"Wenn man Geschichte erlebt und erlernt hat, ist man in der Pflicht"
Kaum ein Thema ist so sehr mit Berührungsängsten und gegenseitiger Vorsicht verbunden, wie das Verhältnis von Juden und Deutschen. Auch 70 Jahre nach dem Holocaust, dem Völkermord der Nationalsozialisten an den Juden in Europa, sind wir noch weit von einem unbefangenen Zusammenleben entfernt.
Dies erfährt das Ehepaar Rita und Michael Wolffsohn immer wieder im Alltag. Er, streitbarer Historiker und Politikwissenschaftler, geboren 1947 in Tel Aviv als Sohn deutsch-jüdischer Emigranten, 1954 nach Deutschland zurückgekehrt. Sie, Pharmazeutin und Christin. Zwei kulturell-religiöse Welten prallten zusammen, als sie vor 30 Jahren heirateten.
"Es gab keinerlei familiäre Probleme, bis zu dem Tag, als wir heiraten wollten", erinnert sich die Mutter von drei erwachsenen Kindern heute. "Wenn das einzige Kind ausgerechnet eine Nicht-Jüdin heiratet, dann ist das schwierig. Heute kann ich das verstehen." Zumal die religiöse Zugehörigkeit im Judentum von den Müttern weitergegeben werde. Die Hochzeit war von großen Ängsten begleitet, erinnert sich Michael Wolffsohn: "Mein Onkel, ein überzeugter Zionist, lebte in Israel und sollte zu unserer Hochzeit kommen. Wir wussten, dass er auf die Eltern meiner Frau treffen würde und dass ihr Vater von den Briten am Bittersee in Ägypten gefangen genommen worden war. Ich hatte große Sorge. Aber zum Glück konnten sie das Problem binnen 10 Minuten klären."
Seit nunmehr 30 Jahren leben die beiden zusammen, er hat den jüdischen Glauben behalten, sie den christlichen. Ihre Kinder haben sie offen erzogen. "Bei uns stehen der Adventskranz und der Chanukka-Leuchter nebeneinander."
Ihre Überzeugung: "Toleranz allein genügt nicht, Akzeptanz ist es!" Diese Weltanschauung möchten sie auch in dem Projekt verwirklichen, das die gesamte Familie seit mehr als sechs Jahren beschäftigt: Die "Gartenstadt Atlantic", eine Wohnanlage im Berliner Wedding, einem der so genannten Problembezirke der Hauptstadt. Im überbevölkerten Berlin der 20er Jahre entstand hier ein beispielhaftes Reformprojekt: "Das Prinzip war: Luft, Licht, Sonne, Grün – und zwar nicht am Stadtrand, sondern mitten in der Stadt, der Industrie." Teil des Konzepts war die "Lichtburg", ein Vergnügungstempel mit Restaurants, Bars und Tanzsälen und einem Kino mit 2000 Sitzplätzen. Dessen Besitzer: Karl Wolffsohn, Pionier der Filmpublizistik, Kinonarr und Großvater von Michael Wolffsohn. "Diese Art von Leben, Wohnen und Kultur war einzigartig", schwärmen die Wolffsohns, die ihr gesamtes Vermögen in die Sanierung der 50 Häuser investiert haben. Gleichzeitig ist die Geschichte der "Gartenstadt" aber auch ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte, mit der Enteignung durch die Nationalsozialisten, den jahrzehntelangen und nur teilweise erfolgreichen Versuchen, den Familienbesitz zurückzuerlangen.
Heute leben in der denkmalgeschützten Gartenstadt wieder ca. 1200 Menschen, darunter zahlreiche Künstler. Die Wolffsohns haben den ursprünglichen Reformgedanken wieder aufleben lassen unter dem Motto: "Deutsch-Türkisch-Jüdisch-Interkulturell."
Dieser Ansatz überzeugte auch die Deutsche UNESCO-Kommission: Sie verlieh ihre Schirmherrschaft zur Ausrichtung des "Welttags der Kulturellen Vielfalt" (21.Mai) der "Gartenstadt Atlantic", erstmalig wurde damit ein deutsches Projekt gewürdigt. Bereits am heutigen 12. Mai ab 11 Uhr feiert die Gartenstadt den Welttag mit einem umfangreichen kulturellen Programm.
Zuvor sind Rita und Michael Wolffsohn von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr zu Gast bei Gisela Steinhauer. Ihr Thema: "Die Gartenstadt Atlantic – Utopie oder Realität? Wie kann ein interkulturelles Zusammenleben gelingen?" Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 / 2254-2254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de.
Informationen über die "Gartenstadt Atlantic" im Internet unter:
www.gartenstadt-atlantic.de.
"Es gab keinerlei familiäre Probleme, bis zu dem Tag, als wir heiraten wollten", erinnert sich die Mutter von drei erwachsenen Kindern heute. "Wenn das einzige Kind ausgerechnet eine Nicht-Jüdin heiratet, dann ist das schwierig. Heute kann ich das verstehen." Zumal die religiöse Zugehörigkeit im Judentum von den Müttern weitergegeben werde. Die Hochzeit war von großen Ängsten begleitet, erinnert sich Michael Wolffsohn: "Mein Onkel, ein überzeugter Zionist, lebte in Israel und sollte zu unserer Hochzeit kommen. Wir wussten, dass er auf die Eltern meiner Frau treffen würde und dass ihr Vater von den Briten am Bittersee in Ägypten gefangen genommen worden war. Ich hatte große Sorge. Aber zum Glück konnten sie das Problem binnen 10 Minuten klären."
Seit nunmehr 30 Jahren leben die beiden zusammen, er hat den jüdischen Glauben behalten, sie den christlichen. Ihre Kinder haben sie offen erzogen. "Bei uns stehen der Adventskranz und der Chanukka-Leuchter nebeneinander."
Ihre Überzeugung: "Toleranz allein genügt nicht, Akzeptanz ist es!" Diese Weltanschauung möchten sie auch in dem Projekt verwirklichen, das die gesamte Familie seit mehr als sechs Jahren beschäftigt: Die "Gartenstadt Atlantic", eine Wohnanlage im Berliner Wedding, einem der so genannten Problembezirke der Hauptstadt. Im überbevölkerten Berlin der 20er Jahre entstand hier ein beispielhaftes Reformprojekt: "Das Prinzip war: Luft, Licht, Sonne, Grün – und zwar nicht am Stadtrand, sondern mitten in der Stadt, der Industrie." Teil des Konzepts war die "Lichtburg", ein Vergnügungstempel mit Restaurants, Bars und Tanzsälen und einem Kino mit 2000 Sitzplätzen. Dessen Besitzer: Karl Wolffsohn, Pionier der Filmpublizistik, Kinonarr und Großvater von Michael Wolffsohn. "Diese Art von Leben, Wohnen und Kultur war einzigartig", schwärmen die Wolffsohns, die ihr gesamtes Vermögen in die Sanierung der 50 Häuser investiert haben. Gleichzeitig ist die Geschichte der "Gartenstadt" aber auch ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte, mit der Enteignung durch die Nationalsozialisten, den jahrzehntelangen und nur teilweise erfolgreichen Versuchen, den Familienbesitz zurückzuerlangen.
Heute leben in der denkmalgeschützten Gartenstadt wieder ca. 1200 Menschen, darunter zahlreiche Künstler. Die Wolffsohns haben den ursprünglichen Reformgedanken wieder aufleben lassen unter dem Motto: "Deutsch-Türkisch-Jüdisch-Interkulturell."
Dieser Ansatz überzeugte auch die Deutsche UNESCO-Kommission: Sie verlieh ihre Schirmherrschaft zur Ausrichtung des "Welttags der Kulturellen Vielfalt" (21.Mai) der "Gartenstadt Atlantic", erstmalig wurde damit ein deutsches Projekt gewürdigt. Bereits am heutigen 12. Mai ab 11 Uhr feiert die Gartenstadt den Welttag mit einem umfangreichen kulturellen Programm.
Zuvor sind Rita und Michael Wolffsohn von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr zu Gast bei Gisela Steinhauer. Ihr Thema: "Die Gartenstadt Atlantic – Utopie oder Realität? Wie kann ein interkulturelles Zusammenleben gelingen?" Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 / 2254-2254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de.
Informationen über die "Gartenstadt Atlantic" im Internet unter:
www.gartenstadt-atlantic.de.