Den alten Pferden geht es ja oft noch gut. Viele von ihnen könnten auch immer noch fünf- bis sechsmal im Jahr bei Turnieren antreten. Wir wollen auch, dass die Pferde so lange wie möglich eine aktive Rolle spielen.
Ältere Pferde in Japan
Mit dem "Retired Racehorse Cup" gibt es nun einen Wettbewerb für ältere Pferde in Japan. © dpa / picture alliance / Anke Waelischmiller
Wettkampf statt Gnadenbrot
06:27 Minuten

Von Felix Lill · 29.10.2023
Die alternde Gesellschaft ist ein Phänomen, mit dem sich kein Land so gut auskennt wie Japan. In allen Gesellschaftsbereichen verändert sich das Verständnis vom Alter - sogar im Pferdesport. Inzwischen gibt es sogar ein Turnier für ältere Rennpferde.
Wenn Kenji Abe davon erzählt, wie sich das durchschnittliche Leben eines Pferdes über die letzten Jahrzehnte entwickelt hat, klingt das verblüffend menschlich:
„Wir haben gemerkt, dass auch Pferde allmählich länger am Leben und auch fit bleiben. Es gibt quasi auch eine alternde Bevölkerung für Pferde. Vor 20 Jahren starben sie noch eher mit 18 oder 20 Jahren. Heute werden sie viel häufiger bis zu 30 Jahre alt.“
„Wir haben gemerkt, dass auch Pferde allmählich länger am Leben und auch fit bleiben. Es gibt quasi auch eine alternde Bevölkerung für Pferde. Vor 20 Jahren starben sie noch eher mit 18 oder 20 Jahren. Heute werden sie viel häufiger bis zu 30 Jahre alt.“
Ältere Pferde wurden oft ausrangiert
Kenji Abe ist Geschäftsführer der Nationalen Vereinigung zur Förderung des Reitsports in Japan. Und bisher hat der Umgang mit betagten Pferden in der Branche als kontrovers gegolten: Nur die erfolgreichsten unter ihnen durften bei angenehmen Bedingungen ein Gnadenbrot fressen, der Rest wurde oft ausrangiert.
Doch wenn es nun immer mehr alte Pferde gibt, die ihr vermeintlich bestes Alter hinter sich haben, steuert der Pferdesport bis auf Weiteres auf eine Krise zu: Was tun mit all den Tieren, die für die herkömmlichen Turniere zu alt sind und keine Erträge mehr abwerfen?
Doch wenn es nun immer mehr alte Pferde gibt, die ihr vermeintlich bestes Alter hinter sich haben, steuert der Pferdesport bis auf Weiteres auf eine Krise zu: Was tun mit all den Tieren, die für die herkömmlichen Turniere zu alt sind und keine Erträge mehr abwerfen?
Kenji Abe hat über die letzten Jahre eine Idee ausgebrütet - den „Retired Racehorse Cup“, also den Pokal pensionierter Pferde:
Mit dem „Retired Racehorse Cup“ ist Japan seit 2018 der Standort für ein einzigartiges Turnier. Teilnehmen dürfen Pferde, die mindestens drei Jahre alt sind.
Über das Jahr verteilt gibt es mittlerweile 30 Wettbewerbe im Springen, Dressur und Vielseitigkeitsreiten. Das Preisgeld beläuft sich insgesamt auf drei Millionen Yen, also 19.000 Euro.
Japan kennt Phänomen der alternden Gesellschaft
Das ist zwar noch wenig im Vergleich zum etablierten Pferdesport jüngerer Tiere. Aber die Branche nimmt es als Fortschritt an.
Und dass so ein Fortschritt ausgerechnet aus Japan kommt, ist kaum Zufall. Hier kennt man das Phänomen der alternden Gesellschaft besser als irgendwo sonst auf der Welt.
Die Menschenbevölkerung in Japan altert seit Jahrzehnten rasant.
Mittlerweile sind fast drei von zehn Menschen im ostasiatischen Land 65 Jahre oder älter. Auch der Bevölkerungsanteil von Menschen, die mindestens 100-jährig ist, ist der höchste weltweit.
Mittlerweile sind fast drei von zehn Menschen im ostasiatischen Land 65 Jahre oder älter. Auch der Bevölkerungsanteil von Menschen, die mindestens 100-jährig ist, ist der höchste weltweit.
Alter kaum noch Hindernis für Jugendlichkeit
Und weil man diese Tendenzen schon länger kennt als anderswo, hat man auch schon früher Lösungen für einen gesellschaftlichen Umgang mit dem Altern gefunden.
Dabei zeigt sich immer häufiger, dass man das Alter kaum noch als Hindernis für Jugendlichkeit sieht. Nicht nur, aber auch im Sport fällt Japan seit Jahren dadurch auf, dass Athleten auch in einem untypisch hohen Alter ihr Leistungsniveau beibehalten.
Dabei zeigt sich immer häufiger, dass man das Alter kaum noch als Hindernis für Jugendlichkeit sieht. Nicht nur, aber auch im Sport fällt Japan seit Jahren dadurch auf, dass Athleten auch in einem untypisch hohen Alter ihr Leistungsniveau beibehalten.
Ältere japanische Sportler als Beispiele
Ein paar Beispiele:
Kazuyoshi Miura ist 56 Jahre alt und spielt als Fußballprofi in der zweiten portugiesischen Liga. Er ist der älteste aktive Fußballprofi weltweit. Miuras Entsprechung im Skispringen ist Noriaki Kasai, der sich auch mit 51 weiterhin für Wettbewerbe anmeldet. Kasai gewinnt zwar schon länger keine großen Turniere mehr, lässt sich aber umso mehr für seine Standhaftigkeit feiern.
Die ehemalige Tennisspielerin Kumiko Date spielte bis Ende 40 auf der Tour. Auch Makoto Hasebe, Fußballprofi beim Erstligisten Eintracht Frankfurt, ist mit 39 Jahren schon ungewöhnlich alt.
Kazuyoshi Miura ist 56 Jahre alt und spielt als Fußballprofi in der zweiten portugiesischen Liga. Er ist der älteste aktive Fußballprofi weltweit. Miuras Entsprechung im Skispringen ist Noriaki Kasai, der sich auch mit 51 weiterhin für Wettbewerbe anmeldet. Kasai gewinnt zwar schon länger keine großen Turniere mehr, lässt sich aber umso mehr für seine Standhaftigkeit feiern.
Die ehemalige Tennisspielerin Kumiko Date spielte bis Ende 40 auf der Tour. Auch Makoto Hasebe, Fußballprofi beim Erstligisten Eintracht Frankfurt, ist mit 39 Jahren schon ungewöhnlich alt.
In Japan gibt es eine Ü80-Fußballliga
Für sportliche Leistungen im Alter fällt Japan aber auch im Amateursport auf: So wurde in Tokio vor kurzem eine Fußballliga eingeführt, in der nur über 80-Jährige spielen.
Eine Parallele zum Pferdesport sind die Gründe für die steigende Lebenserwartung: eine immer fortschrittlichere medizinische Behandlung, aber auch klügere Ernährung sowie ein besser angepasstes Training.
Wobei man den Pferden im „Retired Racehorse Cup“ teilweise schon anmerkt, dass sie nicht mehr die Jüngsten sind, wie Kenji Abe zugibt:
Eine Parallele zum Pferdesport sind die Gründe für die steigende Lebenserwartung: eine immer fortschrittlichere medizinische Behandlung, aber auch klügere Ernährung sowie ein besser angepasstes Training.
Wobei man den Pferden im „Retired Racehorse Cup“ teilweise schon anmerkt, dass sie nicht mehr die Jüngsten sind, wie Kenji Abe zugibt:
Vielseitigkeitsreiten ist wohl die schwierigste Disziplin für ältere Pferde. Da wird schon manchmal deutlich, dass ihnen allmählich etwas Kraft und Beweglichkeit fehlen. In der Dressur merkt man es aber kaum, wenn ein Pferd älter ist. Wir hoffen aber, dass das Interesse von Sponsoren langsam zunimmt.
Kenji Abes Mitarbeiter Riku Kumasaka, der die Förderung der Pferde im Alter von Verbandsseiten unterstützt, gibt zwar zu, dass der „Retired Racehorse Cup“ bisher eher ein Event für die Pferde selbst ist. Das öffentliche Interesse ist noch begrenzt.
Kumasaka: „Bisher kommen um die 150 Zuschauer zu einem Turnier. Pferdewetten gibt es bei uns nicht, das ist in Japan verboten. Nur bei Pferderennen gibt es das. TV-Übertragungen gibt es bisher auch keine.“
Kumasaka: „Bisher kommen um die 150 Zuschauer zu einem Turnier. Pferdewetten gibt es bei uns nicht, das ist in Japan verboten. Nur bei Pferderennen gibt es das. TV-Übertragungen gibt es bisher auch keine.“
Angebot an leistungsfähigen Tieren nimmt zu
Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Denn durch die alternde Bevölkerung der Pferde nimmt jährlich auch das Angebot an leistungsfähigen Tieren zu.
Kumasaka: „Wir wachsen schnell. Im ersten Jahr, 2018, waren es noch 300 angemeldete Pferde. Im vergangenen Jahr haben 687 Pferde teilgenommen. In den nächsten Jahren werden es ganz bestimmt noch deutlich mehr Pferde werden. Solange ein Pferd noch fit genug ist, darf es drei Jahre lang mitmachen. Ich glaube, wir haben Zukunft!“
Allmählich werde auch die mediale Berichterstattung zunehmen, erwartet Riku Kumasaka.
Allmählich werde auch die mediale Berichterstattung zunehmen, erwartet Riku Kumasaka.
Denn eines hat Japan inmitten der demografischen Alterung gezeigt: Was als jung gilt, und was als alt, ist weitgehend eine soziale Konstruktion. Und das öffentliche Interesse für alle möglichen Blüten, die auch das Alter treibt, hat in den letzten Jahren nie gekannte Ausmaße erreicht.
Warum sollte dieser Trend am Pferdesport vorbeigehen?
Warum sollte dieser Trend am Pferdesport vorbeigehen?