Wer wird Karsais Nachfolger?

Von Sandra Petersmann · 05.11.2013
Seit Ende 2001 steht Hamid Karsai als Präsident an der Spitze Afghanistans. Die geplante Wahl im nächsten April wäre die erste demokratische Machtübergabe in der Geschichte des Landes. Doch schon im Vorfeld wurden etliche Kandidaten von einer Kommission aussortiert.
Farhanullah aus Kabul brennt darauf, zum ersten Mal seine Stimme abzugeben. Der 21-Jährige studiert Politikwissenschaften. Er kam im afghanischen Bürgerkrieg zur Welt, wuchs unter den Taliban auf und kennt seit ihrem Sturz nur ein einziges Staatsoberhaupt.

"Diese Wahl entscheidet über unser Schicksal. Ich wünsche mir eine echte afghanische Führung. Ich wünsche mir eine politische Führung, die für die Menschen in Afghanistan arbeitet und überzeugende Ideen und Pläne für die Zukunft hat."

Doch wie sieht eine echte afghanische Führung aus? Seit Ende 2001 steht Hamid Karsai als Präsident an der Spitze des Landes – erst von den Amerikanern installiert, dann zweimal gewählt, doch bei der Wiederwahl 2009 war Fälschung im Spiel. Eine dritte Amtszeit verbietet ihm die Verfassung. Die geplante Wahl im nächsten April wäre die erste demokratische Machtübergabe in der Geschichte des Landes.

"Die wichtigste Aufgabe ist, kraftvoll und aufrichtig für den Frieden zu arbeiten. Wir müssen auch die Korruption bekämpfen. Das wird uns mehr als alles andere dabei helfen, für mehr Sicherheit zu sorgen, den Friedensprozess voranzutreiben und für Qualität in den Bereichen Bildung und Gesundheit zu sorgen. Das hängt ja alles zusammen."

Der Mann, der das sagt, gehört zu den Wahlfavoriten. Es ist Qayum Karsai, der ältere Bruder des noch amtierenden Präsidenten. Vor 2001 betrieb er ein Restaurant in den USA, seit seiner Rückkehr zählt er zu den einflussreichsten Unternehmern Afghanistans. Als weiterer Favorit mit persönlicher Nähe zum Präsidentenpalast gilt Zalmai Rassoul, er war bis vor kurzem noch Hamid Karsais Außenminister.

"Der nächste Präsident muss die herausragende Fähigkeit haben, die Afghanen zu einen. Er sollte als Symbol der Einheit wirken. Das ist die einzige Möglichkeit, das Wahlergebnis für alle akzeptabel zu machen. Die Wahl zu gewinnen, ist die eine Sache, doch das Land zu regieren ist etwas ganz anderes. Es geht darum, die Afghanen zusammenzuhalten, damit die Demokratie wachsen kann."

Der nächste Präsident steht vor einer Herkulesaufgabe. Afghanistan ist weit davon entfernt, befriedet zu sein. Der Westen zieht sich zurück, der Staat ist von Korruption zerfressen und hängt von ausländischen Geldgebern ab, das Misstrauen der Bevölkerung ist groß. Es kommt erschwerend hinzu, dass Afghanistan ein ethnisch zerrissenes Land ist. Die Macht ist regional aufgesplittert und liegt in den Händen von Kriegsfürsten und Clan-Chefs. Sie bestimmen das Wahlverhalten - nicht politische Parteien oder Ideologien. Allianzen sind entsprechend flüchtig.

Zalmai Rassoul war von 2010 bis Oktober 2013 Afghanistans Außenminister
Zalmai Rassoul war von 2010 bis Oktober 2013 Afghanistans Außenminister© dpa / pa / Kumm
Das Feilschen um Ämter ist schon im vollen Gang
Ursprünglich hatten sich knapp 30 Kandidaten für das höchste Staatsamt beworben, darunter eine Frau. Doch die von Präsident Karsai handverlesene Wahlkommission disqualifizierte über die Hälfte der Bewerber, darunter die einzige Frau. Begründungen für jeden einzelnen Fall blieb die Kommission schuldig. Ashraf Ghani Ahmadzai gehört zu den zehn Bewerbern, die übriggeblieben sind.

"Die Nation muss der Sieger dieser Wahl sein. Wir müssen uns über unsere nationalen Interessen verständigen. Und wir müssen uns darüber einigen, wie wir sie erreichen können. Die Regierung muss sich vor ihrem Volk verantworten. Wir brauchen Transparenz über die Einkünfte aller Funktionsträger und wir brauchen harte Strafen für jeden, der sein Amt für persönliche Interessen missbraucht."

Dem ehemaligen Finanzminister und Weltbankmitarbeiter werden bestenfalls Außenseiterchancen eingeräumt. Er ist kein Regionalfürst und er hat keine eigene Clan-Macht. Sollte die Wahl trotz aller Taliban-Drohungen wie geplant im nächsten April stattfinden, dann hat der Bewerber die besten Chancen, der eine stimmkräftige Allianz aus den beiden größten afghanischen Bevölkerungsgruppen der Paschtunen und Tadschiken schmieden kann. Das Feilschen darüber ist im vollen Gang. Als Preise winken einflussreiche Ämter und Geld. Die Geldgeber im Westen machen ihre zukünftige Finanzhilfe vom Erfolg der Wahl abhängig.

"Wir brauchen hier Frieden. Afghanistan brennt seit über 30 Jahren in den Flammen des Krieges. In den letzten zehn Jahren haben wir Momente des Friedens kennengelernt, vor allem in Kabul haben Menschen Arbeit gefunden, und wir Jungen können wieder zur Schule und zur Universität gehen. Das ist unsere Zukunft."
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