“Wettbewerb um die besten Köpfe”
Caroline Amann vom Lehrstuhl für Volkswirtschaft an der TU München sieht einen Zusammenhang zwischen vielen neuen Studiengängen und dem Wettbewerb an den Hochschulen. Es gehe darum, die "High Potentials sozusagen an die eigene Universität zu locken".
Ulrike Timm: Früher, als alles noch einigermaßen einfach war, da studierte man zum Beispiel Mathematik. Heute studiert man Finanz- oder Wirtschaftsmathematik oder auch kognitive Mathematik oder gar Passivhaus Plus, das geht auch. In letzter Zeit scheint die Anzahl neuer Studiengänge zu explodieren. Wer recherchiert, der findet allein im Verzeichnis "weiterführendes Studienangebot" rund 4400 Einträge. Wer soll sich da noch durchfinden? Und lernt man wirklich überall was Neues, oder sind dieselben Angebote nur unterschiedlich verpackt? Darüber spreche ich jetzt mit Carolin Amann vom Lehrstuhl für Volkswirtschaft an der TU in München, und sie hat sich auf Bildungsökonomie spezialisiert. Schönen guten Tag, Frau Amann!
Carolin Amann: Guten Tag, vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.
Timm: Frau Amann, wie kommt es zu so vielen scheinbar oder auch tatsächlich verschiedenen Angeboten?
Amann: Es gab natürlich in den traditionellen Studiengängen früher auch schon Spezialisierungen, die dann spätestens im Hauptstudium erkenntlich geworden sind, nur hat man das eben am erworbenen Titel nicht zwingend gesehen. Jetzt ist es natürlich so: Bei den zahlreichen Angeboten von Master-Studiengängen, da muss man auch unterscheiden, ist das jetzt ein Aufbau-Studiengang oder ist es ein konsekutiver Master-Studiengang, der also direkt an ein Bachelor-Studium anschließt, also die universitäre Erstausbildung darstellt. Bei den Aufbau-Studiengängen ist es natürlich dann teilweise so, dass fertige sagen wir Diplomingenieure in ihrer Berufserfahrung merken, dass ein spezielles Gebiet wichtig ist und dann eben beispielsweise noch effizientes Bauen und Sanieren oder Ähnliches dazu studieren.
Timm: Trotzdem ist die Anzahl ja erschlagend, und sprachlich fühlt man sich oft wie im Werbebereich, besonders eben bei den weiterführenden Angeboten. Einzigartig international oder doch wenigstens interdisziplinär, das muss schon sein, und das wird sehr werbewirksam herausgekehrt. Ist das nötig, um all die Studienplätze zu besetzen? Gibt es plötzlich zu viel?
Amann: Es gibt sicherlich einen Wettbewerb zwischen den Universitäten. Ich glaube nicht unbedingt, dass es zu viele Studienplätze gibt, vielmehr ist es wohl ein Wettbewerb um die besten Köpfe. Es geht also auch darum, die High Potentials sozusagen an die eigene Universität zu locken, denn schließlich sind dann die fertigen ausgebildeten Studenten auf dem Arbeitsmarkt auch wieder ein Aushängeschild für ihre Universität. Und jede Universität möchte dann also auch von sehr guten Leuten, die da repräsentiert werden, die dann im besten Fall zu ihrem Renommee wiederum beitragen.
Timm: Dann kommen wir mal zu so einer Zusatzqualifikation. Wenn zum Beispiel ein angewandter Humangeograf kommt, ist das gezielt auf einen potenziellen Arbeitsmarkt zugeschnitten oder gucken die Firmen dann genauso erstaunt wie ich?
Amann: Ja, das ist jetzt natürlich schon ein sehr spezieller Studiengang, wo man sich ja auch als Laie kaum mehr vorstellen kann, was tatsächlich die Lehrinhalte sind. Also ich jedenfalls würde mich da jetzt schwertun zu sagen, worum es geht. Ich glaube, im Allgemeinen kann man da ganz schwer Aussagen machen. Letzten Endes vermute ich schon, dass die Universitäten sich dabei was überlegt haben und auch ein Konzept haben, das arbeitsmarkttauglich ist. Es geht ja letzten Endes nicht nur um einen Wettbewerb um die Studenten, sondern auch wieder um staatliche Mittel, also um finanzielle Mittel, die vergeben werden, nicht nur im Rahmen der Exzellenzinitiative, sondern eben auch um die regulären staatlichen Mittel, die verteilt werden. Und dabei spielt natürlich auch das Profil der Universität eine Rolle und das Profil des Fachbereichs.
Timm: Also gut, hoffen wir, dass der angewandte Humangeograf beste Chancen hat. Aber wie soll denn ein Student herausfinden, ob ein ungewöhnlich klingendes Fach wirklich was Neues bietet oder ob man Bekanntes zusammenrührt? Also zum Beispiel den Bioinformatiker aus Biologie, Informatik und ein bisschen Physik.
Amann: Vielleicht kann ein Anhaltspunkt die Akkreditierung eines Studiengangs sein. Also im ganzen Bologna-Prozess und in dieser Schaffungsphase von vielen neuen Studiengängen gibt es ja verschiedene Agenturen, die tatsächlich akkreditieren, die dann eben noch mal prüfen, ist das denn sinnvoll, was die Universitäten da machen. Interessant ist natürlich auch die Frage, ob jetzt solche neuen Studiengänge eingeführt werden, nachdem die existierenden klassischen Studiengänge in der Fakultät vielleicht einen Rückgang von Einschreibungszahlen zu verzeichnen haben. Also das wäre jetzt wieder eher eine These, die diese neue Kreation als Marketingmaßnahme wahrscheinlicher machen würde.
Timm: Böse These, dann ist der Bioinformatiker eine Zusammenlegung aus drei wenig frequentierten Studien?
Amann: Eventuell, es kommt ja drauf an. Ich meine, manchmal ist es vielleicht einfach so, dass einfach schon im Titel sozusagen die Spezialisierung, die der Fachbereich sowieso hat, nur einfach deutlich wird und somit auch eigentlich transparenter. Das würde also heißen, es wird eigentlich leichter gemacht zu sehen, was wird letzten Endes unterrichtet. Als Beispiel, ich unterrichte ja selbst auch an der TU München, und da haben wir den Studiengang TUM-BWL, wobei TUM hier nicht für TU München steht, sondern für "Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre".
Timm: Klingt auch gut.
Amann: Ja, genau. Da werden also Betriebswirte ausgebildet, die auch im Kern Betriebswirte sind. Zusätzlich haben die aber eine Technikspezialisierung. Also die wählen aus verschiedenen Fächern – Maschinenbau, Chemie beispielsweise – noch ihr Technikfach dazu mit dem Ziel, dass sie dann später im Unternehmen als Manager tätig sein können und dann also aber auch gut mit den Ingenieuren dort kommunizieren können, weil sie die gleiche Sprache sprechen und eben auch Ahnung von deren Inhalten haben.
Timm: Sie hören das "Radiofeuilleton", und wir sprechen mit der Bildungsökonomin Carolin Amann über das Für und Wider von verwirrend spezialisierten Studiengängen. Frau Amann, wenn ein Betriebswirt Coffee-Management oben drauf setzt oder jemand Gesundheitserziehung studiert, dann ist klar, was er oder sie möchte, dann gibt es ein Ziel. Das wollte man auch erreichen. Die Studienabbrecherquote in weniger speziell ausgerichteten Massenfächern, die ist erschreckend. Sie sind Bildungsökonomin. Wo liegt denn für Sie die Grenze, mit der man die universitäre Bildung der reinen Ökonomie auch opfert?
Amann: Na ja, aus ökonomischer Perspektive ist es natürlich wünschenswert, arbeitsmarktrelevante Studieninhalte zu vermitteln und somit auch die Beschäftigungsbefähigung der Absolventen tatsächlich zu erreichen. Also nicht für die reine Freude auszubilden, sondern wirklich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Wenn sich ein Studienanfänger tatsächlich schon im Klaren darüber ist, welchen Beruf er ausüben möchte und dementsprechend ein Studium wählt, das ihn dorthin auch führt, dann ist das sicherlich sehr wünschenswert. Aus der Sicht der Universität ist die Frage etwas schwieriger zu beantworten und es ist fast eine hochschulpolitische oder auch philosophische Frage. Es gibt ja immer noch den Grundsatz von der Freiheit von Forschung und Lehre.
Timm: Es gab mal Humboldt.
Amann: Genau. Andererseits kann man natürlich auch die Hochschule als Dienstleister begreifen, die ja eben für die Ausbildung des akademischen Nachwuchses zuständig ist. Ideal wäre dann vermutlich ein Zusammenspiel von beidem. Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Wenn ein Fachbereich tatsächlich gute Forschungsarbeit leistet, dann ist die ja deswegen gut, weil sie praxisrelevant ist und von gesellschaftlichem und/oder ökonomischem Interesse. Das heißt also, wenn die Studenten schon in diese Forschung mit eingebunden werden können, im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder auch Praktika oder Projektstudien, dann werden diese Kompetenzen gleichzeitig den Studierenden vermittelt und so also eine praxistaugliche Ausbildung tatsächlich geführt.
Timm: Jetzt frage ich noch mal andersrum: Sieht die Bildungsökonomin Carolin Amann die beiden Bereiche ihres Titels Bildung und Ökonomie sorgfältig genug ausbalanciert?
Amann: Ja, das würde ich schon sagen. Ich meine, ich bin ja von meiner Ausbildung her Mathematikerin, ich habe Finanz- und Wirtschaftsmathematik studiert und habe also eigentlich so, sage ich mal, erst mal ein analytisches Instrumentarium erlernt, das ich jetzt versuche anzuwenden auf praxisnahe Fragen.
Timm: Also Sie machen sich um die Bildung nicht so viel Sorgen im Moment?
Amann: Also ich glaube, dass die Qualität der Lehre in den Hochschulen in Deutschland recht gut ist, da mache ich mir relativ wenig Sorgen.
Timm: Kann man denn schon sagen, ob die spezialisierten Abschlüsse förderlich oder hinderlich bei der Arbeitsplatzsuche sein werden? Bachelor und Master gibt es ja noch nicht lange?
Amann: Ja, da muss man sicherlich die ersten empirischen Ergebnisse abwarten. Also die Fachbereiche oder die Fakultäten beobachten ja auch ihre Absolventen im Rahmen von Befragungen, sodass dann auch beobachtet wird, was sind die Einstiegsgehälter von den Absolventen, finden die schnell einen Arbeitsplatz, finden sie überhaupt einen? Und da wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis man tatsächlich verlässliche Aussagen treffen kann, natürlich auch abhängig von der jeweiligen konjunkturellen Lage.
Timm: Frau Amann, spezialisiert hat man sich im Laufe eines Studiums immer. Ist der Wechsel eigentlich heute schwieriger geworden? Früher konnte man innerhalb desselben Studiengangs die Richtung wechseln. Wenn es einem Biologen bei den Vögeln nicht gefiel, dann ging er vielleicht zu den Fischen. Muss man heute, wo es nach dem Bachelor als weiterführend den Master gibt, eigentlich dann einen komplett neuen Studiengang beginnen, oder wie geht das?
Amann: Eventuell muss man das dann, wenn man sich wirklich geirrt hat. Insgesamt glaube ich, dass es einfacher geworden ist zu wechseln, hauptsächlich geht es im Bologna-Prozess ja auch um die Freizügigkeit, das heißt also, zunächst mal war da primär das Ziel, innerhalb des gleichen Studiengangs die Orte wechseln zu können. In diesem Zuge wurde ein europäisch vergleichbares Kreditpunktesystem für die erbrachten Leistungen eingeführt. Das heißt, diese Leistung kann dann an anderen Universitäten recht leicht anerkannt werden, sofern dort die Lehrveranstaltung in Umfang und Inhalt äquivalent ist. Insgesamt ist es, glaube ich, leichter geworden. Das könnte sich auch auswirken, wenn man tatsächlich jetzt den Schwerpunkt wechselt und vielleicht einen anderen Master. Wenn es da gewisse ähnliche Module gibt, dann gibt es da sicher Möglichkeiten, das anzurechnen.
Timm: Also ich habe, als ich Ihnen zuhörte, eben nicht alles verstanden. Wenn ich das zusammenfasse: Es bleibt verwirrend, aber es geht ein Ariadnefaden irgendwo durch und man hat eine Chance, ihn zu finden. Habe ich das so halbwegs auf den Punkt gebracht?
Amann: Ja, ich denke schon. Es ist die Bestrebung da, zu vereinheitlichen und die Leistungen zwischen verschiedenen Universitäten vergleichbar zu machen.
Timm: Carolin Amann sprach mit uns über das Für und Wider spezialisierter Bildungswege, und wir wünschen den angewandten Humangeografen und allen übrigen alles Gute und bedanken uns für dieses Gespräch.
Amann: Ich bedanke mich bei Ihnen für die Einladung.
Carolin Amann: Guten Tag, vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.
Timm: Frau Amann, wie kommt es zu so vielen scheinbar oder auch tatsächlich verschiedenen Angeboten?
Amann: Es gab natürlich in den traditionellen Studiengängen früher auch schon Spezialisierungen, die dann spätestens im Hauptstudium erkenntlich geworden sind, nur hat man das eben am erworbenen Titel nicht zwingend gesehen. Jetzt ist es natürlich so: Bei den zahlreichen Angeboten von Master-Studiengängen, da muss man auch unterscheiden, ist das jetzt ein Aufbau-Studiengang oder ist es ein konsekutiver Master-Studiengang, der also direkt an ein Bachelor-Studium anschließt, also die universitäre Erstausbildung darstellt. Bei den Aufbau-Studiengängen ist es natürlich dann teilweise so, dass fertige sagen wir Diplomingenieure in ihrer Berufserfahrung merken, dass ein spezielles Gebiet wichtig ist und dann eben beispielsweise noch effizientes Bauen und Sanieren oder Ähnliches dazu studieren.
Timm: Trotzdem ist die Anzahl ja erschlagend, und sprachlich fühlt man sich oft wie im Werbebereich, besonders eben bei den weiterführenden Angeboten. Einzigartig international oder doch wenigstens interdisziplinär, das muss schon sein, und das wird sehr werbewirksam herausgekehrt. Ist das nötig, um all die Studienplätze zu besetzen? Gibt es plötzlich zu viel?
Amann: Es gibt sicherlich einen Wettbewerb zwischen den Universitäten. Ich glaube nicht unbedingt, dass es zu viele Studienplätze gibt, vielmehr ist es wohl ein Wettbewerb um die besten Köpfe. Es geht also auch darum, die High Potentials sozusagen an die eigene Universität zu locken, denn schließlich sind dann die fertigen ausgebildeten Studenten auf dem Arbeitsmarkt auch wieder ein Aushängeschild für ihre Universität. Und jede Universität möchte dann also auch von sehr guten Leuten, die da repräsentiert werden, die dann im besten Fall zu ihrem Renommee wiederum beitragen.
Timm: Dann kommen wir mal zu so einer Zusatzqualifikation. Wenn zum Beispiel ein angewandter Humangeograf kommt, ist das gezielt auf einen potenziellen Arbeitsmarkt zugeschnitten oder gucken die Firmen dann genauso erstaunt wie ich?
Amann: Ja, das ist jetzt natürlich schon ein sehr spezieller Studiengang, wo man sich ja auch als Laie kaum mehr vorstellen kann, was tatsächlich die Lehrinhalte sind. Also ich jedenfalls würde mich da jetzt schwertun zu sagen, worum es geht. Ich glaube, im Allgemeinen kann man da ganz schwer Aussagen machen. Letzten Endes vermute ich schon, dass die Universitäten sich dabei was überlegt haben und auch ein Konzept haben, das arbeitsmarkttauglich ist. Es geht ja letzten Endes nicht nur um einen Wettbewerb um die Studenten, sondern auch wieder um staatliche Mittel, also um finanzielle Mittel, die vergeben werden, nicht nur im Rahmen der Exzellenzinitiative, sondern eben auch um die regulären staatlichen Mittel, die verteilt werden. Und dabei spielt natürlich auch das Profil der Universität eine Rolle und das Profil des Fachbereichs.
Timm: Also gut, hoffen wir, dass der angewandte Humangeograf beste Chancen hat. Aber wie soll denn ein Student herausfinden, ob ein ungewöhnlich klingendes Fach wirklich was Neues bietet oder ob man Bekanntes zusammenrührt? Also zum Beispiel den Bioinformatiker aus Biologie, Informatik und ein bisschen Physik.
Amann: Vielleicht kann ein Anhaltspunkt die Akkreditierung eines Studiengangs sein. Also im ganzen Bologna-Prozess und in dieser Schaffungsphase von vielen neuen Studiengängen gibt es ja verschiedene Agenturen, die tatsächlich akkreditieren, die dann eben noch mal prüfen, ist das denn sinnvoll, was die Universitäten da machen. Interessant ist natürlich auch die Frage, ob jetzt solche neuen Studiengänge eingeführt werden, nachdem die existierenden klassischen Studiengänge in der Fakultät vielleicht einen Rückgang von Einschreibungszahlen zu verzeichnen haben. Also das wäre jetzt wieder eher eine These, die diese neue Kreation als Marketingmaßnahme wahrscheinlicher machen würde.
Timm: Böse These, dann ist der Bioinformatiker eine Zusammenlegung aus drei wenig frequentierten Studien?
Amann: Eventuell, es kommt ja drauf an. Ich meine, manchmal ist es vielleicht einfach so, dass einfach schon im Titel sozusagen die Spezialisierung, die der Fachbereich sowieso hat, nur einfach deutlich wird und somit auch eigentlich transparenter. Das würde also heißen, es wird eigentlich leichter gemacht zu sehen, was wird letzten Endes unterrichtet. Als Beispiel, ich unterrichte ja selbst auch an der TU München, und da haben wir den Studiengang TUM-BWL, wobei TUM hier nicht für TU München steht, sondern für "Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre".
Timm: Klingt auch gut.
Amann: Ja, genau. Da werden also Betriebswirte ausgebildet, die auch im Kern Betriebswirte sind. Zusätzlich haben die aber eine Technikspezialisierung. Also die wählen aus verschiedenen Fächern – Maschinenbau, Chemie beispielsweise – noch ihr Technikfach dazu mit dem Ziel, dass sie dann später im Unternehmen als Manager tätig sein können und dann also aber auch gut mit den Ingenieuren dort kommunizieren können, weil sie die gleiche Sprache sprechen und eben auch Ahnung von deren Inhalten haben.
Timm: Sie hören das "Radiofeuilleton", und wir sprechen mit der Bildungsökonomin Carolin Amann über das Für und Wider von verwirrend spezialisierten Studiengängen. Frau Amann, wenn ein Betriebswirt Coffee-Management oben drauf setzt oder jemand Gesundheitserziehung studiert, dann ist klar, was er oder sie möchte, dann gibt es ein Ziel. Das wollte man auch erreichen. Die Studienabbrecherquote in weniger speziell ausgerichteten Massenfächern, die ist erschreckend. Sie sind Bildungsökonomin. Wo liegt denn für Sie die Grenze, mit der man die universitäre Bildung der reinen Ökonomie auch opfert?
Amann: Na ja, aus ökonomischer Perspektive ist es natürlich wünschenswert, arbeitsmarktrelevante Studieninhalte zu vermitteln und somit auch die Beschäftigungsbefähigung der Absolventen tatsächlich zu erreichen. Also nicht für die reine Freude auszubilden, sondern wirklich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Wenn sich ein Studienanfänger tatsächlich schon im Klaren darüber ist, welchen Beruf er ausüben möchte und dementsprechend ein Studium wählt, das ihn dorthin auch führt, dann ist das sicherlich sehr wünschenswert. Aus der Sicht der Universität ist die Frage etwas schwieriger zu beantworten und es ist fast eine hochschulpolitische oder auch philosophische Frage. Es gibt ja immer noch den Grundsatz von der Freiheit von Forschung und Lehre.
Timm: Es gab mal Humboldt.
Amann: Genau. Andererseits kann man natürlich auch die Hochschule als Dienstleister begreifen, die ja eben für die Ausbildung des akademischen Nachwuchses zuständig ist. Ideal wäre dann vermutlich ein Zusammenspiel von beidem. Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Wenn ein Fachbereich tatsächlich gute Forschungsarbeit leistet, dann ist die ja deswegen gut, weil sie praxisrelevant ist und von gesellschaftlichem und/oder ökonomischem Interesse. Das heißt also, wenn die Studenten schon in diese Forschung mit eingebunden werden können, im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder auch Praktika oder Projektstudien, dann werden diese Kompetenzen gleichzeitig den Studierenden vermittelt und so also eine praxistaugliche Ausbildung tatsächlich geführt.
Timm: Jetzt frage ich noch mal andersrum: Sieht die Bildungsökonomin Carolin Amann die beiden Bereiche ihres Titels Bildung und Ökonomie sorgfältig genug ausbalanciert?
Amann: Ja, das würde ich schon sagen. Ich meine, ich bin ja von meiner Ausbildung her Mathematikerin, ich habe Finanz- und Wirtschaftsmathematik studiert und habe also eigentlich so, sage ich mal, erst mal ein analytisches Instrumentarium erlernt, das ich jetzt versuche anzuwenden auf praxisnahe Fragen.
Timm: Also Sie machen sich um die Bildung nicht so viel Sorgen im Moment?
Amann: Also ich glaube, dass die Qualität der Lehre in den Hochschulen in Deutschland recht gut ist, da mache ich mir relativ wenig Sorgen.
Timm: Kann man denn schon sagen, ob die spezialisierten Abschlüsse förderlich oder hinderlich bei der Arbeitsplatzsuche sein werden? Bachelor und Master gibt es ja noch nicht lange?
Amann: Ja, da muss man sicherlich die ersten empirischen Ergebnisse abwarten. Also die Fachbereiche oder die Fakultäten beobachten ja auch ihre Absolventen im Rahmen von Befragungen, sodass dann auch beobachtet wird, was sind die Einstiegsgehälter von den Absolventen, finden die schnell einen Arbeitsplatz, finden sie überhaupt einen? Und da wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis man tatsächlich verlässliche Aussagen treffen kann, natürlich auch abhängig von der jeweiligen konjunkturellen Lage.
Timm: Frau Amann, spezialisiert hat man sich im Laufe eines Studiums immer. Ist der Wechsel eigentlich heute schwieriger geworden? Früher konnte man innerhalb desselben Studiengangs die Richtung wechseln. Wenn es einem Biologen bei den Vögeln nicht gefiel, dann ging er vielleicht zu den Fischen. Muss man heute, wo es nach dem Bachelor als weiterführend den Master gibt, eigentlich dann einen komplett neuen Studiengang beginnen, oder wie geht das?
Amann: Eventuell muss man das dann, wenn man sich wirklich geirrt hat. Insgesamt glaube ich, dass es einfacher geworden ist zu wechseln, hauptsächlich geht es im Bologna-Prozess ja auch um die Freizügigkeit, das heißt also, zunächst mal war da primär das Ziel, innerhalb des gleichen Studiengangs die Orte wechseln zu können. In diesem Zuge wurde ein europäisch vergleichbares Kreditpunktesystem für die erbrachten Leistungen eingeführt. Das heißt, diese Leistung kann dann an anderen Universitäten recht leicht anerkannt werden, sofern dort die Lehrveranstaltung in Umfang und Inhalt äquivalent ist. Insgesamt ist es, glaube ich, leichter geworden. Das könnte sich auch auswirken, wenn man tatsächlich jetzt den Schwerpunkt wechselt und vielleicht einen anderen Master. Wenn es da gewisse ähnliche Module gibt, dann gibt es da sicher Möglichkeiten, das anzurechnen.
Timm: Also ich habe, als ich Ihnen zuhörte, eben nicht alles verstanden. Wenn ich das zusammenfasse: Es bleibt verwirrend, aber es geht ein Ariadnefaden irgendwo durch und man hat eine Chance, ihn zu finden. Habe ich das so halbwegs auf den Punkt gebracht?
Amann: Ja, ich denke schon. Es ist die Bestrebung da, zu vereinheitlichen und die Leistungen zwischen verschiedenen Universitäten vergleichbar zu machen.
Timm: Carolin Amann sprach mit uns über das Für und Wider spezialisierter Bildungswege, und wir wünschen den angewandten Humangeografen und allen übrigen alles Gute und bedanken uns für dieses Gespräch.
Amann: Ich bedanke mich bei Ihnen für die Einladung.