"Wenn man morgens probt, dann lebt man gut"

Von Johannes Kulms · 04.10.2013
Eine Chorprobe, die morgens um 7:45 Uhr beginnt und gerade mal 42 Minuten dauert. Was nach Hektik klingt, dürfte nichts für Morgenmuffel sein - oder gerade genau das? Denn die rund 20 Mitglieder des Lübecker Chors "TransParentes" empfinden die wöchentliche Chorprobe als wunderbaren Start in den Tag.
Beate Wohlgemuth: "Ja, wir sind im Christophorus Kindergarten. Das ist der integrative Waldorf-Kindergarten in Lübeck."

Susanne Brendel: "Ich habe jahrelang mit einem Kind auf dem Arm gesungen. Da kann man halt nur so gut singen, wie man das halt kann mit Bruno auf dem Arm."

Wohlgemuth: "Ich freue mich, wenn die Kinder im Raum sind. Die erleben ja auch was Wunderbares, dass Menschen zusammen singen. Also, das ist ja wohl mit die schönste Sache, die es gibt, der Welt."

Mann: "Guten Morgen, hallo"

Wohlgemuth: "Guten Morgen! Kommt Ihr bitte, wir wollen anfangen!"
"Der Name des Chors – den gibt es ungefähr sieben Jahre – der heißt TransParentes. Viele Bedeutungen, zum Beispiel auch über das Elternsein hinaus. Weil viele Chormitglieder können ja nicht immer weiter Kinder kriegen, aber sagen, ‚Wir möchten weiter im Chor singen‘. Deswegen sind auch ehemalige Eltern im Chor."

Marianne Gutzeit: "Ich bin Marianne Gutzeit. Ich glaube, seit vier Jahren singe ich in dem Chor. Ich bin Lehrerin an einer Schule in Lübeck hier, ja. Ich bin überhaupt kein Morgenmensch. Meine Schüler leider auch unter mir, wenn sie mich in der ersten Stunde haben. Aber der Chor macht‘s mir leichter."

Wohlgemuth: "Unseren Chor macht es besonders, dass wir morgens so früh proben. Und der Mittwoch hat sich irgendwie organisatorisch entwickelt. Es hat sich einfach gezeigt, dass alle morgens viel mehr Zeit haben als abends, da finden wir kaum Probentermine."

Brendel: "Und wenn man dann mit dem Fahrrad los düst in die Stadt oder zur Arbeit oder wo auch immer man hingeht – dann hat eben man so ein Lied im Kopf für die ganze Woche."

Perfekter Start in den Tag
Knut Dembowski: "… schwebend – ich rausche nicht weg, ich schwebe weg. Einen besseren Tagesstart gibt es nicht!"

Wohlgemuth: "Ich heiße Beate Wohlgemuth und bin hier als Erzieherin tätig, als Kindergärtnerin, schon viele, viele Jahre. Und 1998 habe ich gedacht: Ich könnte ja mal einen Chor gründen mit den Eltern, die hier sind. Also, wir haben Priester, wir haben Ärzte, wir haben Schneider, wir haben Hausmann, wir haben Mütter –die auch Berufe natürlich erlernt haben … Da ist `ne große Mischung und `ne große Vielfalt …"

Sebastian Büttner: "Mein Name ist Sebastian Büttner. Und ich stehe gegenüber von Beate beim Singen im Kreis. Und deswegen kann ich die Tür sehen, die ist immer offen. Und manchmal sitzen auf der Treppe dahinter zwei, drei Kinder, die sich aus ihrer Gruppe davongestohlen haben, um zuzuhören. Das ist auch immer herrlich!"

Wohlgemuth: "Wir singen kleinen Kanons, wir singen durch die Jahrhunderte, unser letztes Programm waren eben Liebeslieder. Bach, Volkslieder, bearbeitete von Cesar Bresgen, Max Reger, Brahms. Also, so was uns an Werken so in den Schoß fällt oder mitgebracht wird."

Singen als Ausdruck der Seele
Dembowski: "Mein Name ist Knut. Knut Dembowski. Die Stimme sitzt direkt an der Seele. Und Singen ist der direkteste Ausdruck der Seele. Das spiegelt einfach alles wider. Ja, das ist wie in Emotionen baden."

Büttner: "Und wenn man Abendprobe macht, dann schläft man gut, aber wenn man Morgenprobe macht, dann lebt man gut! Dann hat man Ohrwürmer und geht wirklich mit Musik durch den Tag – das ist einfach herrlich!"

Wohlgemuth: "Also, die ersten Jahre haben wir nur bei Elternabenden gesungen. Und dann haben wir angefangen, Chorfahrten zu machen. Und sind in andere Waldorfkindergärten in Deutschland … Und haben da angefangen, Konzerte zu geben für die Mitarbeiter und die Eltern der anderen Kindergärten. Die waren nie so gut besucht."

Wohlgemuth: "Und dann haben wir halt angefangen, zum Beispiel in Goethes Garten zu singen. Und da haben die Leute uns dann auch richtig gut zugehört und geklatscht und dann haben wir darüber auch gemerkt, dass wir auch ein Chor sind, wo man auch klatschen kann."

Dembowski: "Das ist die Chorfahrt. Wir machen einmal im Jahr eine Chorfahrt. Und zwar …"

Dembowski: "…hier steht Bremen, Paris und Wupper… Also, Wuppertal waren wir schon und Paris, das wartet noch auf uns. Das Odeon hatte so noch nicht Termine frei."

Wohlgemuth: "Am Anfang waren wir alles nur Laienmusiker, denen besonders aber das Hören am Herzen lag. Und so sind wir auch in die Musik eingestiegen. Und jetzt nach und nach haben sich auch Menschen, die Musik studiert haben, dazu gefunden."

Büttner: "Ich habe gemerkt, dass diese Musik, diese Art zu singen, die Beate Wohlgemuth pflegt, dass die anders ist."

Dembowski: "Also sie ist sehr genau … aber auch mit einem unglaublich großem Herzen bei der Sache. Und das kommt bei uns ganz gut an: Das ist genau das, was wir brauchen, was die Musik braucht."

Wohlgemuth: "Im Moment sind wir in einem großem Umbruch. Weil es ist uns gelungen, auf dem Nachbargrundstück etwas dazu zu kaufen, mit einem großen Haus drauf, was wir gerade ausbauen und für die Kinder gestalten. Und deswegen ist unser Chor auch so aktiv, weil wir einen Teil des Geldes über Kunstprojekte erwirtschaften möchten. Und so haben wir jetzt schon zwei Benefizkonzerte gemacht."

Büttner: "Das erste war im Cloudsters in Lübeck, hat auch einige Tausend Euro eingebracht. Und jetzt haben wir das zweite Benefizkonzert hier nebenan in der Kirche gemacht. Insofern können wir jetzt glaube ich auch sagen, wir sind jetzt finanziell erfolgreicher."

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