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Thorsten Beeck im Gespräch mit Dieter Kassel |
Apple hat mit einer großen Show sein neues iPhone beworben. Äußerlich hat es sich gegenüber den Vorgängermodellen kaum verändert, sagt Thorsten Beeck von Computerbild. Spannend seien die Änderungen im Inneren wie beispielsweise die Spracherkennungsapp "Siri".
Dieter Kassel: Im Studio in Hamburg begrüße ich jetzt Thorsten Beeck. Er ist Fachjournalist und arbeitet für das Online-Portal Computerbild.de. Morgen, Herr Beeck!

Thorsten Beeck: Schönen guten Morgen!

Kassel: War denn das so eine große Show, wie man es von früher auch von Steve Jobs gewohnt war gestern Abend, oder war das alles eine Nummer kleiner?

Beeck: Na, die Show war schon genauso groß, sie war gestern vor allen Dingen ganz schön lang. Apple hat eine Menge Spannung aufgebaut, will ich mal sagen, sie haben die Nutzer und die Käufer 15 Monate auf ein neues iPhone warten lassen und haben dann auch gestern sich eine Stunde für eine, na ja, eigentlich bekannte Präsentation Zeit gelassen, und die Erwartungen sind dadurch nicht kleiner geworden. Und das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum am Ende dann doch die Enttäuschung vorherrscht, wenn man sich heute Morgen mal so durch Blogs, Twitter und Fachmedien liest.

Kassel: Es hat lange gedauert, es gab, bevor man auch nur begann, den neuen iPod nano vorzustellen, vielleicht nicht unbedingt das am heißesten erwartete Gerät auf dieser Präsentation, gab es eine halbe Stunde das, was man woanders eigentlich eine Vorstellung der Bilanzen nennen würde. Bei Apple ist das auch eine Show: Diagramme, die Verkaufszahlen des iPad zeigen, und den Marktanteil des Betriebssystems. Woanders würden selbst Fachjournalisten gähnen. Warum ist selbst sowas bei Apple spannend?

Beeck: Ja, also ich glaube, dass normalerweise einfach diese Erwartung eines neuen, spannenden Gerätes … die Fachjournalisten und die Kollegen vor Ort letztendlich ein bisschen, die nehmen das zur Kenntnis, und die lassen vielleicht auch mal einfließen, wie viele iPhones im letzten Jahr verkauft worden sind. Man nimmt das hin, tatsächlich so richtig spannend ist das nicht, denn diese Zahlen sind ja alle im Vorfeld bekannt.

Kassel: Ist das eigentlich normal? Sie waren, kann ich ja an dieser Stelle dazu sagen, schon öfter dabei in Kalifornien, wenn früher Steve Jobs seine Show dort veranstaltet hat. Ist das eigentlich normal, dass dann der Hauptprogrammteil – also die Vorstellung des neuen iPhones – nicht vom Vorstandsvorsitzenden gemacht wird? Tim Cook hat das ja nicht selbst gemacht gestern.

Beeck: Ja, das ist vielleicht einfach auch ein bisschen neuer Stil. Steve Jobs ist ja so der Ultimo Leader. Das will Tim Cook vielleicht nicht sein und hat ganz bewusst das in andere Hände gelegt. Das muss man ja nicht negativ sehen. Ich glaube, dass er doch die Verantwortung für die Produkte auf mehr Schultern legen will, und deshalb ist das einfach, denke ich, ein Zeichen für seinen neuen Führungsstil.

Kassel: Was ist denn eigentlich dran, dass im Grunde genommen, viele haben das ja geschrieben, immer schon er und gar nicht so sehr Jobs verantwortlich war für die Erfolge von Apple in den letzten, sagen wir mal, fünf, sechs Jahren?

Beeck: Ja, das ist so eine Sache. Natürlich in so einem großen Unternehmen, das Milliarden Dollar Gewinne erwirtschaftet, ist nie einer verantwortlich. Steve Jobs ist auf jeden Fall der, der die Weichen gestellt hat und der die großen Ideen hatte und diese Ideen auch durchgesetzt hat, auch gegen Widerstände. Tim Cook hingegen ist ein guter Geschäftsmann, er hat Apple auf Linie getrimmt, er hat etwa dafür gesorgt, dass Apple keine eigene Hardwareproduktion mehr hat, sondern das alles ausgegliedert hat, ist dadurch extrem flexibel geworden.

Apple hat quasi keine Lagerhaltung mehr. Wenn Apple sagt, das iPhone 4S ist heute da oder ist am 14. Oktober da, dann haben die noch eine Handvoll Geräte, verkaufen die jetzt, und die müssen keinen Sonderverkauf machen, die müssen nichts billiger verkaufen, weil sie einfach überhaupt keine Lager haben. Die produzieren in China, und die Sachen kommen wirklich dann, wenn sie sie brauchen, in Europa, in den USA an, und das ist sicherlich etwas, wo Tim Cook ganz maßgeblich den Erfolg von Apple geprägt hat in den letzten Jahren, vor allen Dingen den finanziellen Erfolg.

Kassel: Sie haben es indirekt gesagt: Ab diesem Freitag, ab dem 17. Oktober, kann man in fünf, sechs Ländern, darunter Deutschland, das neue iPhone vorbestellen. Ab dem 14. Oktober soll es dann ausgeliefert werden. Es heißt nicht iPhone 5, wie erwartet, sondern iPhone 4S, und viele sagen: Ach Gottchen, das ist eigentlich nur bisschen was verändert an sich, es ist das alte Ding neu präsentiert. Ist das fair, das so zu sagen?

Beeck: Ja. Vor allen Dingen ist es natürlich so, das sieht halt genauso aus. Wenn sie mit dem nagelneuen, teuren 650-Euro-iPhone demnächst in der U-Bahn sitzen, wird keiner sehen, dass Sie das nagelneue iPhone haben. Und das iPhone war ja schon immer auch ein bisschen Statussymbol, und Apple hat tatsächlich da den finanziellen Erfolg vor den Statussymbolerfolg gestellt. Denn die Hülle ist wirklich die gleiche geblieben. Die Änderungen sind nur im Inneren – die sind durchaus signifikant, aber sie sind eben nicht sichtbar.

Kassel: Die Kamera ist besser, der Prozessor ist viel schneller, angeblich soll auch der Akku länger halten, vor allem aber hat das neue iPhone eine Spracherkennung, heißt Siri. Und bei der Präsentation gestern hatte das ein bisschen was von "Raumschiff Enterprise": Man kann mit dem Computer sprechen. Glauben Sie, das wird im Alltag wirklich so revolutionär sein, wie es gestern aussah?

Beeck: Ja, das ist schon sehr, sehr spannend, und ich finde auch, das erinnert sehr stark an Tricorder und Enterprise. "Siri" ist mehr als eine Spracherkennung. Spracherkennung kann das iPhone über Apps schon eine ganze Zeit, diktieren von SMS, und das funktioniert auch schon ziemlich gut.

Siri kann sehr viel mehr, Siri kann gesprochene Sprache verstehen und in Computersuchbefehle umsetzen. Also zu Siri kann man sagen: Weck mich bitte morgen um 18 Uhr. Und um 18 Uhr stellt Siri dann den Wecker. Oder man kann sagen: Muss ich heute einen Regenschirm mitnehmen? Und dann guckt Siri: Wo befinde ich mich gerade, und wie wird das Wetter? Also es ist eine kontextsensitive Suche, die Information bindet, und die auch die Möglichkeit bietet, Drittanbieterapplikationen einzubinden. Das heißt, die Anbieter der Apps können in Zukunft auch auf diese Siri-Funktionalität zugreifen, und da wird sich eigentlich erst zeigen, wo wirklich die wirkliche Power dieses Produktes liegt. Das ist schon sehr, sehr spannend. Wie gut das denn tatsächlich im Alltag funktioniert, muss man dann auch mal ausprobieren.

Kassel: Das war gerade der Einblick in das Leben eines Online-Redakteurs: Weck mich um 18 Uhr. Das ist die erste Zeit ...

Beeck: Ja, um 18 Uhr, wenn ich zur Arbeit muss!

Kassel: ... ja, ja, die Ihnen eingefallen ist. Wir reden mit Thorsten Beeck von Computerbild.de gerade hier im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton", wir reden über die Apple-Präsentation von gestern und das neue iPhone.

Sie haben so ganz nebenher, als sie über die Logistik von Apple gerade sprachen, erwähnt, dass eigentlich alles, was im iPhone drin ist und auch in den anderen Produkten, in China produziert wird. Im deutschen Fernsehen im ZDF bei "Frontal 21" lief passenderweise gestern Abend dann erneut ein Bericht über die Zustände bei Foxconn, einem der Hauptlieferanten von Apple in China, wo sich in der Vergangenheit Mitarbeiter umgebracht haben, wo es Verstöße selbst gegen das chinesische Arbeitsrecht gibt, und, und, und. Das ist im Prinzip in Deutschland, in den USA bekannt, es scheint aber Apple vom Image her nicht zu schaden, oder?

Beeck: Ja, das ist auch so eine Geschichte. Foxconn – darf man nicht vergessen, hat alleine in der Hauptzentrale 400.000 Mitarbeiter. Und wenn sich von diesen 400.000 Mitarbeitern im Jahr 11 Mitarbeiter umbringen, dann liegt die Selbstmordrate noch unter der Deutschlands. Diese Zahlen sind natürlich immer so ein bisschen schwierig, weil man das überhaupt nicht einschätzen kann. 400.000 Menschen arbeiten da, das ist eine Stadt in der Stadt.

Und tatsächlich zu sehen, die Arbeitsbedingungen, die sind sicherlich nicht mit westlichen Standards hundertprozentig zu vergleichen. De facto ist es so, alle produzieren da, und wir müssen letztendlich uns als Verbraucher dann im Klaren sein: Das ist Technik, die unter Bedingungen hergestellt wird, unter denen wir selber nicht arbeiten wollen würden. Offensichtlich nutzen die Verbraucher das nicht dafür, andere Produkte zu kaufen. Und wenn man ganz ehrlich ist: Es gibt eigentlich keine Hersteller, die man dann wählen kann.

Kassel: Auf der anderen Seite hat es aber Firmen wie Nike und anderen in der Vergangenheit immer wieder geschadet, wenn irgendwas rauskam: Kinderarbeit, giftige Stoffe in irgendwelchen Fabriken in Indien, die mussten immer was machen. Mir will das trotzdem nicht in den Kopf, warum gerade eine Firma wie Apple, die ja seit Jahren den Ruf des Anderen hat, lange Zeit im Vergleich zu Microsoft immer die Guten waren, warum das bei denen so akzeptabel zu sein scheint. Ich meine, meinetwegen sagen Sie, es hat sich nicht die Mehrheit der Leute umgebracht, aber keiner bestreitet doch, dass es bei Foxconn nicht besonders menschenfreundlich zugeht.

Beeck: Nein, das ist sicherlich richtig so. Warum das Apple nicht schadet, kann ich Ihnen so nicht sagen. Es ist tatsächlich so, dass Apple versucht, ihr Saubermann-Image nach außen zu stellen, auch was die Umweltfreundlichkeit der Produkte angeht, und tatsächlich ist es so: Wenn man mal genau hinschaut, dann sind halt leider diese miesen Standards in vielen Fällen immer noch besser, als sehr, sehr viele andere Produktionsbedingungen. Und ja, es ist ein grundsätzliches Problem, es ist halt eine Frage, wie die reichen Länder mit der Arbeitskraft in Drittweltländern oder in Tigerstaaten umgehen.

Kassel: Da Sie uns denn schon was Persönliches verraten haben, nämlich, wann Sie aufstehen, zum Abschluss auch noch die zweite persönliche Frage: Nutzen Sie eigentlich ein iPhone oder eher, da müssen wir ja keine Marke nennen, ein Android-basiertes Handy?

Beeck: Ich nutze beides, wobei ich gerne das iPhone benutze. iPhone ist nicht die Hardware eigentlich, das Spannende am iPhone ist eigentlich der ganze Kosmos, der da drum rum ist: wirklich tolle Apps, Musik, Filme, alles in einer Hand, das ist weniger eine Hardware-Frage, und das ist halt vielleicht auch bei dem 4S, wenn man die Enttäuschung mal weglässt, wenn man dann die Software sich anguckt, und gerade, was wir eben schon drüber sprachen, Siri, das könnte sehr spannend werden.

Kassel: Sagt Thorsten Beeck. Er ist Fachredakteur und arbeitet für Computerbild.de. Herr Beeck, ich danke Ihnen sehr und sage noch mal die Fakten für alle, die sagen: "Ich will es jetzt haben". Vorbestellen kann man es ab Freitag und ab dem 14. Oktober wird es dann ohne Vertrag zum Preis von ungefähr 630 Euro auch in Deutschland geben.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.