West-östliche Wirtschaftswelt

Wie Adler und Drachen Geschäfte machen

Etwa 20 Arbeiterinnen konzentrieren sich an einem langen Tisch auf ihre Nähmaschinen.
Der chinesische Markt ist auch für deutsche Unternehmen attraktiv. © dpa / picture alliance / Xie Zhengyi
Von Gaby Mayr · 28.07.2015
In China brechen aktuell die Aktienkurse ein, das Land ist aber immer noch ein Big Player in der Weltwirtschaft. Seit Jahren drängen deutsche Großunternehmen auf den chinesischen Markt. Chinesische Unternehmen werden aber auch in Deutschland immer aktiver.
"Wir sind, wenn ich das so sagen darf, die älteste deutsche Firma im Chinahandel – also seit 1866."
Matthias Claussen ist Geschäftsführender Gesellschafter beim Handelshaus Melchers in Bremen.
"Damals beschäftigten wir uns ausschließlich mit dem Import chinesischer Produkte, also alles Naturprodukte. Der Export von hier in Richtung China ist erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen und befasste sich damals zunächst mit einfachen Konsumgütern, also zum Beispiel Petroleumlaternen, Uhren, solche Dinge. Und ist heute ein Handel mit Maschinenbau, Investitionsgütern. Mit Packmaterialen, insbesondere für die Pharmaindustrie, Aluminium. Aber inzwischen auch wieder Konsumgüter, aber heute hochwertige, Luxuskonsumgüter würde man sagen."
Melchers hat seinen Sitz in bester Bremer Innenstadtlage. Matthias Claussens Arbeitszimmer ist nicht besonders groß, aber von seinem Schreibtisch hat er einen schönen Blick auf die Weser. An den Wänden hängen Porträts von Altvorderen aus der Firmengeschichte – und ein Bild von Andy Warhol: Parteivorsitzender Mao mit knallroten Lippen. Das Handelshaus hat Chinas wechselvolle Geschichte hautnah erlebt – und dabei immer versucht, im Geschäft zu bleiben. Es organisiert den Export für mittelständische deutsche Unternehmen, die Waren nach China liefern, aber es sich nicht leisten können, ein eigenes Vertriebsnetz dort aufzubauen. Und man erledigt noch mehr:
"Eben auch die Lagerhaltung, die Ersatzteilbevorratung, all diese Dinge machen wir durch unsere Infrastruktur vor Ort für den hiesigen Produzenten."
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (l, SPD) trifft den chinesischen Minister für Industrie und Informationstechnologie (MIIT), Miao Wei, am 14.07.2015 in Peking.
Zuletzt warb Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (l, SPD) im Juli beim Besuch in Peking für noch engere Wirtschaftsbeziehungen mit China.© Andreas Landwehr/dpa
Melchers macht heute rund die Hälfte seines Umsatzes im Chinageschäft. Das liegt natürlich an der bedeutenden Rolle, die der Chinahandel für die deutsche Wirtschaft mittlerweile spielt: 2014 lieferten deutsche Firmen Waren im Wert von rund 75 Milliarden Euro in das ostasiatische Land. Damit steht China an vierter Stelle bei den deutschen Ausfuhren, hinter Frankreich, den USA und Großbritannien. Der Import chinesischer Produkte nach Deutschland liegt ebenfalls bei 75 Milliarden Euro, die Handelsbilanz ist also ausgeglichen. Kaufmann Mattias Claussen nennt noch einen weiteren Grund, warum sein Chinageschäft für Melchers so gut läuft:
"China hat natürlich seine Eigenheiten und auch seine kulturellen Besonderheiten. Wenn es wesentlich leichter geworden wäre in den letzten Jahrzehnten, in China Geschäfte zu machen, dann wäre unsere Funktion nicht verschwunden, aber unbedeutender geworden. Das ist aber nicht so."
Kontakte nach China seit den 1970er-Jahren
Die Sprache, die Schriftzeichen, die Organisation der Wirtschaft, die Bedeutung von Verträgen und von privaten Kontakten – in China ist manches anders als in Deutschland. Rund um die Bremer Universität haben sich Hochtechnologie-Unternehmen angesiedelt. Hierher ist auch Christoph Weiss mit seiner Firma BEGO aus der Innenstadt gezogen – das Unternehmen brauchte mehr Platz. In der modernen Produktionshalle wird hochwertiger Zahnersatz maschinell gefertigt – Kronen, Brücken, Implantate. Weiss führt das Unternehmen in fünfter Generation.
In den 1970er-Jahren begann Christoph Weiss´ Vater, Kontakte nach China zu knüpfen, auch mit Hilfe des Handelshauses Melchers. Als 25- Jähriger war Christoph Weiss zum ersten Mal alleine in Ostasien unterwegs:
"Ich bin dann selber 1990 mit dem Rucksack durch China gereist, war danach in Hongkong, hab in Hongkong meine Frau kennen gelernt. Meine Frau ist Chinesin, so bin ich ein bisschen mit der Kultur auch verbunden, und bin jedes Jahr mehrfach in China, bin auch gerne in China. Man muss sich auch natürlich für die Menschen interessieren."
Da sind sich alle einig, die mit Chinesen und Chinesinnen Geschäfte machen wollen: Verträge sind wichtig – aber wirklich entscheidend für das Gelingen ist der menschliche Kontakt.
"Wir haben über die Jahre, die wir jetzt unsere Partner haben, eben auch sehr enge Beziehungen aufgebaut. Das ist immer ein Geben und ein Nehmen, und sicherlich ist hilfreich, dass meine Frau eben auch die Sprache, beide Sprachen, Mandarin und Kantonesisch, sehr gut spricht, und natürlich auch dann unsere Partner sehr gut einschätzen kann."
Christoph Weiss sitzt ohne Jackett beim Interview, aber die Krawatte bleibt auf jeden Fall. Immer wieder rückt er sie zurecht. Bremer Kaufmänner stehen in dem Ruf, konservativ zu sein. Einerseits. Andererseits: Wer mit China Geschäfte machen will, muss sich auf ständige Veränderungen einstellen.
"Mein erster Besuch in Peking damals, da war ich in einer Jugendherberge der Universität untergebracht, das war alles nur auf Chinesisch, und wenn man morgens auf die Straße ging, gab´s Tausende Fahrradfahrer. Innerhalb von drei Jahren danach wurde so eine Art Verkehrsautoknotenpunkt direkt an dieser Unterkunft gebaut. Ich hab das nicht wiedererkannt, schon in drei Jahren. Die Geschwindigkeit für solche Sachen ist in China deutlich größer als hier. Das ist gar nicht vergleichbar."
Auch die Menschen haben sich verändert – jedenfalls in den zahlreichen Metropolen des Landes. Zwei- bis vierhundert Millionen Chinesinnen und Chinesen gehören nach Schätzungen heute zur Mittelschicht. Sie sind gut ausgebildet, arbeiten meist viel und streben an, was sie – nicht selten bei ihren Auslandsaufenthalten – als westliches Konsummodell kennen gelernt haben. Ein Drittel der weltweit konsumierten Luxusgüter und ein Viertel aller Autos werden heute von der chinesischen Mittelschicht gekauft. Auch die Geschäftspartner von Christoph Weiss haben sich geändert:
"Früher war das schon exotisch, wenn man jemand getroffen hat, der Englisch sprach. Ich treffe immer häufiger auf hervorragend ausgebildete Gesprächspartner, die teilweise in Amerika ihren Bachelor, Master gemacht haben, die in Amerika gearbeitet haben, die dann zurück kommen nach China, die hervorragend ausgebildet sind, die westlich orientiert sind, die unsere Kultur sehr gut kennen – das hat´s früher so nicht gegeben."
Als Hersteller von Zahnersatz hat Weiss mit großen – meist privat geführten – Dentallaboren und mit – meist staatlichen – Krankenhäusern zu tun. So lernt der Bremer Unternehmer alle möglichen, momentan in China praktizierten Wirtschaftsformen kennen:
"Es gibt also vielleicht auch das Parteimitglied, der dann die Entscheidungen trifft für irgendwelche Beschaffungsvorgänge, wie zum Beispiel in Russland, wo ja oftmals der Einkäufer für staatliche Strukturen Materialien kauft, von denen er nichts versteht. Und dann gibt´s natürlich auch den Unternehmerkollegen, der auch mit einem authentischen Interesse an der Gesundheit der Chinesen einkaufen möchte."
Die chinesische Wirtschaft begann sich in den 1980er Jahren zu öffnen – für Christoph Weiss eine bemerkenswerte Leistung, gerade auch wegen Chinas Geschichte:
"Die letzten 200 Jahre, kann man fast sagen, waren für die Chinesen immer problematisch."
Europäische Mächte und Japan kolonisierten das Land. Chinesische Parteien kämpften gegeneinander und gegen die eigene Bevölkerung. Dann vor 30 Jahren die Öffnung. Als Symbol für ein neu erwachtes Selbstbewusstsein der Chinesen hat Christoph Weiss die Olympischen Spiele 2008 erlebt. Er war damals bei der Eröffnung dabei. Hat er es jetzt schwerer? Lassen seine Gesprächspartner ihn spüren, dass sie zur Weltwirtschaftsmacht Nummer 1 aufgestiegen sind?
"Also ich spüre jetzt keine Arroganz, das habe ich noch nicht erlebt, aber natürlich, es gibt Selbstbewusstsein, und das ist ja auch richtig."
Die Begeisterung des agilen Unternehmers für China ist unüberhörbar. Aber das Geschäft mit der ostasiatischen Wirtschaftsmacht ist für deutsche Firmen kein Selbstläufer. Unternehmerverbände versuchen deshalb, ihre Mitglieder auf den attraktiven Markt vorzubereiten. Und mit falschen Vorstellungen aufzuräumen – zum Beispiel von China als Billiglohnland, das minderwertige Produkte herstellt. Die Handelskammer Bremen hat Anfang Juli einen South China Day veranstaltet – Südchina ist das ökonomische Zentrum des Landes. Oliver Regner ist Repräsentant der Deutschen Auslandshandelskammer in Südchina. Rund 5000 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen im Land. Die Auslandshandelskammer veranstaltet unter ihren Mitgliedern jährliche Umfragen über Probleme, denen deutsche Unternehmen in China ausgesetzt sind. Das Ergebnis der Befragung, sagt Regner, sei seit Jahren das Gleiche:
"Über Jahre hinweg, und das wird sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern, sind die mit Personalthemen verbundenen Herausforderungen die größten, das ist: Wie bekomme ich gutes Personal? Wie kann ich es halten? Und wie kann ich es bezahlen angesichts eben auch steigender Löhne?"
Schweinedärme von Doktor Chen
Unter den Teilnehmern der Handelskammer-Veranstaltung sind auch einige Chinesinnen und Chinesen. Darunter ein Herr im kurzärmligen, karierten Hemd, der sehr konzentriert zuhört: Tielong Chen, seit über 20 Jahren Unternehmer in Bremen. In den 1980er-Jahren kam er als Student der Biologie und Chemie in die Hansestadt. Statt in der Wissenschaft zu bleiben, wie es eigentlich geplant war, nutzte Doktor Chen die wirtschaftliche Liberalisierung in seiner Heimat und gründete ein Unternehmen – die CLW Handels GmbH:
"Dann habe ich gedacht, ich fühle Kraft, noch was Neues zu machen. Der Zeitpunkt war günstig für mich, oder für jeden, der was von allein machen will."
Doktor Chens Firma handelt mit Naturdärmen. Das Unternehmen agiert international: Schweinedärme bezieht die Firma aus chinesischen Schlachthöfen, Schafdärme gerne aus Neuseeland. Auch aus den Schlachthöfen in Düsseldorf und Bremen kommt der tierische Rohstoff. Die Därme werden gereinigt, aufbereitet und als Wurstpellen an Wurstfabriken in Europa verkauft. Im chinesischen Hebei betreibt CLW eine Produktionsstätte:
"Wir haben im Jahr 1996 ein Joint Venture in China gemacht, und da beschäftigen wir zirka 800 Mitarbeiter. Die sortieren überwiegend die Schweine- und Schafdärme."
Die Firmenzentrale ist ein einstöckiges Gebäude in einem Bremer Gewerbegebiet. Auch hier wird an den Wurstpellen gearbeitet: In einem bis unter die Decke weiß gefliesten Raum stehen Metalltische, auf einem türmt sich ein Haufen blasser Pellen wie Riesenkondome: gereinigte Naturdärme. Mit einer Art Staubsauger wird jeder Darm einzeln angesaugt und auf diese Weise gewendet. Firmenchef Chen, in weißer Laborkleidung, erklärt das Reinigungsverfahren:
"Wir brauchen kein Wasser, keine Chemie, nur ein bisschen Strom mit Luft."
Nach vielen Jahren als Wurstpellenfabrikant in Bremen und China kennt Tielong Chen sich aus mit den Unterschieden in der Fabrikarbeitswelt:
"Die Deutschen sind zuverlässiger als die normalen chinesischen Angestellten."
Unternehmer Chen bezahlt seinen Angestellten in China deutlich mehr als vor zwanzig Jahren – Gruppenleiter verdienen bis zu 1000 Euro monatlich, einfache Arbeitskräfte fünf- bis 600 Euro. Häufig anfallende Überstunden werden nicht extra bezahlt. Fest angestellte Beschäftigte sind krankenversichert. Trotzdem ist man in Hebei anders krank als in Bremen, erzählt Tielong Chen:
"Wenn man hustet oder Kopfschmerzen hat oder Bauchschmerzen hat, da hält man durch."
Tielong Chen ist kein Einzelfall mehr. Allein im Land Bremen haben sich mittlerweile rund 150 chinesische Unternehmen angesiedelt – davon über 40 in den letzten vier Jahren, mit Investitionen von mehr als 17 Millionen Euro. Es sind meist kleine Firmen, oft Handelsunternehmen und Repräsentanzen – aber immerhin schlagen 180 Arbeitsplätze zu Buche.
Niedersachsen wirbt um ausländische Firmen
Andernorts versucht man auf andere Weise, das Interesse chinesischer Unternehmen zu wecken. Niedersachsen hat keine bedeutende Tradition im Kontinente überspannenden Handel, man kann nicht einmal mit einem international bekannten Fußballklub punkten. Dafür bietet das norddeutsche Bundesland Fortbildung für Entscheider.
Als 1989 der Eiserne Vorhang fiel, gründete die damalige Landesregierung aus CDU und FDP zusammen mit der niedersächsischen Wirtschaft die Deutsche Managementakademie Niedersachsen. Im wuchtigen Celler Schloss, einst Residenz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, bietet die Akademie seitdem Kurse an für ausländische Führungskräfte, in deren Ländern eine Privatwirtschaft neu entsteht – die ersten Teilnehmer kamen aus Russland. Ganz wichtig sind Besuche bei niedersächsischen Unternehmen samt Kontaktanbahnung. Harald Becker, heute Direktor für internationale Beziehungen an der Akademie:
"Das ist die versteckte Agenda, wie es so schön heißt, praxisnahes Wissen, praxisnahe Wissensvermittlung, auch offen und ehrlich auf Fragen antworten, um gleichzeitig sich die Möglichkeit zu eröffnen, in Russland zu investieren, mit russischen Firmen zusammen zu arbeiten. Und wir haben die Agenda erweitert und dann sind wir auch nach China expandiert und haben das gleiche Modell angewendet, was auch heute noch seine Früchte trägt."
"Alle Informationen, die wir aus dem PPS-System runterspielen, kann man in einem Leitstand bündeln…"
Die Kursgebühren bezahlen die Teilnehmenden beziehungsweise ihre Firmen. Peter Hohberger doziert über Industrie 4.0. Zwanzig Führungskräfte der Hebei Jingye Group, einem Stahlunternehmen, folgen den Worten des Hochschullehrers aus Hannover über die digitale Steuerung der Produktion, ein chinesischer Dolmetscher übersetzt.
"Okay, dann würde ich vorschlagen, dass wir in die Pause gehen. Vorgesehen ist eineinhalb Stunden Pause. Brauchen wir die?"
Bei deutschen Teilnehmern würde die Pausenfrage mit Sicherheit auf Resonanz stoßen. Hier im Celler Schloss bleibt alles ruhig. Später erfahre ich, dass der Ranghöchste unter den Teilnehmern die Frage entscheidet. Der Professor hat die passende wissenschaftliche Erklärung parat:
"Die Machtdistanz ist speziell in China sehr hoch. Also salopp gesagt, in China, wenn der Chef sagt: Wir gehen in diese Richtung, dann gehen auch alle in diese Richtung, ohne groß zu fragen, während in Deutschland dann wird erstmal diskutiert und hinterfragt, ob das wirklich die richtige Richtung ist."
Din Qian hat die Bildungsreise nach Celle organisiert. Sie arbeitet für eine Firma, die Auslandsaufenthalte für chinesische Führungskräfte anbietet.
"Wir wissen alle: Bei dem Thema Industrie 4.0, da wollen viele gute chinesische Unternehmen was von Deutschland lernen."
Gao Jing Xian, einer der Stahlwerksmanager, erzählt, sein Unternehmen sei ein hundertprozentiger Privatkonzern.
"In der Stahlindustrie ist die Konkurrenz sehr groß. Wir wollen konkurrenzfähiger sein als alle anderen, und wir wollen diese Hochtechnologie von Deutschland lernen."
Trotz aller Strebsamkeit, Gao Jing Xian verliert auch Anderes nicht aus dem Blick. Das Schloss liegt in einer Gartenanlage, die Celler Fachwerk-Altstadt gleich jenseits des Schlossgrabens:
"Heute Morgen bin ich ganz früh aufgestanden und fast eine Stunde lang spazieren gegangen. Das ist hier ein schönes Land. Die Deutschen arbeiten fleißig, aber sie genießen auch das Leben."
Deutscher Wein in China
Von den lebhaften Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bundesadler und chinesischem Drachen profitieren mittlerweile auch kleine und mittlere Betriebe, und Branchen, die zu Beginn des Jahrtausends kaum an Geschäfte mit der ostasiatischen Wirtschaftsmacht gedacht haben dürften.
Flaschenabfüllung bei der Weinkellerei Kessler-Zink im rheinhessischen Flonheim. Eine endlos scheinende Flaschenreihe durchläuft einen kurvenreichen Maschinenparcours. Die Flaschen werden sterilisiert, gefüllt, mit Etiketten versehen und verschlossen.
"Das ist jetzt Ware für den deutschen Markt, also Inland, deshalb Verschluss mit Drehverschluss. Für den Export nach China wird meistens Kork verwandt..."
...erklärt Geschäftsführer Ingo Stütz. Der Familienbetrieb mit zwei Dutzend Beschäftigten produziert zweieinhalb Millionen Liter Wein pro Jahr. Zehn Prozent der Trauben stammen aus eigenem Anbau, die übrigen 90 Prozent werden zugekauft – von Nachbarwinzern, die nicht selber vermarkten, aber auch aus Italien, Spanien und Frankreich. Abnehmer hat der Großproduzent in vielen Teilen der Welt. Seit über zehn Jahren liefert Ingo Stütz nach China:
"2004 haben wir in Düsseldorf die Messe Prowein besucht, als Aussteller, wie jedes Jahr, und es kam ein chinesischer Kunde an den Messestand und hat gefragt: Möchten Sie Wein nach China verkaufen? Und dann hab ich natürlich gesagt: Klar, warum nicht, wenn wir unser Geld bekommen, dann machen wir das gerne. Und dann hat er gesagt: Ich geb Ihnen gleich einen Auftrag, Sie müssen aber nächste Woche nach Shanghai kommen, dass wir den Vertrag unterschreiben."
Ingo Stütz war erst skeptisch.
"Und dann hab ich trotzdem im Internet mal nachgeschaut, was ein Flug kosten würde, und hab mich ums Visum gekümmert und bin dann tatsächlich 14 Tage später nach Shanghai geflogen. Und dann hat aber tatsächlich alles gut geklappt und wir haben den Auftrag bekommen."
Vor dem Abflug hatte der Geschäftsführer ein paar Bücher gelesen, über chinesische Kultur und wie man sich anzieht, wenn man Geschäftspartner trifft.
"Man sollte dann schon wenn möglich einen dunklen Anzug anhaben. Keine weiße Kleidung, höchstens ein weißes Hemd, also weiße Hose oder weißes Jackett geht gar nicht. Da Weiß Tod bedeutet in China."
China hat eine Jahrtausende alte Weinkultur. Aber die war ein wenig in Vergessenheit geraten. Stattdessen trank man Tee. Und Schnaps. Die großen Mengen einheimischer Trauben wurden vor allem zu Saft verarbeitet. Die neue Mittelschicht sorgt nun für eine Renaissance des Weins. Importweine stehen hoch im Kurs, allen voran französische wie der Bordeaux – und der ist rot.
Die Farbe Rot gilt in China traditionell – also schon vor der Zeit der Kommunisten –
als Zeichen für Freude, Glück und Wohlstand. Edle Tropfen aus dem Ausland wurden zum Statussymbol. Neureiche horteten ausgesuchte Flaschen als Kapitalanlage. Parteifunktionäre und Beamte nahmen Wein gerne als Bestechungsgeschenk und bestückten ihre Festessen mit teuren Flaschen. Die strikte Antikorruptionspolitik hat solchen Praktiken nun den Kampf angesagt.
Chinesische Winzerinnen und Winzer produzieren mittlerweile auch wieder Weine, manche durchaus auf hohem Niveau. Anerkannte Gütesiegel fehlen allerdings bislang.
Wie kam Ingo Stütz nun mit seinem Weißwein bei all der Konkurrenz ins Chinageschäft? Ganz einfach, sagt der Weinunternehmer: Produkte aus Deutschland haben einen guten Ruf. Außerdem profitiert er davon, dass die Angehörigen der neuen bildungsbeflissenen Mittelschicht sich meist gründlich informieren, bevor sie etwas machen: Sei es einen Weinhandel eröffnen oder eine bisher unbekannte Flasche kaufen.
"Und wenn man eine Weinzeitung liest, dann liest man mit Sicherheit zu 99 Prozent irgendwo das Wort Riesling. Und dann sieht man, dass 99 Prozent der besten Rieslinge der Welt aus Deutschland kommen. Und so ist Deutschland dort für Riesling und für Weißwein bekannt."
Andreas Geil, 31 Jahre, ist Winzer in neunter Generation in einem kleinen Familien-Weingut in Monzernheim: Neun Hektar Anbaufläche, das ergibt bis zu 70.000 Flaschen im Jahr. Das Gut liegt an einem engen Sträßchen in dem 600-Einwohner-Ort. Wir sitzen in der Weinstube mit Tischen und Bänken aus hellem Holz.
"In China wird eine Wine City aufgebaut, und es gab eine Ausschreibung sozusagen, und die Betriebe konnten sich bei Interesse melden. Es gab zunächst verschiedene Informationsveranstaltungen, und dann konnte man daraufhin entscheiden: Okay, das macht mir Spaß, oder eben, ich lass es."
Die Wine City in der Provinz Fujian soll eine Art Shopping Mall werden mit einem Schwerpunkt auf Weinverkostung und Weinverkauf plus Hotel und Bürogebäude. Seit 1989 unterhält Rheinland-Pfalz eine Partnerschaft mit Fujian – zunächst hieß das vor allem Kontakt zwischen Universitäten und Kulturaustausch. Inzwischen ist Bernd Wechsler zum Interview in die Weinstube dazu gekommen. Wechsler ist beim staatlichen Dienstleistungszentrum für den ländlichen Raum für Wein zuständig und hat das Projekt Wine City Fujian mit angeschoben.
"Rheinland-Pfalz als das größte Weinbau treibende Bundesland in Deutschland, da lag es auch nahe, dass eben die Chinesen auch diese Kultur, die wir hier in Deutschland haben, diese Weinkultur, gerade auch aus Rheinland-Pfalz, eben über das Produkt kennen lernen. Und über diesen Weg haben wir einen Importeur gefunden, der Interesse daran hatte, rheinland-pfälzischen Wein in Fujian zu vermarkten. So ist das Projekt gestartet."
Wein ist ein weltweit gehandeltes Produkt. 40 Prozent des Weines, erzählt Bernd Wechsler, werde über Ländergrenzen hinweg verkauft. Als Neulinge auf dem chinesischen Markt können Winzer aus Rheinland-Pfalz schon mal vom guten Ruf anderer Produkte aus Deutschland profitieren:
"Wir haben sehr wohl auch schon mal eine Weinverkostung bei einem BMW-Händler gemacht. Wir nutzen diese positiven Imageträger, die deutsche Unternehmen in China haben, um auch das, was wir verkaufen möchten, ein Stück weit aufzuladen."
Rund vierzig Weinbaubetriebe haben sich für das Abenteuer China zusammen gefunden. Für die erste Lieferung hat Andreas Geil 360 Flaschen beigesteuert. Der chinesische Importeur hat von sich aus Vorkasse angeboten. Die Unterstützung durch das Land Rheinland-Pfalz und die Zusammenarbeit mit den Kollegen gefällt Andreas Geil - aber mit einem Augenzwinkern sagt der junge Winzer:
"Also, es ist jetzt nicht so, dass wir den kompletten Vertrieb auf den Export umstellen."
Die Bockenheimer Landstraße 24, mitten im Frankfurter Bankenviertel, ist eine wichtige Adresse für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Adler und Drache.
Hier hat die Bank of China ihren Sitz. Bernd Meist ist einer der beiden Geschäftsleiter der Bank in Deutschland.
"Ich kann weder Chinesisch, noch war ich früher mit der chinesischen Kultur besonders vertraut. Glücklicherweise lernt man das sehr schnell, und im Grunde ist es bei allen Menschen ähnlich: Wenn man mit Respekt miteinander umgeht, passt das schon."
Bank of China in Deutschland
Die Bank of China ist, wie alle chinesischen Banken, in Staatsbesitz. Angefangen hat sie in Deutschland mit 30 Angestellten, das war 1989. Inzwischen sind es 250, Tendenz steigend. Seit November 2014 hat die Bank of China eine Sonderstellung: Sie ist Drehscheibe für Geschäfte in chinesischer Währung.
"Wir bieten in jeder unserer Filialen, also auch in Hamburg, Düsseldorf, Berlin und neuerdings auch München Privatkundengeschäft an, richtig auch mit chinesischer Währung, wenn jemand Renminbi haben möchte, oder Yuan…"
…die chinesische Währung hat zwei Namen…
"...kann er die bei uns tauschen, er kann bei uns ein Konto führen. Die meisten unserer Kunden sind natürlich Chinesen, die in Deutschland leben. Aber wir haben auch deutsche Kunden, die gerne ein Renminbi-Festgeld, aufgrund der Zinssituation, bei uns eröffnen."
Am Mainufer mit Frankfurter Skyline, 2015
In Frankfurt am Main ist die Bank of China sehr aktiv.© Deutschlandradio / Thomas Doktor
Die Bank of China bietet immerhin über zwei Prozent Zinsen für die dreimonatige Anlage – Wechselkursschwankungen allerdings nicht ausgeschlossen. Das Geldhaus präsentiert sich grundsolide: Fast kein Investmentbanking. Und gerne bereit, Kredite zu geben. Für Leute, die in China unterwegs sind, sei es geschäftlich oder privat, ist außerdem von Vorteil...
"...dass wir mehr als 10.000 Filialen in China haben."
Bernd Meists Kollegin Xiaoyan Zhang betont die Sonderstellung der Bank of China:
"Bank of China existiert über 100 Jahre. Früher waren wir die einzige Bank, die Devisen handeln durfte."
Viele Banken in Frankfurt feiern chinesische Neujahrsparty
Xiaoyan Zhang war erstmals 1998 in Frankfurt, danach in allen möglichen Ländern. Letztes Jahr ist sie nach Frankfurt zurück gekommen und jetzt zuständig für Geschäfte mit anderen Banken. Und was ist die schwierigste Aufgabe für das aufstrebende chinesische Bankhaus in Deutschland? Jedenfalls nicht irgendwelche Zahlen!
"Wir müssen eine gemeinsame Unternehmenskultur aufbauen."
Chinesische Angestellte aus China. Chinesische Angestellte, die in Deutschland studiert haben. Und deutsche Angestellte. Banksprachen sind Chinesisch, Deutsch und Englisch – zwei Sprachen sind das Minimum für die Angestellten. Aber was genau heißt gemeinsame Unternehmenskultur?
"Ich geb Ihnen ein ganz, ganz einfaches Beispiel: Wir haben Kollegen, die benutzen Tipp-Ex auf Originalverträgen. Und der Grund dafür war, der Vertrag sollte einfach schöner aussehen."
Xiaoyan Zhang nennt ein anderes Beispiel:
"Bank of China Head Office hat ganz starke Kontrolle über uns im Vergleich zu anderen Finanzinstituten in Deutschland, die haben da mehr Freiheit, aber natürlich manchmal vielleicht auch mehr Risiko. Sachen müssen wir detailliert berichten, alle kleinen Sachen, weil das Head Office hat starke Kontrolle über uns."
Und wie findet die chinesische Bankmanagerin ihren Arbeitsplatz in Frankfurt?
Sie erinnert sich an ihre Anfangszeit.
"Da gab´s nicht viele Chinesen auf der Straße. Jetzt machen viele Banken eine chinesische Neujahrsparty."
Auch aus Sicht des Bremer Kaufmanns Matthias Claussen gibt es Veränderungen: Das Handelshaus Melchers nutzt verstärkt seine Verbindungen nach China, wenn deutsche Unternehmen ihre Firmennachfolge regeln wollen.
"Wir sind typischerweise ein Unternehmen, das solche Unternehmen gerne aufkauft, die keine Nachfolger haben, mittelständisch sind und wo der Inhaber noch die nächsten drei, vier, fünf Jahre mitarbeiten will. Da haben wir also erheblich Erfahrungen, und die können wir auch chinesischen Firmen zum Beispiel weitergeben."
Für Matthias Claussen kommen natürlich nur ganz seriöse Interessenten aus China für die Übernahme deutscher Firmen in Frage.
"Da muss man natürlich auch sehr behutsam mit umgehen, weil natürlich dieser Unternehmer im Regelfall in seinem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld weiter leben will. / F. Stichwort Heuschrecke? / Stichwort Heuschrecke, ja. Die klassische Heuschrecke. Im westlichen Sinne ist ja normalerweise eine, da geht es um Finanzanlagen. Bei chinesischen Heuschrecken geht es eher darum, bestimmtes Produktions- und Prozess-Knowhow hier zu erwerben und vermöge einer solchen Firmenübernahme dann nach China zu transportieren, aber nicht die Absicht zu haben, hier in Deutschland weiter zu produzieren. Das ist der Unterschied zwischen westlichen und östlichen Heuschrecken."
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