Widersprüchliches Kuba

Von Ole Schulz · 14.01.2013
Die Filme, die zur Zeit in Berlin gezeigt werden, sind formal nicht immer hochklassig. Doch sie zeigen ein Kuba jenseits von Salsa und guter Laune: soziale Gegensätze, Menschen, die trotz Armut an ihrem Führer Fidel Castro festhalten, Alkoholismus.
Havanna, kurz vor einem Hurrikan. Die Bewohner eines Altbaus müssen ihr Zuhause verlassen, zu baufällig erscheint den Behörden sein Zustand. Zurück bleiben leere Betten. In der poetischen Doku "Las camas solas" von Sandra Gómez Jiménez stehen die verzweifelten Hausbewohner im Mittelpunkt. Sie verstehen nicht, warum ihr Gebäude mitten im Zentrum nicht endlich renoviert wird und haben Angst davor, dass man sie nach dem Sturm nicht wieder zurückkehren lässt.

Die prekäre Wohnsituation vieler Kubaner ist dabei immer wieder ein Thema. Das im Jahr 2000 gegründete Festival für junge Filmemacher in Havanna spricht Fragen an, die der jungen Generation auf den Nägeln brennen, sagt die 35-jährige, mittlerweile in Berlin lebende kubanische Regisseurin Daniellis Hernández:

"Man muss dabei immer berücksichtigen, dass es auf Kuba stattfindet. Viele der behandelten Themen stehen zumindest im Gegensatz zu dem, was offiziell gesagt wird. Das Festival ist ein Ort für widerspruchsvollere Sichtweisen, die Kubas Realitäten auf eine tiefsinnigere, kämpferischere Art und Weise ansprechen."

Beim Berliner Festival "Cuban Shorts" sind überwiegend Dokumentationen zu sehen - darunter "Extravío", "Fehlleitung" von Daniellis Hernández über ihre, die eigene Identität erschütternden Erfahrungen beim ersten Auslandsaufenthalt in England.

Die meisten Festival-Beiträge beschäftigen sich aber mit dem Leben auf der Karibikinsel und ergeben im Gesamtbild ein breit gefächertes Kaleidoskop der Sorgen und Nöte im Kuba von heute:

"Die Filme handeln vom Mangel, aber auch von den existenziellen Problemen der Jugend. Andere beschäftigen sich mit den Wohnungslosen in der Hauptstadt oder den Migranten, die aus anderen Provinzen nach Havanna kommen."

Das gängige Klischee gut gelaunter Menschen, die Salsa tanzen und ein unbeschwertes Leben führen, sieht man in den Filmen des "Cuban Shorts"-Festivals jedenfalls nur selten. Stattdessen etwa in "Guanabo 23" eine Vielzahl volltrunkener Kubaner mit halb vollen Rumflaschen in den Händen am Strand von Guanabo, dem Naherholungsgebiet der einfachen "Habaneros".

Es geht um all die Widersprüche, die Kuba prägen: Ideale und Wirklichkeit, Ausreise und Wiederkehr, Veränderungen und Stillstand. Dabei wird auch die innere Zerrissenheit vieler Kubaner deutlich.

Der Film "Buscándote Havana","Auf der Suche nach dir, Havanna", zeigt einen Migranten aus dem Osten Kubas, der illegal in einer Baracke am Stadtrand von Havanna lebt und Fidel trotz allem die Treue schwört. In "Pucha Vida", "Puchas Leben", sieht man dagegen eine beispielhafte Revolutionärin, die auch unter dem Konflikt von sozialistischem Anspruch und der trostlosen Realität leidet.

Zugleich bekommt man durch Filme wie "Close Up" einen Eindruck von der Komplexität des Lebens auf Kuba. Denn mit der Globalisierung, die vor Kuba nicht Halt macht, haben sich zum Beispiel längst verschiedene jugendliche Subkulturen herausgebildet. Von den "Rockeros" über die "Frikis" bis zu den "Emos":

"All das gibt es mittlerweile auf Kuba. Das ist auch ein Teil von Kuba, der sich in den Filmen wiederfindet: Es geht nicht nur um Politik, Zensur, Hunger, Totalitarismus, sondern um mehr. Nicht alle dieser Filme sind formal gut gemacht - es ist ja auch ein Festival für junge Filmemacher - und es geht um ihre Suche, eine eigene Ausdrucksweise zu finden."

Und vielleicht wird es gerade diese unbequeme junge Generation sein, welche die greise Herrscherriege um den Fidel-Bruder Raúl Castro zu weiteren Reformen zwingt. Heute ist schon einmal das neue Gesetz zur Reisefreiheit in Kraft getreten: Es erlaubt den Kubanern erstmals seit einem halben Jahrhundert, ohne Sondergenehmigung ins Ausland zu reisen.
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