Wer nicht sehen will, muss hören

Von Christine Watty · 05.02.2010
Zum Medienkunstfestival "Transmediale", das derzeit in Berlin stattfindet, gibt es seit elf Jahren eine Parallelveranstaltung: den "Club Transmediale". Dort dreht sich alles um einen Teilaspekt der Medienkunst, den die Kuratoren bis dahin vermisst hatten: die Musik.
"Ich bin gerade dabei, einen X-OR-Ringmodulator zu bauen."

"Die Atmosphäre von zukunftsmäßigen Denkweisen ist sehr präsent."

"Content to me is the death of inspiration."

"Das mit dem Durchhalten, da sage ich nur: elf Jahre Training!"

"Und heute ist Hangover-Gaming angesagt."

Club Transmediale 2010. Elfte Ausgabe, elf Tage Programm – und acht Veranstaltungsorte in Berlin.

Dort zu finden: Musik und Kunst, digitale und reale Welt, Ausstellung und Vortrag, Konzert und Workshop. Computer-Nerds, bildende Künstler, Musiker, Studenten und Medienschaffende tummeln sich auf der CTM – im letzten Jahr waren es 15.000 Besucher, mindestens genauso viele sollen es 2010 sein. Über die Hälfte der Teilnehmer ist aus dem Ausland angereist. Thema der CTM in diesem Jahr "Overlap – Sound and other media". Kurator Oliver Bauerhenn:

"Das heißt, es ist sozusagen eine kleine Deklination von Musik und Computerspiele, Musik und Neue- Medien-Technologie, Musik und Bildende Kunst, Musik und Bild, natürlich, das ist immer eines unserer Themen."

Die Dozenten des CTM-Tagprogramms - Musiker, DJs, Wissenschaftler, Denker und Philosophen des Web 2.0 - betrachten in diversen Vorträgen höchst aufgeregt und visionär die neuen Möglichkeiten für Technik-Affine Menschen.

"Eine kurze Demo unserer Music Library."

"Never has been so much music available and never has been the music consumption so intense.”

"Instruments and live performing of instruments.”

"I have never been to concerts where I’ve seen so many laptop musicians or electronic musicians sharing the stage with acoustic instrumentalists.”"

Ist ein Computer ein Instrument, wie verändert sich die Wahrnehmung von Klang, welche Möglichkeiten bieten neue Absatzmärkte wie die Computerspielindustrie, darüber philosophiert die CTM-Gemeinde. Und schlägt von hier aus stets galant die Brücke zur Kunst. Computerspiele sind das Thema einer CTM-Ausstellung, an der Michael Liebe mitgearbeitet hat:

""Das Ziel war, künstlerische Installation auf der einen Seite zu haben, und publizierte, das heißt Computerspiele, die durch diesen kommerziellen Prozess einen Publisher, einen Verleger finden, eine Hardware finden, um marktgerecht aufbereitet zu sein, zu kontrastieren oder nebeneinander zu stellen zu den künstlerischen Arbeiten."

Neben den Promis unter den Computerspielen wie "Guitar Hero" oder "Rockband" werden in dieser Mitmach-Ausstellung auch die kunstvolleren Außenseiter gezeigt, um zu verdeutlichen, wie Musik und Spiel zusammenhängen. Und die Besucher spielen fleißig mit.

"Ich finde die Ausstellung natürlich super interessant, weil man selber aktiv dabei sein kann und es gibt immer wieder was Neues zu entdecken."

Schauen, hören und dann schließlich selbst herstellen: die Workshops des CTM haben Titel wie "Spectroscopy" und "Game Audio Design". Um das Verstehen geht es – wenn schon die digitale Welt um alle herumwabert – wie funktioniert sie? Wie viel Technikwissen braucht man? In einem Hinterzimmer der Ausstellung "The truth is a compromise" wird stundenlang geschraubt und gelötet – Handarbeit für den perfekten Klang.

"Ich hab’ hier ein kleines Gerät gebastelt, damit kann man senden, damit kann man Frequenzmodulation senden, ja ich bin eigentlich Geiger, Jazz- und Pop-Geiger und mache auch viel Musik mit dem Computer, und mir hat immer der Bezug zu den Bauteilen gefehlt, wie so ein Klang erzeugt wird, und das interessiert mich."

Abends dann das, was den CTM einstmals ganz exklusiv antrieb – die Musik. Klangkunst und Experimentierfreude machen sich im Club WMF breit - und dazu ein echtes Berlin-80er-Jahre Gefühl im Nebel vor der Bühne, zum Beispiel am Metal-Abend:

Bauerhenn: "Wenn wir zum Beispiel einen Abend überschreiben mit 'Metal', dann heißt das nicht, dass wir da die rockenden Metallica auf der Bühne stehen haben, sondern Projekte, die vom Metal beeinflusst sind, aber sein können von der Cellistin, die auf der Bühne sitzt, Hildur Gudnadottir, bis hin zum Extra-Projekt eines Komponisten, der einfach versucht, die Strukturen von Metal auseinander zu nehmen, aber einfach sozusagen gewisse musikalische Strukturen aufnimmt und versucht, die weiter zu entwickeln."

Noch mal Kurator Oliver Bauerhenn. Runder und facettenreicher könnte kaum ein Programm sein, wie das des Club Transmediale. International ist das Festival längst schon angesehener als in seiner Heimatstadt selbst. Und beweist in diesem Jahr ein weiteres Mal: Der CTM hält Schritt, erfindet sich stets neu, wie die Medienkunst-Welt, die er abbildet. Ein zukunftsweisendes Festival, das vor Energie derzeit nur so strotzt. Noch ein Wochenende lang pulsiert der CTM-Beat in Berlin.