Wie Amerikas Maler die Landschaft entdeckten

Von Alexandra Mangel |
Mit einer Ausstellungstrilogie "150 Jahre Amerikanische Kunst: 1800-1950" unternimmt das Bucerius Kunst Forum in Hamburg eine künstlerische Entdeckungsreise in die Neue Welt. Den Auftakt macht die amerikanische Romantik des 19. Jahrhunderts mit der ersten amerikanischen Malerschule, der Hudson River School.
Wer in Hamburg eine Ausstellung mit Landschaftsgemälden der Romantik veranstaltet – kann und muss mit einem an Caspar David Friedrich geschulten Publikum rechnen. Das Bucerius Kunst Forum zeigt Landschaften der amerikanischen Romantik. Zu sehen sind zerklüftete Canyons und majestätische Gipfel. Donnernde Wasserfälle. Dramatische Himmelsphänomene. Wer hier den rein ästhetischen Vergleich mit Friedrich sucht, könnte vielleicht enttäuscht sein - denn das patriotische Pathos der Amerikaner wirkt vor der nachdenklicheren Folie Friedrichs doch recht schwer, fast kitschig.

Er würde aber das eigentlich Spannende der Ausstellung verpassen: Die Geschichte dieser Bilder, die in Amerika wie nationale Ikonen verehrt werden. Sie handelt von der Erfindung der unberührten Wildnis Amerikas. Und den Anfängen des amerikanischen Kunstmarkts.

Spurensuche. Der Zug hat New York Penn Station vor zwanzig Minuten verlassen. Die Fahrt geht Richtung Norden, entlang des Hudson River. An seinen Ufern erheben sich die Catskill Mountains – noch sanft gewellt, doch mit jedem Kilometer wird ihr Profil mächtiger. Rot und gelb leuchtet das Laub - Indian Summer. Schon im 19. Jahrhundert konnten die Maler der Hudson River School diese Strecke mit der Eisenbahn zurücklegen. Wenn sie ihre Ateliers in New York verließen und sich in die Berge aufmachten. Ihr Ziel – so der Maler Thomas Cole:

" – die amerikanische Landschaft, die für jeden Amerikaner von überragendem Interesse sein sollte! Ob er den Wassern des Hudson zum Atlantik folgt, die Wildnis im Innern dieses riesigen Kontinents erkundet oder an den fernen Grenzen Oregons steht: Es ist sein Land! Seine Schönheit, seine Größe, seine Erhabenheit! Alles gehört ihm! Wir sind immer noch im Paradies!"

Cedar Grove. Das Haus des Malers Thomas Cole in den Catskills. Von hier aus wandert er 1825 zu den "Kaaterskill Falls" – Wasserfälle, die als großes Naturwunder des Nordostens gelten. Sein Gemälde "Kaaterskill Falls" – in Hamburg zu sehen – zeigt den Blick aus einer Felshöhle in die Weite eines Gebirgspanoramas. Vor dem Eingang der Höhle ergießt sich der Wasserfall. Ganz klein späht im Hintergrund der Szene ein Indianer in die Ferne. Die Wirklichkeit sah anders aus.

Elisabeth Stevens: "1825 – als Thomas Cole die Wasserfälle zum ersten Mal sah, gab es hier bereits eine Aussichtsplattform, eine Treppe und andere Annehmlichkeiten für die Touristen. Es war damals schon sehr überlaufen!"

Elizabeth Stevens, Kuratorin der Thomas Cole Historic Site, deutet auf einen Berghang in der Ferne. Dort hat man 1824 ein Hotel gebaut. Das Stadtbürgertum reist damals an. Auf der Aussichtsplattform über den Wasserfällen wird eine Verkaufsbude aufgestellt. Hier zahlen die Touristen dafür, dass das Wasser über die Felsen geleitet wird. Sind die Touristen weg, fließt es längst in anderen, nutzbringenderen Bahnen. Aus dem Naturwunder ist ein Wunder der Technik geworden.

"In Thomas Coles erster Bleistiftzeichnung sieht man noch den Tourismus vor Ort – im fertigen Ölgemälde ist all das ausgelöscht!"

Eingefügt ist dagegen der kleine Indianer. Eine Begegnung mit ihm brauchen die Touristen 1825 nicht zu fürchten. Im Nordosten sind die Ureinwohner längst von weißen Siedlern vertrieben. Den idyllisch-entrückten Blick des Indianers auf das Land kann der Maler nur darstellen, weil dieses Land nicht mehr umkämpft ist. Der Besitzanspruch der Siedler ist durchgesetzt. Ein Anspruch, den der Künstler Cole genau wie seine Zeitgenossen als "gottgewollt" begreift:

"Ich klage nicht – ich bedaure nur! So verläuft nun mal der Weg, den die Gesellschaft zurücklegen muss!"

Eine Einstellung, die gerade den Zeitgenossen gefallen muss, die auf diesem Weg zu Wohlstand gelangt sind. Die Käufer und Sammler der Hudson River School sitzen in den Metropolen der Ostküste. Der Industrieadel hat etwas erreicht und will das auch zeigen: amerikanische Malerei, die den Anfängen der Nation huldigt – und nebenbei auch noch Werbung für den weiteren Weg nach Westen macht, trifft ins Schwarze. Elizabeth Mankin Kornhauser, Kuratorin der Hamburger Ausstellung:

"Amerikanische Landschaftsmaler wollten zeigen, dass Amerika dieses gelobte Land sei – mit den höchsten Bergen und den großartigsten Naturwundern. Man wollte weiße Siedler in diese Wildnis locken. Also malten Künstler wie Albert Bierstadt immer größere und grandiosere Gebirgsszenen – einmal hat er sogar die Schweizer Alpen eingefügt, er hat sie einfach in den Hintergrund geschoben."

Kornhauser ist Kustodin am Wadsworth Atheneum Museum of Art in Hartford Connecticut. Dort hütet sie die weltweit größte Sammlung der Hudson River School. Mit 60 Gemälden ist sie nach Hamburg gereist – auf Einladung der Zeit-Stiftung. Die unterhält in Hamburg mit Bucerius Kunst Forum, Bucerius Law School und Bucerius Summer School entschieden amerikanische Strukturen – und würde deren Tradition den Deutschen gern näher bringen. Die Hudson River School bildet da einen reizvollen Auftakt. Ortrud Westheider vom Bucerius Kunstforum:

"Die interessante Verbindung einfach auch dann mit der Stadt. Dass also die Wertschätzung der Malerei erst damit in Gang kam, dass es in New York und Boston und Philadelphia ein Stadtbürgertum gab, das dann auch Kunst schätzte und dann natürlich diese ganze Zuversicht, dieses Unternehmerische – die Maler der Hudson River School, die hatten große Vermögen letztlich, die ja auch noch mal eine ganz andere Einsicht in das frühe Funktionieren dieses Kunstmarktes in Amerika öffnet."

Tatsächlich ermöglicht die Ausstellung spannende Einsichten. Allerdings nicht ohne Katalogstudium. Wer pure Augenlust sucht, dürfte die unternehmerische wie patriotische Zuversicht der Werke vielleicht weniger zu schätzen wissen – er kann sich immer noch zu Friedrich in die Kunsthalle flüchten.


Service:

Die Ausstellung "Neue Welt. Die Erfindung der amerikanischen Malerei" ist bis zum 28. Mai 2007 im Bucerius Kunst Forum Hamburg in Hamburg zu sehen.