Wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen

Der kanadische Autor Steven Heighton beschreibt in "Letzte Welten" zwei Extremsituationen: eine historische Nordpol-Expedition, während der 19 Personen sechs Monate auf einer treibenden Eisscholle überleben mussten, und die Ausrottung mittelamerikanischer Indios. Der Roman ist ein atemberaubender Thriller, gleichzeitig aber auch literarisch anspruchvoll.
" ... hell wie Chrom - jeder Blick ein Stich ins Herz."

Die Kritiker in der englischsprachigen Welt feierten Steven Heightons zweiten Roman "Letzte Welten" als Meisterstück und Triumph und verglichen ihn mit Joseph Conrads "Herz der Finsternis". "Letzte Welten" ist das erste Buch des 40-jährigen kanadischen Autors, das nun auch ins Deutsche übersetzt wurde. Heightons Debütroman "The shadow boxer" (2002) war in Kanada ein Bestseller, außerdem hat der Autor noch zwei Erzählbände und zwei Lyriksammlungen veröffentlicht. Seine Arbeiten wurden bisher mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und in neun Sprachen übersetzt.

"Letzte Welten" beschreibt Grenzsituationen des Menschen, psychologische wie auch körperliche: Menschen stoßen an die Grenzen ihrer Ideale, und Menschen stoßen an die Grenzen ihrer physischen Existenz. Heighton beschreibt zwei Extremsituationen, eine historische Nordpol-Expedition, während der 19 Personen sechs Monate auf einer treibenden Eisscholle überleben mussten; die andere Extremsituation erzählt die Ausrottung mittelamerikanischer Indios. Der Roman spielt in der Zeit zwischen 1872 und 1889.

"Letzte Welten" ist ein meisterlich komponierter Roman, die Hauptfigur ein Deutscher; Roland Krüger, Matrose aus Danzig, nach der gescheiterten demokratischen Revolution 1848 aus Deutschland in die USA emigriert-, erlebt den grausamen Überlebenskampf einer Nordpol-Expedition auf einer arktischen Eisscholle, auf der unsägliche Dinge passieren: Es wird über Kannibalismus nachdacht, und es bricht Krieg aus auf dieser Eisscholle, eine Meuterei der deutschen Matrosen gegen ihren amerikanischen Kapitän, zwischen den Fronten einige Inuit mit Kindern.

Nachdem der Danziger Matrose Roland Krüger diesen Horror-Trip überlebt hat, geht er nach Mexiko und schließt sich einer indianischen Guerilla-Gruppe an, die gegen die ethnische Ausrottung kämpft, - vom Pazifisten zum Revolutionär.

"Letzte Welten" ist ein atemberaubender Thriller, gleichzeitig aber auch literarisch anspruchvoll. Es wird fast nur im Präsens erzählt, und die wörtliche Rede verzichtet gänzlich auf Anführungszeichen. Wer sich auf diese "Irritation" einlässt, der gerät beim Lesen in einen reißenden Strudel, action time and vision, gespickt mit psychologischen und politischen Betrachtungen. Ein Kritiker nannte das Buch eine Parabel auf den Nationalismus nach dem 11. September.

Und nicht zu vergessen: "Letzte Welten" ist äußerst poetisch, - Sprache zum Schwelgen. Es gibt in diesem sehr realistischen Stakkato-Thriller immer wieder auch Inseln der Ruhe. Und wie typisch für kanadische Schriftsteller, so erlaubt sich Heighton an einer Stelle des Romans sogar den Luxus waschechter Lyrik:

"Blauer Planet in der tieferen Nacht interplanetarischer Meere, mit Sternen aus weißen Scherben, ... Nun scheint das Licht, das durch die Kuppeln einzelner Schneehütten dringt wie das Flackern brennender Städte - aus der Sicht einer Mannschaft im All, in ein weiteres Exil verbannt durch die plötzliche Nachricht vom Beginn eines riesigen Streits zwischen den Stämmen."
"Letzte Welten" ist ein großer Roman über Liebe, Verrat, Ideale und Überleben; ein Buch, das man nicht vergisst, -ein sehr kanadisches Meisterwerk, " ... hell wie Chrom - jeder Blick ein Stich ins Herz."


Rezensiert von Lutz Bunk


Steven Heighton: Letzte Welten
Übersetzt von Sabine Hedinger.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2007, 478 Seiten, 22,90 Euro