"Wenn Journalisten nicht verlegerischer denken, schaffen sie sich ab"
Einmal in Jahr trifft sich die Crème de la Crème des deutschen Journalismus, um über den Status quo ihres Berufsstands zu sprechen. Dieses Jahr ging es vor allem darum, wie der Qualitätsjournalismus in schlechten Zeiten erhalten werden kann.
Entsprechend dem Wetter im Norden war die Stimmung auf der Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche gedrückt: eher wolkig, denn heiter. Die Journalistenzunft macht sich Sorgen um ihre Zukunft und das nicht zu unrecht: Mehrere Zeitungsschließungen, zurückgehende Anzeigengelder und ein insgesamt nachlassendes Interesse des Publikums an Qualitätsjournalismus lassen nicht gerade hoffnungsvoll auf die kommenden Jahre blicken. Nur eine Zahl: Die Zeit, die ein Leser durchschnittlich mit Zeitungen und Zeitschriften verbringt, ist in den letzten Jahren um 16 Prozent zurückgegangen. Stattdessen tummeln sich die Leser zunehmend im Netz – und sie suchen da längst nicht nur Hintergrundinformationen.
Da tut es not, sich für den Transformationsprozess in die digitale Welt zu wappnen. Cordt Schnibben, Reporter beim "Spiegel" und ein Haudegen der Branche wusch seinen Kollegen den Kopf, indem er sagte: Wenn Journalisten nicht beginnen, verlegerischer zu denken und sich stärker mit dem Internet zu befassen, dann schaffen sie sich bald ab. Ein harter Satz. Für Schnibben bieten gerade die handlichen Tablet-Computer und ihre multimedialen Möglichkeiten enorme Chancen für den Journalismus:
"Man nimmt einen Text und stattet ihn mit Tools aus, die dem Leser die Chance geben, den Text selbst zu vertiefen. Um mal ein Beispiel zu erzählen: Ihn interessiert der Untergang der Bounty, und er möchte wissen, was sagt eigentlich der Kapitän zu der ganzen Geschichte vor dem Untersuchungsausschuss. Da drückt er im Laufe des Textes ein Tool, und er kann das Video der Vernehmung des Kapitäns anhören. Das heißt, er entscheidet: In welchem Maße lasse ich mich auf das Thema ein, in welchem Maße statte ich es aus mit mehr Sinnlichkeit, mehr Informationen, mehr Quellen."
Doch all das kostet viel Geld. Geld, das allenfalls die Großen der Branche noch haben. So hat beispielsweise die "New York Times" vor einigen Monaten ein multimediales Projekt namens "Snow Fall" ins Netz gestellt, www.nytimes.com/projects/2012/snow-fall/#/?part=tunnel-creek die minutiöse Geschichte eines Absturzes einer Gruppe von Bergsteigern in den Rocky Mountains. Enthalten waren neben dem langen Artikel 3-D-Grafiken, Videos und Animationen. Dieses Projekt hat angeblich über eine Million Dollar gekostet. Welcher Verlag verfügt schon über derlei Mittel?
Da trifft es sich gut, dass seit Anfang der Woche der Springer-Verlag mit seiner "Bild"-Zeitung im Internet neues Terrain betritt. Die Redaktion probiert ein dreistufiges Abo-Modell aus, das endlich im Netz für neue und mehr Einnahmen sorgen soll. Erfolgsaussichten: ungewiss. Ausgerechnet Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung "Freitag" und politisch nun wahrlich nicht auf Linie der "Bild"- Zeitung, begrüßte auf der Konferenz dieses neue Modell. Er finde es gut, dass sich mal einer vorwage:
"Was Springer macht, ist hochspannend, kann wichtig sein, für die gesamte journalistische Branche. Es gibt kaum ein anderes Haus in Deutschland, das genügend Geld hat, genug langen Atem hat, und auch über genügend Volumen verfügt im Netz, das dieses Projekt ausprobieren könnte. Alle anderen sind dafür zu klein oder haben davor zu viel Angst gehabt bisher. Wir brauchen den Kulturwandel, dass die Leute bereit sind und es lernen, für journalistische Produkte im Netz muss man auch bezahlen."
Die Reaktionen der Leser im Netz auf das neue Modell sind weit überwiegend negativ, was vielleicht auch mit dem polarisierenden Stil der "Bild"-Zeitung zu tun hat. In jedem Fall braucht der Verlag einen langen Atem, um die Gratismentalität der Leser zu verändern. Was nötig ist, und darauf wies die Publizistin Silke Burmester in ihrer Rede zur Lage des Journalismus hin, sei eine stärkere Rückbesinnung auf Positionen und Standpunkte.
"Warum soll ich mich nicht für eine Sache einsetzen, warum nicht für etwas Position beziehen, wenn deutlich wird, wer sich warum zu einer Sache bekennt. Ist es nicht genau das, was unsere Medien so langweilig macht? Dass sie für nichts stehen, dass keine Haltung, keine Position erkennbar ist?"
Immerhin konnten sich jene Journalisten in Hamburg auf die Schultern klopfen, die die Offshore-Leaks-Dokumente ausgewertet haben, jene Daten, die belegen, wie weit verbreitet Steuerflucht ist - weltweit. Seit Samstagfrüh stehen die Daten im Netz. Der Ansturm der Nutzer war so groß, dass der Server zeitweise nicht erreichbar war. Transparenz interessiert offenbar viele Leser.
Am Schluss verliehen die Journalisten traditionell den Preis der "Verschlossenen Auster". Er wird Personen oder Institutionen verliehen, die sich Presseanfragen konsequent verweigern – also ganz und gar nicht transparent agieren. In diesem Jahr ging die kaum begehrenswerte Auszeichnung ans Bundesinnenministerium. Begründung: Obwohl das Informationsfreiheitsgesetz den Behörden vorschreibt, bestimmte Dokumente auf Anfrage herauszugeben, mauert das Ministerium, wo es kann, so Laudator Georg Mascolo, Ex-"Spiegel"- Chef. Doch weder Minister Friedrich, noch einer seiner Staatssekretäre waren erschienen, um den Preis anzunehmen. Nun wird die "Verschlossene Auster" dem Minister zugeschickt.
Da tut es not, sich für den Transformationsprozess in die digitale Welt zu wappnen. Cordt Schnibben, Reporter beim "Spiegel" und ein Haudegen der Branche wusch seinen Kollegen den Kopf, indem er sagte: Wenn Journalisten nicht beginnen, verlegerischer zu denken und sich stärker mit dem Internet zu befassen, dann schaffen sie sich bald ab. Ein harter Satz. Für Schnibben bieten gerade die handlichen Tablet-Computer und ihre multimedialen Möglichkeiten enorme Chancen für den Journalismus:
"Man nimmt einen Text und stattet ihn mit Tools aus, die dem Leser die Chance geben, den Text selbst zu vertiefen. Um mal ein Beispiel zu erzählen: Ihn interessiert der Untergang der Bounty, und er möchte wissen, was sagt eigentlich der Kapitän zu der ganzen Geschichte vor dem Untersuchungsausschuss. Da drückt er im Laufe des Textes ein Tool, und er kann das Video der Vernehmung des Kapitäns anhören. Das heißt, er entscheidet: In welchem Maße lasse ich mich auf das Thema ein, in welchem Maße statte ich es aus mit mehr Sinnlichkeit, mehr Informationen, mehr Quellen."
Doch all das kostet viel Geld. Geld, das allenfalls die Großen der Branche noch haben. So hat beispielsweise die "New York Times" vor einigen Monaten ein multimediales Projekt namens "Snow Fall" ins Netz gestellt, www.nytimes.com/projects/2012/snow-fall/#/?part=tunnel-creek die minutiöse Geschichte eines Absturzes einer Gruppe von Bergsteigern in den Rocky Mountains. Enthalten waren neben dem langen Artikel 3-D-Grafiken, Videos und Animationen. Dieses Projekt hat angeblich über eine Million Dollar gekostet. Welcher Verlag verfügt schon über derlei Mittel?
Da trifft es sich gut, dass seit Anfang der Woche der Springer-Verlag mit seiner "Bild"-Zeitung im Internet neues Terrain betritt. Die Redaktion probiert ein dreistufiges Abo-Modell aus, das endlich im Netz für neue und mehr Einnahmen sorgen soll. Erfolgsaussichten: ungewiss. Ausgerechnet Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung "Freitag" und politisch nun wahrlich nicht auf Linie der "Bild"- Zeitung, begrüßte auf der Konferenz dieses neue Modell. Er finde es gut, dass sich mal einer vorwage:
"Was Springer macht, ist hochspannend, kann wichtig sein, für die gesamte journalistische Branche. Es gibt kaum ein anderes Haus in Deutschland, das genügend Geld hat, genug langen Atem hat, und auch über genügend Volumen verfügt im Netz, das dieses Projekt ausprobieren könnte. Alle anderen sind dafür zu klein oder haben davor zu viel Angst gehabt bisher. Wir brauchen den Kulturwandel, dass die Leute bereit sind und es lernen, für journalistische Produkte im Netz muss man auch bezahlen."
Die Reaktionen der Leser im Netz auf das neue Modell sind weit überwiegend negativ, was vielleicht auch mit dem polarisierenden Stil der "Bild"-Zeitung zu tun hat. In jedem Fall braucht der Verlag einen langen Atem, um die Gratismentalität der Leser zu verändern. Was nötig ist, und darauf wies die Publizistin Silke Burmester in ihrer Rede zur Lage des Journalismus hin, sei eine stärkere Rückbesinnung auf Positionen und Standpunkte.
"Warum soll ich mich nicht für eine Sache einsetzen, warum nicht für etwas Position beziehen, wenn deutlich wird, wer sich warum zu einer Sache bekennt. Ist es nicht genau das, was unsere Medien so langweilig macht? Dass sie für nichts stehen, dass keine Haltung, keine Position erkennbar ist?"
Immerhin konnten sich jene Journalisten in Hamburg auf die Schultern klopfen, die die Offshore-Leaks-Dokumente ausgewertet haben, jene Daten, die belegen, wie weit verbreitet Steuerflucht ist - weltweit. Seit Samstagfrüh stehen die Daten im Netz. Der Ansturm der Nutzer war so groß, dass der Server zeitweise nicht erreichbar war. Transparenz interessiert offenbar viele Leser.
Am Schluss verliehen die Journalisten traditionell den Preis der "Verschlossenen Auster". Er wird Personen oder Institutionen verliehen, die sich Presseanfragen konsequent verweigern – also ganz und gar nicht transparent agieren. In diesem Jahr ging die kaum begehrenswerte Auszeichnung ans Bundesinnenministerium. Begründung: Obwohl das Informationsfreiheitsgesetz den Behörden vorschreibt, bestimmte Dokumente auf Anfrage herauszugeben, mauert das Ministerium, wo es kann, so Laudator Georg Mascolo, Ex-"Spiegel"- Chef. Doch weder Minister Friedrich, noch einer seiner Staatssekretäre waren erschienen, um den Preis anzunehmen. Nun wird die "Verschlossene Auster" dem Minister zugeschickt.