Schutz für Whistleblower

Gesetzentwurf mit großen Lücken

09:25 Minuten
Auf einem Kameradisplay ist der Whistleblower Edward Snowden zu sehen.
Sein Beispiel machte Geschichte: Edward Snowden. © picture alliance / dpa / Xinhua News Agency
Annegret Falter im Gespräch mit Julius Stucke · 27.07.2022
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Die Bundesregierung will Whistleblower besser schützen. Experten geht ein Gesetzentwurf dazu nicht weit genug. Die Politologin Annegret Falter kritisiert, dass der Wunsch nach Geheimhaltung offenbar schwerer wiegt als jener nach der Aufdeckung von Missständen.
Whistleblower sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig mehr Rechtssicherheit haben. Das Kabinett brachte einen Gesetzentwurf von Justizminister Marco Buschmann (FDP) für den Schutz von Personen auf den Weg, die auf Missstände in Unternehmen oder Behörden hinweisen.
Darin heißt es, dass Whistleblower derzeit ein „erhebliches Risiko“ eingehen, „wenn sie einen Rechtsverstoß an externe Stellen melden“. Das Regelwerk soll nun „Rechtsklarheit“ darüber schaffen, wann und durch welche Vorgaben Hinweisgeber künftig geschützt sind.

Meldestellen als Anlaufpunkt

Personen, die "im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit“ Informationen über Verstöße erlangt haben, können diese künftig bei bestimmten Meldestellen offenlegen. Es geht dabei um Verstöße, die etwa straf- oder bußgeldbewährt sind oder europäisches Recht brechen.
Die Hinweisgeber müssen sich entweder an interne Meldestellen - zum Beispiel in Betrieben und Behörden - oder an externe Meldestellen des Bundes und der Länder wenden. Nicht von dem Gesetz geschützt sind Whistleblower nach Angaben eines Ministeriumssprechers, wenn sie auf Missstände hinweisen, die „keine rechtliche Relevanz“ haben.
Wenden sich Hinweisgeber über soziale Netzwerke oder die Medien an die Öffentlichkeit, sind sie laut dem neuen Regelwerk nur „in bestimmten Fällen geschützt“. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Meldung an die zuständige Behörde „fruchtlos geblieben“ ist, wenn die „Gefahr irreversibler Schäden“ besteht, wenn „Repressalien zu befürchten“ sind oder wenn „Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten“.

Verbot von Repressalien

Das Regelwerk schützt Hinweisgeber insbesondere durch das Verbot von Repressalien: Whistleblower dürfen nicht abgestraft werden, sei es durch Kündigung, Abmahnung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing. Kommt es dennoch dazu, sollen die Betroffenen einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber haben.
Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert den Entwurf als unzureichend. Das öffentliche Interesse am Bekanntwerden von Missständen oder gar Skandalen sei nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt, sagt der Bundesvorsitzende Frank Überall. Alle Whistleblower müssten geschützt werden, „egal welchen Gesetzesverstoß sie aufdecken“.

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Die Politologin Annegret Falter, Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks, beurteilt den Entwurf hingegen grundsätzlich positiv und spricht von einem "großen Fortschritt" - doch auch ein solcher könne "ungenügend" sein, betont sie. Die Expertin sieht ebenfalls noch deutliche Schutzlücken, besonders in jenen Fällen, wo brisantes Material von Behörden oder der Regierung im Spiel ist.

Viele Fälle ohne Schutz

Meldungen in diesem Bereich seien nach dem neuen Gesetzentwurf nur dann geschützt, "wenn sie sich auf die unterste Geheimhaltungstufe beziehen, Straftaten betreffen und absolut behördenintern bleiben", kritisiert Falter. Sie dürften zudem weiterhin nicht aus dem Bereich der Nachrichtendienste stammen:
"Es macht den Eindruck, dass das Geheimhaltungsbedürfnis der Bundesregierung deutlich größer ist als der Wunsch, dass Missstände in den eigenen Reihen aufgedeckt und beseitigt werden."
Auch alle Meldungen unterhalb der juristischen Schwelle von Rechtsverstößen seien nicht geschützt, moniert Falter - zum Beispiel Hinweise auf ethisch fragwürdiges Verhalten wie Missstände in der Pflege. Für juristische Laien fehle es damit an Rechtssicherheit - denn diese könnten nicht klar beurteilen, was man nun melden dürfe und was nicht.

Umsetzung in nationales Recht

Bereits im Oktober 2019 trat in der Europäischen Union die Whistleblowerschutz-Richtlinie in Kraft, die eigentlich bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Das scheiterte ehemals an der schwarz-roten Bundesregierung, die bis kurz vor Ablauf dieser Frist im Amt war.
(ahe/epd)
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