkommene Familienrecht aus dem 19. Jahrhundert verfassungswidrig. Der Bundestag hatte den Auftrag, die Rechtslage der Verfassungsnorm anzupassen.
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