"Wenn ich Tasten sehe, muss ich mich ransetzen"

Von Rebecca Maskos · 20.11.2007
Filmmusik ist erst dann richtig gut, wenn sie den Zuschauer unbemerkt in eine andere Welt versetzt. Das meint der Bremer André Feldhaus. Für rund 30 Filme hat der 32-Jährige bereits die Musik komponiert. Seit 1. November läuft der Dokumentarfilm "Menschen Träume Taten" über ein Ökodorf in der Altmark in den Kinos, in dem seine Musik zu hören ist.
Spät abends in der Bremer Überseestadt. Das alte Industriegebiet am Hafen wirkt verlassen. Im Fenster eines Sechziger-Jahre-Backsteinbaus brennt noch Licht. Die Nacht ist die liebste Zeit von André Feldhaus. Da kommen ihm die besten Ideen. Die Lichter des Europahafens inspirieren ihn bei der Arbeit, wenn er am Klavier sitzt in seinem Studio.

" Es ist wirklich, als ob man hier in einer großen Leere sitzt. Nachts hat man hier Geräusche, von Industrie, von Wasser, aber wenig städtischen Lärm. Also, es ist sehr isoliert, auf der anderen Seite ist es mitten in der Stadt von Bremen."

André Feldhaus ist Musiker und Komponist. Nachts sitzt er in dem verlassenen Bürogebäude, zwischen Hammondorgel, Harmonium, Schlagzeug, Gitarren und Mischpulten. Seit knapp zehn Jahren macht der 32-jährige Filmmusik, meistens zu Dokumentarfilmen, für Kino und Fernsehen. Zuletzt zu Filmen über den verstorbenen Schriftsteller Walter Kempowski oder über einen Weggefährten Che Guevaras. Obwohl er Literatur studiert hat und nicht klassische Musik, ist das Komponieren sein Leben. Seine braunen Augen leuchten, wenn er davon erzählt

" Die Lust ist einfach da, immer wenn ich Tasten sehe, muss ich mich da ransetzen, das ist wirklich wie man das so kennt als Klischee von Klavierspielern. Ja, und dann sitz ich da und fang so in einer C-Lage an (spielt Klavier an) und dann wird mir das vielleicht zu langweilig...und dann geh ich höher und dann entsteht eine Melodie. Es ist eigentlich das Gefühl oder die Stimmung, in der ich gerade bin, und deshalb ist Filmmusik ein gutes Feld für mich, denn da kann ich Gefühle, die ich empfinde beim Schauen von Bildern, relativ gut auf die Tasten übertragen."

Die Bilder geben den Ton an. In seinem Studio stehen drei große Monitore, dahinter ein Bildschirm für die Filmsequenzen. Daneben ein ein mal ein Meter großes Mischpult mit fast 50 Kanälen. Auf den Monitoren unzählige Tonspuren.

" Das ist der zweite Schritt, der auch schwierig ist an diesem Beruf, weil wenn man erstmal die Idee hat, dann kommt erstmal tagelang harte Arbeit, die auch sehr exakt sein muss, das ist viel Schieberei am Rechner. Ereignisse im Filmbild, die ich genau kommentieren muss und genau vertonen muss, da sitze ich dann manchmal einen halben Tag an einem kleinen Schnitt, und es muss dahin ganz toll sich entwickeln, genau auf diesen Punkt hin. "

Die tagelange Schieberei lohnt sich. Immer mehr Regisseure lassen ihre Filme von André Feldhaus’ Musik begleiten. Der Weg hierhin war lang, und er begann mit dem Klavier. Seine Eltern im heimischen Hörstel bei Münster schickten den aufgeweckten Jungen mit sechs Jahren zum Klavierunterricht. Schnell wurde es ihm zu langweilig, bloß vom Blatt zu spielen.

" Und dann durfte ich immer am Ende jedes Klassenvorspiels ein eigenes Stück spielen. Und das ist das erste eigene Stückchen Musik, das ich live aufgeführt habe, da muss ich so acht oder neun gewesen sein und war natürlich ganz stolz. Ich find es auch immer noch ganz schön – es heißt "Regenlied". "

Nach dem "Regenlied" ging es erstmal weiter mit verträumt-romantischen Kompositionen, doch dann mit 14 tauschte Feldhaus zum Entsetzen der Lehrer das Klavier gegen die E-Gitarre und gründete die Punkrock-Band "Mothers Ruin". In der Szene kannte man sie gut, die Band tourte sehr erfolgreich durch deutsche Jugendzentren.

" Richtig wilde Punkjungs, ja, (lacht), aber wir haben dann in dieser Einliegerwohnung im Keller meiner Eltern geprobt, die aussah wie komplett aus nem 70er Jahre Einrichtungskatalog.,.. Also, die behüteten Punkrebellen."
Die wilde Phase ist vorbei, das kurze braune Haar ist etwas lichter geworden. In schwarzem Pullover und Cordhose sitzt er am Klavier. Dort entstand auch seine erste Filmkomposition, mit Anfang 20. Unter den Hobby- und Kurzfilmemachern hatte sich sein Talent herumgesprochen.

" Die erste zustande gekommene Filmmusik war hier in Bremen, "Der Zauberer". Ein Drei-Minuten-Film, da konnte ich mich richtig austoben, mit dem Wurlitzer, das ist so ein altes Elektroklavier. Und da merkte ich: Ja, das ist toll, davon will ich mehr machen. "

Dem "Zauberer" folgten bislang rund 30 Filmprojekte, längst nicht nur in Bremen. Viele Regisseure erwarteten anfangs von Feldhaus, sich stark an bekannten Melodien zu orientieren – "Nachbauen" von Musik nennt man das unter Filmleuten, immer dann gewünscht, wenn die Rechte für das Original zu teuer sind. Mittlerweile aber hat er seinen eigenen Stil, und der ist gefragt. Feldhaus’ Musik ist reduziert und pointiert, weniger ist für ihn mehr, vor allem in den starken Momenten eines Films.

" Und das ist auch so eine typische Sache für mich, dass ich Regisseure oft überzeuge, dass an dieser Stelle vielleicht doch gar keine Musik besser wäre. Und ich finde es in solchen Momenten sehr schön, wenn ein Regisseur auf seine Bilder vertraut. Wenn man wenig Musik im Film hat, ist es was Besondereres, als wenn es die ganze Zeit dudelt. Das mag ich wirklich gerne, auch bei Filmen, die ich nicht selbst vertont habe – dann denke ich wow, da ist ja kaum Musik drin, das ist eigentlich eine Leistung. "

Kontrastreich – so lautete der Auftrag von Regisseur Andi Stiglmayr. "Menschen Träume Taten" heißt sein neuer Film, eine Dokumentation über ein Ökodorf in der Altmark. Feldhaus hat die Musik dazu gemacht, und die spielt in dem Film eine tragende Rolle. Stiglmayr wünschte sich einen urban anmutenden Gegensatz zum alternativen Landleben. Elektronische Beats und Hammondorgel zu Bildern von Biokartoffeln und Solaranlagen – für Feldhaus eine Herausforderung.

" Und daran habe ich mich ganz schön abgearbeitet, dachte manchmal, das geht ja gaaar nicht, und dann ging es doch. Also das ist so ein Beispiel für eine Musik, die sehr kontrapunktisch organisiert ist und die auch sehr polarisiert bei den Aufführungen, aber die auf jeden Fall Eindruck macht. Man merkt, glaub ich, in dem Film, dass Musik da ist (lacht), das ist nicht so ne Musik, die einfach mitläuft, und man fragt sich hinterher "war das was"?"