Wer war Jesus wirklich?

Es war als eine archäologische Sensation angekündigt worden: "Die Grabhöhle von Jesus entdeckt?" mit dieser Schlagzeile bewarb der kanadische Filmemacher James Cameron vor wenigen Wochen seinen neuen Film, der Karfreitag auch im deutschen Fernsehen zu sehen war. Vermeintlich hatten Wissenschaftler das Grab Jesu in Jerusalem gefunden: Zehn 2000 Jahre alte Steinsärge, auf einigen ist die Aufschrift "Jesus, Josephs Sohn" zu lesen, sowie "Judah, Sohn von Jesus".
"Die These von Cameron und des Films ist völlig unhaltbar", sagt Prof. Dr. Jens Schröter, "es gibt keinerlei Indiz dafür, dass Jesus dort lag. Die Kästen geben das überhaupt nicht her. Außerdem war der Name Jesus zu der Zeit nicht selten."

Zudem sei die Höhle bereits 1980 entdeckt worden. Der Direktor des Instituts für Neutestamentliche Wissenschaft der Universität Leipzig forscht seit langem über das Leben und die Wirkungsgeschichte Jesu. 2006 ist sein Buch "Jesus von Nazaret" bei der evangelischen Verlagsanstalt erschienen, in dem er der Faszination des historischen Jesus nachgeht.

Nur, was wissen wir wirklich von Jesus?

"Von Jesus wissen wir historisch eigentlich gar nichts; das, was wir sicher wissen, passt auf eine Postkarte", lautet einer der provokanten Sätze des Theologen Rudolf Bultmann. In der Tat: Jesus selbst hat seine Lebensgeschichte nicht niedergeschrieben, er hat keine Schriften hinterlassen. Fast alles Wissen stammt aus Überlieferungen, die mindestens 20 Jahre nach seinem Tod verfasst wurden, unter anderem in den Evangelien im Neuen Testament.

"Die Bilder, die wir von Jesus haben, wandeln sich im Laufe der Zeit. Es hängt davon ab, mit welcher eigenen Wahrnehmung man herangeht", sagt der Religionswissenschaftler Schröter. "In den 60er Jahren wurde in der Bundesrepublik die sozialrevolutionäre These sehr stark verfolgt."

Jesus also als Revoluzzer, als unangepasster Aufrührer?
"Ich denke schon, dass er mit einem großen Selbstbewusstsein aufgetreten ist, dass er an die jüdischen Traditionen mit einer großen Souveränität herangegangen ist, dass er die Nähe Gottes nach außen vermittelt hat." Kurzum: Dass er sich mit den Würdenträgern anlegte.

Jesus und die Frauen?
"Die antike jüdische Gesellschaft war grundsätzlich patriarchalisch gegliedert. Aber auch da hat Jesus Schichten durchschritten, er wurde von Frauen begleitet, hat Unreine getroffen. Er hat sich an Grenzen herangewagt. Die Wirkungsgeschichte Jesu ist angefüllt mit unglaublich beeindruckenden Geschichten. Wobei sich nicht sagen lässt, was sich historisch wirklich ereignet hat."

Wer war also Jesus wirklich?
Was ist wissenschaftlich verbrieft, was Mythos?
Wie wurde aus einem jüdischen Wanderprediger der "Retter der Welt"?
Was passierte an Ostern, bei der Auferstehung?
Über diese Fragen diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:07 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Religionswissenschaftler Jens Schröter. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Literaturhinweis:
Jens Schröter, "Jesus von Nazaret. Jude aus Galiläa – Retter der Welt"
Evangelische Verlagsanstalt, 2006