Widerstand gegen europaweites Tempolimit
Der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages, Friedrich Dencker, hat die Europäische Union davor gewarnt, sich in die Festlegung von Tempolimits in den Mitgliedsstaaten einzumischen.
Jörg Degenhardt: Alle Jahre wieder, immer in der letzten Januarwoche und stets in Goslar kommt der deutsche Verkehrsgerichtstag zusammen. Er wird seit 1963 von der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft veranstaltet. Bei der Konferenz im Harz dabei sind Juristen, Verkehrsexperten und Interessenvertreter etwa von Autoclubs, die über Empfehlungen zu aktuellen Problemen des Verkehrsrechts abstimmen. Diese Entschließungen sind freilich nicht bindend, werden aber als Orientierungslinien von den Gerichten oder auch vom Bundestag respektiert.
In diesem Jahr geht es unter anderem um das Tempolimit, Baustellen auf der Autobahn, Zündsperren als Möglichkeit der Alkoholprävention oder den Autokauf im Internet. Präsident des Verkehrsgerichtstages ist seit 2003 der Strafrechtsexperte Friedrich Dencker, Professor am Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Herr Dencker, womit müssen Deutschlands Autofahrer künftig rechnen, mit weiteren Einschränkungen, zum Beispiel beim Tempo, und noch mehr Kontrollen?
Friedrich Dencker: Womit sie rechnen müssen, das ist eine Frage nach einem Blick in die Zukunft, das traue ich mir nicht zu. Ich könnte Ihnen allenfalls etwas dazu sagen, was nach den Referaten eventuell an Empfehlungen zu erwarten ist seitens des Verkehrsgerichtstages. Da, würde ich sagen, wie das mit der Geschwindigkeit ist, auf die Sie anspielen mit Ihrer Frage, das ist für mich einigermaßen offen.
In dem Punkt wird die Empfehlung lauten, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Während ich durchaus für wahrscheinlich halte, dass der Arbeitskreis sagen wird, wenn Geschwindigkeitsbegrenzung und wo Geschwindigkeitsbegrenzungen, da sollten sie möglichst auch kontrolliert werden, damit sie eingehalten werden.
Degenhardt: Die Mehrheit der Deutschen ist übrigens laut einer Umfrage für ein Tempolimit, nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen. Solche Stimmungslagen, beeinflussen die Ihre Beratungen in Goslar?
Dencker: Das kann ich nicht ausschließen. Das sind über 300 Teilnehmer an diesem Arbeitskreis, und ob die immer nur nach Rationalitätskriterien oder unter Umständen auch mit Rücksicht auf Bevölkerungsmehrheiten entscheiden, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Degenhardt: Taugt denn ein Tempolimit zum Beispiel, um die Zahl der Unfälle, die ja immer noch viel zu hoch ist, abzusenken?
Dencker: Also um das vielleicht einmal aufzugreifen: Nach allem, was ich bisher vermuten kann, wird in dem Arbeitskreis der Aspekt Umwelt für die Frage Tempolimit keine so große Rolle spielen, sondern was traditionell ist für den Verkehrsgericht, ist eher die Frage, so ist ja auch das Thema dieses Arbeitskreises formuliert, Geschwindigkeit als Unfallursache. Eher die Frage, wie wirkt sich das auf die Sicherheit auf den Autobahnen aus. Und da schauen wir mal, um mal einen bekannten Deutschen zu zitieren.
Degenhardt: Wenn wir jetzt nicht über das Tempolimit diskutieren, weil da noch viele Fragen offen sind, unterschiedliche Studien vorliegen: Wo sehen Sie denn Ansatzpunkte, um bei diesen Unfallzahlen weiter nach unten zu kommen?
Dencker: Also ich glaube, dass der Schwerpunkt von solchen Arbeiten an der Arbeit in den Köpfen sitzen sollte, denn die aktiven und passiven Sicherheitssysteme technischer Art dürften weitgehend ausgereizt sein. Vielleicht kann man noch einiges tun bei Verkehrsplanung und Verkehrswegen. Vor allen Dingen aber muss man, wie soll ich das sagen, den Atavismen in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer, vor allen Dingen der Autofahrer, beikommen. Das sollte man nicht mit Gewalt und nur mit Strafen, sondern vielleicht etwas fantasievoller noch versuchen.
Eine ganz einfache Möglichkeit zum Beispiel: Wenn man in den Fahrschulen nicht nur Regelkenntnisse vermittelt, sondern auch so ein bisschen Gefahrgefühl vermittelt - sei das durch Fahrsimulatoren oder dadurch, dass man die Leute animiert, jedenfalls einmal Sicherheitstrainings, die werden ja angeboten, mitzumachen, damit sie erleben, was geht mit Lenken und Bremsen und was geht nicht - also auf der Ebene weicher Maßnahmen würde ich am ehesten Erfolg versprechende Möglichkeiten sehen.
Degenhardt: Ein weiterer Schwerpunkt in Goslar: Der Verbraucherschutz, ich habe es angedeutet, beim Handel mit Kraftfahrzeugen im Internet. Was man denn da gegen dubiose Verkaufspraktiken tun, die ja oftmals bis an den Rand des Betruges gehen?
Dencker: Also das haben Sie jetzt etwas zurückhaltend formuliert. Natürlich gibt es Betrug in diesem Verkaufsweg genauso wie überhaupt beim Autokauf. Die Frage ist, was kann man gegen Betrug machen, ganz generell, und jetzt auf dieses Thema bezogen, speziell bei diesem neuen Vertriebsweg. Nach dem, was ich diesen Referaten, den schriftlichen Referaten bisher entnommen habe, geben sich ja die entsprechenden Marktbetreiber im Internet große Mühe, schwarze Schafe auszusondern, und es gibt auch Erfahrungsberichte darüber, wo typischerweise darauf zu achten ist, wenn es darum geht, auf faule Angebote nicht reinzufallen. Das alles wird sicherlich auch in Empfehlungen dieses Arbeitskreises münden.
Degenhardt: Als Gastredner ist in diesem Jahr Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf dem Verkehrsgerichtstag bei Ihnen in Goslar. Sie will sprechen über Verkehrsrecht und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Aus Ihrer Sicht, Herr Denker, mischt sich Brüssel zu sehr in das deutsche Verkehrsrecht ein?
Dencker: Ja, manchmal kann man den Eindruck schon haben, denn es geht ja im Grunde, was die europäischen Zentralinstanzen betrifft, beim Verkehr nur darum, darauf zu achten, dass das für alle EU-Bürger durchlässig ist. Und wenn etwa dort Pläne ausgeheckt werden, wie die Verkehrssicherheit in Europa zentral gestärkt werden könne, dann frage ich, woher wir eigentlich in den europäischen Verträgen etwa die Legitimationsgrundlage dafür ziehen sollen?
Denn eigentlich soll sich die europäische Behörde in Brüssel, also die Kommission, oder sollen sich die Ministerräte ja um die Angleichung der Lebensverhältnisse schlechthin nicht kümmern. Also man kann es auch zuspitzen: Es gibt eigentlich keinen guten Grund dafür, dass die Europäische Union sagt, wir wollen ein Tempolimit von, nehmen wir mal an, als blindes Beispiel gegriffen, von 80 auf Landstraßen statt von 100 wie in Deutschland oder 110 wie in irgendeinem anderen Land.
Degenhardt: Und damit wären wir wieder beim Einstiegsthema, beim Tempolimit. Heute beginnt im Goslar der 45. Verkehrsgerichtstag. Das waren Fragen an den Präsidenten desselben, an Friedrich Dencker, Professor im Institut für Kriminalwissenschaften der Uni in Münster. Vielen Dank für das Gespräch!
In diesem Jahr geht es unter anderem um das Tempolimit, Baustellen auf der Autobahn, Zündsperren als Möglichkeit der Alkoholprävention oder den Autokauf im Internet. Präsident des Verkehrsgerichtstages ist seit 2003 der Strafrechtsexperte Friedrich Dencker, Professor am Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Herr Dencker, womit müssen Deutschlands Autofahrer künftig rechnen, mit weiteren Einschränkungen, zum Beispiel beim Tempo, und noch mehr Kontrollen?
Friedrich Dencker: Womit sie rechnen müssen, das ist eine Frage nach einem Blick in die Zukunft, das traue ich mir nicht zu. Ich könnte Ihnen allenfalls etwas dazu sagen, was nach den Referaten eventuell an Empfehlungen zu erwarten ist seitens des Verkehrsgerichtstages. Da, würde ich sagen, wie das mit der Geschwindigkeit ist, auf die Sie anspielen mit Ihrer Frage, das ist für mich einigermaßen offen.
In dem Punkt wird die Empfehlung lauten, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Während ich durchaus für wahrscheinlich halte, dass der Arbeitskreis sagen wird, wenn Geschwindigkeitsbegrenzung und wo Geschwindigkeitsbegrenzungen, da sollten sie möglichst auch kontrolliert werden, damit sie eingehalten werden.
Degenhardt: Die Mehrheit der Deutschen ist übrigens laut einer Umfrage für ein Tempolimit, nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen. Solche Stimmungslagen, beeinflussen die Ihre Beratungen in Goslar?
Dencker: Das kann ich nicht ausschließen. Das sind über 300 Teilnehmer an diesem Arbeitskreis, und ob die immer nur nach Rationalitätskriterien oder unter Umständen auch mit Rücksicht auf Bevölkerungsmehrheiten entscheiden, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Degenhardt: Taugt denn ein Tempolimit zum Beispiel, um die Zahl der Unfälle, die ja immer noch viel zu hoch ist, abzusenken?
Dencker: Also um das vielleicht einmal aufzugreifen: Nach allem, was ich bisher vermuten kann, wird in dem Arbeitskreis der Aspekt Umwelt für die Frage Tempolimit keine so große Rolle spielen, sondern was traditionell ist für den Verkehrsgericht, ist eher die Frage, so ist ja auch das Thema dieses Arbeitskreises formuliert, Geschwindigkeit als Unfallursache. Eher die Frage, wie wirkt sich das auf die Sicherheit auf den Autobahnen aus. Und da schauen wir mal, um mal einen bekannten Deutschen zu zitieren.
Degenhardt: Wenn wir jetzt nicht über das Tempolimit diskutieren, weil da noch viele Fragen offen sind, unterschiedliche Studien vorliegen: Wo sehen Sie denn Ansatzpunkte, um bei diesen Unfallzahlen weiter nach unten zu kommen?
Dencker: Also ich glaube, dass der Schwerpunkt von solchen Arbeiten an der Arbeit in den Köpfen sitzen sollte, denn die aktiven und passiven Sicherheitssysteme technischer Art dürften weitgehend ausgereizt sein. Vielleicht kann man noch einiges tun bei Verkehrsplanung und Verkehrswegen. Vor allen Dingen aber muss man, wie soll ich das sagen, den Atavismen in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer, vor allen Dingen der Autofahrer, beikommen. Das sollte man nicht mit Gewalt und nur mit Strafen, sondern vielleicht etwas fantasievoller noch versuchen.
Eine ganz einfache Möglichkeit zum Beispiel: Wenn man in den Fahrschulen nicht nur Regelkenntnisse vermittelt, sondern auch so ein bisschen Gefahrgefühl vermittelt - sei das durch Fahrsimulatoren oder dadurch, dass man die Leute animiert, jedenfalls einmal Sicherheitstrainings, die werden ja angeboten, mitzumachen, damit sie erleben, was geht mit Lenken und Bremsen und was geht nicht - also auf der Ebene weicher Maßnahmen würde ich am ehesten Erfolg versprechende Möglichkeiten sehen.
Degenhardt: Ein weiterer Schwerpunkt in Goslar: Der Verbraucherschutz, ich habe es angedeutet, beim Handel mit Kraftfahrzeugen im Internet. Was man denn da gegen dubiose Verkaufspraktiken tun, die ja oftmals bis an den Rand des Betruges gehen?
Dencker: Also das haben Sie jetzt etwas zurückhaltend formuliert. Natürlich gibt es Betrug in diesem Verkaufsweg genauso wie überhaupt beim Autokauf. Die Frage ist, was kann man gegen Betrug machen, ganz generell, und jetzt auf dieses Thema bezogen, speziell bei diesem neuen Vertriebsweg. Nach dem, was ich diesen Referaten, den schriftlichen Referaten bisher entnommen habe, geben sich ja die entsprechenden Marktbetreiber im Internet große Mühe, schwarze Schafe auszusondern, und es gibt auch Erfahrungsberichte darüber, wo typischerweise darauf zu achten ist, wenn es darum geht, auf faule Angebote nicht reinzufallen. Das alles wird sicherlich auch in Empfehlungen dieses Arbeitskreises münden.
Degenhardt: Als Gastredner ist in diesem Jahr Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf dem Verkehrsgerichtstag bei Ihnen in Goslar. Sie will sprechen über Verkehrsrecht und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Aus Ihrer Sicht, Herr Denker, mischt sich Brüssel zu sehr in das deutsche Verkehrsrecht ein?
Dencker: Ja, manchmal kann man den Eindruck schon haben, denn es geht ja im Grunde, was die europäischen Zentralinstanzen betrifft, beim Verkehr nur darum, darauf zu achten, dass das für alle EU-Bürger durchlässig ist. Und wenn etwa dort Pläne ausgeheckt werden, wie die Verkehrssicherheit in Europa zentral gestärkt werden könne, dann frage ich, woher wir eigentlich in den europäischen Verträgen etwa die Legitimationsgrundlage dafür ziehen sollen?
Denn eigentlich soll sich die europäische Behörde in Brüssel, also die Kommission, oder sollen sich die Ministerräte ja um die Angleichung der Lebensverhältnisse schlechthin nicht kümmern. Also man kann es auch zuspitzen: Es gibt eigentlich keinen guten Grund dafür, dass die Europäische Union sagt, wir wollen ein Tempolimit von, nehmen wir mal an, als blindes Beispiel gegriffen, von 80 auf Landstraßen statt von 100 wie in Deutschland oder 110 wie in irgendeinem anderen Land.
Degenhardt: Und damit wären wir wieder beim Einstiegsthema, beim Tempolimit. Heute beginnt im Goslar der 45. Verkehrsgerichtstag. Das waren Fragen an den Präsidenten desselben, an Friedrich Dencker, Professor im Institut für Kriminalwissenschaften der Uni in Münster. Vielen Dank für das Gespräch!