Widerständiger Menschenschlag an der Küste
01.08.2007
Spätestens seit E. Annie Proulx' "Schiffsmeldungen" und Wayne Johnstons "Die Kolonie der unerfüllten Träume" hat sich die zu Kanada gehörige Insel Neufundland als literarischer Ort etabliert. Vom Pauschaltourismus verschont, wecken vor allem die abgeschiedenen Küstenorte Neufundlands die Neugier von Individualisten, strahlen sie doch offenkundig die düstere Magie des rauen Atlantiks aus.
Auch Donna Morrissey, Jahrgang 1956, ist dort geboren und führt mit ihrem dritten Roman genau in diese Region urwüchsiger Naturkräfte und sperriger Einheimischer. Der Fischer Sylvanus Now ist einer von diesen und gab der Originalausgabe ihren Titel, was dem Deutschen Taschenbuch Verlag offenkundig wenig attraktiv erschien und ihn - auf Benoîte Groults Bestseller "Salz auf unserer Haut" schielend - dazu verleitete, sich einen salzhaltigeren deutschen Titel auszudenken.
1953, als 18-Jähriger, verliebt sich Sylvanus in Adelaide, ein schönes und sprödes Mädchen, das in der Schule gut vorankommt und nichts anderes im Sinn hat, als dem ewigen Einerlei des Provinzalltags und den Ausdünstungen von Fisch, Stellingen und Salz zu entkommen. Anders ihr Verehrer: Sylvanus kann sich ein Leben ohne die Naturschönheiten der Insel und ohne seine einsamen Angelfahrten hinaus aufs Meer nicht vorstellen und verweigert sich, im Gegensatz zu seinen Brüdern, allen Neuerungen des Fischfangs.
Dennoch gelingt es ihm, Adelaide von seiner Liebe zu überzeugen. Nachdem diese von der Schule genommen und in die neu errichtete Fischfabrik gesteckt wird, um ihre vielköpfige Familie finanziell zu unterstützen, heiraten beide und bauen ein Haus, in dem Adelaide hofft, sich von den Insulanern abzuschotten und dem geliebten Alleinsein frönen zu können.
"Der Geruch von Salz" spielt in den 1950er Jahren, als sich die technischen Bedingungen des Fischfangs auch vor der kanadischen Küste radikal ändern. Die moderne industrielle Verarbeitung der Fänge setzt sich durch; mit brutalen Methoden und ungebremster Profitgier wird Raubbau an den Beständen getrieben. Donna Morrissey beschreibt Sylvanus' wacker-hilflosen Kampf gegen diesen "Fortschritt".
Seine Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen, finden keinen Ausgleich im privaten Glück. Adelaides erstes Kind stirbt gleich nach der Niederkunft; zwei weitere Todgeburten folgen. Häuslicher Frieden bei den Nows will sich nicht einstellen, und dennoch hält er zu seiner eigensinnigen Frau, auch als die Regierung, die dem Ausfischen der Meere hilflos zusieht, die Umsiedlung der Küstenbewohner vorsieht. "Es geht nicht mehr darum, was wir wollen, hörst du, sondern nur noch darum, was uns übrigbleibt" - das ist der Schlussakkord, dem sich Sylvanus und Adelaide trotzig widersetzen.
"Der Geruch von Salz" ist kein literarischer Meilenstein, doch ein kraftvoller, nur selten in den Gefühlskitsch abgleitender Roman, der die Küstenlandschaft Neufundlands und den Alltag eines widerständigen Menschenschlags in der präzisen Übersetzung Miriam Mandelkows gut einfängt. Keine schlechte Ferienlektüre also, nicht nur für Neufundland-Reisende.
Rezensiert von Rainer Moritz
Donna Morrissey: Der Geruch von Salz
Roman. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow
Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv premium
340 Seiten, 14,50 EUR
1953, als 18-Jähriger, verliebt sich Sylvanus in Adelaide, ein schönes und sprödes Mädchen, das in der Schule gut vorankommt und nichts anderes im Sinn hat, als dem ewigen Einerlei des Provinzalltags und den Ausdünstungen von Fisch, Stellingen und Salz zu entkommen. Anders ihr Verehrer: Sylvanus kann sich ein Leben ohne die Naturschönheiten der Insel und ohne seine einsamen Angelfahrten hinaus aufs Meer nicht vorstellen und verweigert sich, im Gegensatz zu seinen Brüdern, allen Neuerungen des Fischfangs.
Dennoch gelingt es ihm, Adelaide von seiner Liebe zu überzeugen. Nachdem diese von der Schule genommen und in die neu errichtete Fischfabrik gesteckt wird, um ihre vielköpfige Familie finanziell zu unterstützen, heiraten beide und bauen ein Haus, in dem Adelaide hofft, sich von den Insulanern abzuschotten und dem geliebten Alleinsein frönen zu können.
"Der Geruch von Salz" spielt in den 1950er Jahren, als sich die technischen Bedingungen des Fischfangs auch vor der kanadischen Küste radikal ändern. Die moderne industrielle Verarbeitung der Fänge setzt sich durch; mit brutalen Methoden und ungebremster Profitgier wird Raubbau an den Beständen getrieben. Donna Morrissey beschreibt Sylvanus' wacker-hilflosen Kampf gegen diesen "Fortschritt".
Seine Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen, finden keinen Ausgleich im privaten Glück. Adelaides erstes Kind stirbt gleich nach der Niederkunft; zwei weitere Todgeburten folgen. Häuslicher Frieden bei den Nows will sich nicht einstellen, und dennoch hält er zu seiner eigensinnigen Frau, auch als die Regierung, die dem Ausfischen der Meere hilflos zusieht, die Umsiedlung der Küstenbewohner vorsieht. "Es geht nicht mehr darum, was wir wollen, hörst du, sondern nur noch darum, was uns übrigbleibt" - das ist der Schlussakkord, dem sich Sylvanus und Adelaide trotzig widersetzen.
"Der Geruch von Salz" ist kein literarischer Meilenstein, doch ein kraftvoller, nur selten in den Gefühlskitsch abgleitender Roman, der die Küstenlandschaft Neufundlands und den Alltag eines widerständigen Menschenschlags in der präzisen Übersetzung Miriam Mandelkows gut einfängt. Keine schlechte Ferienlektüre also, nicht nur für Neufundland-Reisende.
Rezensiert von Rainer Moritz
Donna Morrissey: Der Geruch von Salz
Roman. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow
Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv premium
340 Seiten, 14,50 EUR