Wer solche Freunde hat

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 15.03.2012
"Herr, schütze mich vor meinen Freunden, vor meinen Feinden schütze ich mich selbst." So könnte das Stoßgebet von Angela Merkel gehen mit Blick auf das politische Erdbeben in Düsseldorf. Denn die Neuwahl in NRW könnte zu einem Menetekel für die CDU werden, meint Peter Lange.
"Herr, schütze mich vor meinen Freunden, vor meinen Feinden schütze ich mich selbst." So oder so ähnlich könnte das Stoßgebet von Angela Merkel gehen mit Blick auf das politische Erdbeben, das gestern in Düsseldorf zu besichtigen war. Auch 24 Stunden nach der Auflösung des Landtags von Nordrhein-Westfalen hat sich der Staub über den Trümmern noch nicht gelegt. Immer noch beschäftigen sich Akteure wie Beobachter mit der Frage: Was haben sie sich dabei wohl gedacht? Und: Wie konnte denn das passieren? Klar ist nur: Niemand hat's gewollt. Keiner hatte vorgestern auf dem Schirm, dass die rot-grüne Minderheitsregierung am nächsten Tag beendet sein würde.

Die Berliner Koalition aus CDU/CSU und FDP macht zwar offiziell gute Miene zum bösen Spiel. Aber ein zusätzlicher Wahltermin war so ziemlich das allerletzte, was sie derzeit gebrauchen konnte. Für die Liberalen unter ihrem angeschlagenen Parteichef Philipp Rösler hatte im Dezember noch eine kleine Chance bestanden, mit einem Erfolgserlebnis in Schleswig-Holstein den Abwärtstrend zu stoppen. Nach dem Regierungsbruch im Saarland und jetzt in NRW sind zwei Wahlen hinzugekommen, die für die FDP wieder zum Offenbarungseid werden könnten.

Selbst ein Erfolg in Schleswig-Holstein würde in den Schatten gestellt, wenn die Liberalen in Düsseldorf aus dem Landtag fliegen würden. Ob sich Philipp Rösler dann noch halten kann, ob die FDP dann noch als Regierungspartner handlungsfähig ist oder in Agonie bis zum Wahltag 2013 taumelt - die Perspektiven sind im Moment, gelinde gesagt, eher düster.

Auch die Union kann über den unverhofften Sturz der Regierung von Hannelore Kraft nicht so richtig froh sein. Die Neuwahl könnte zu einem Menetekel für die CDU werden, der im bevölkerungsreichsten Land demonstriert wird, dass sie keinen strategischen Partner mehr hat, auch wenn sie sich behauptet oder gar stärker wird. Aber auch das ist noch nicht ausgemacht, denn Hannelore Kraft hat als Regierungschefin an Profil gewonnen. Sie kommt bei den Leuten gut an und ist in ihrer unaufgeregten und unprätentiösen Art der Kanzlerin gar nicht so unähnlich.

Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen engt auch den Handlungsspielraum der Berliner Koalition als Ganzes ein. Ein Jahr ohne Wahlen wäre das geeignete Zeitfenster gewesen, unbequeme Themen anzugehen, zum Beispiel die Reform der Pflegeversicherung. Jetzt werden wir erleben, wie wieder Rücksicht genommen und auf die Wahltermine geschielt wird. Abgesehen davon, dass exakt die Minister im Wahlkampf beansprucht werden, welche besonders in Berlin gebraucht würden: Rösler als Wirtschaftsminister und Norbert Röttgen als Umweltminister haben die Energiewende zu organisieren. Die Kranken- und Pflegeversicherung, Kerngeschäft von Daniel Bahr, ist ohnehin eine Dauerbaustelle. Das gute am Schlechten könnte sein: Wenn nichts entschieden wird, wird sich die Koalition auch weniger streiten – mangels Kraft.

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