"Wenn ich falle, lache ich"
Am Anfang einer jeden Geschichte steht eine tiefe Rührung: ein Gefühl, das Gesicht eines Menschen, ein bewegender Satz im Kopf. Erst dann fängt Martin Becker zu schreiben an. Der 1982 im Sauerland geborene Schriftsteller und Journalist hat im letzten Jahr seinen ersten Erzählungsband veröffentlicht: "Ein schönes Leben".
"Ich habe selbstverständlich Flugangst, Angst vor Autofahrten, wenn der Fahrer auch nur ein bisschen zu schnell fährt. Und auch Angst vorm Zugfahren."
"Ich versuche das dann immer irgendwie zu bewältigen, indem ich halt Statistiken lese. Ich musste dieses Jahr zweimal fliegen und habe deswegen vorher recherchiert: Man müsste 70 Jahre am Stück ohne Essen, ohne Schlafen, in einem Flugzeug sitzen, um abzustürzen und zu sterben. Und das hat mich dann schon beruhigt."
Martin Becker, ein junger Mann mit blonden, strubbeligen Haaren, blauen Augen und einer dunklen Brille, grinst. Der Schriftsteller und Journalist liebt den komischen Blick auf seine eigenen Schwächen. Gerade ist er von einer Lesung nach Berlin zurückgekehrt, hat ein Café im Stadtteil Moabit aufgesucht, seinen Parker abgelegt, um über sich und sein erstes Buch zu sprechen.
In der Titelgeschichte seines Erzählungsbandes "Ein schönes Leben" taucht der vorsokratische Philosoph Heraklit plötzlich in der Jetztzeit auf, in einem Dorf zur Schützenfestzeit. Martin Becker kennt die Provinz, er ist in der sauerländischen Kleinstadt Plettenberg aufgewachsen:
"Wenn ich das jetzt mit Berlin vergleiche oder mit vielen anderen Städten, dann meine ich, dass in der Provinz vieles zugespitzter ist durch die Kleinheit: Dieses Geschichtenerzählen, wenig gelesen, aber viel erlebt zu haben und so eine Hand breit über der Realität Geschichten zu erfinden! Und das sind alles Ruhrgebietler oder Sauerländer. Insofern bin ich sehr dankbar und fühle mich mit der Provinz eng verbunden, habe jetzt nicht das Bedürfnis, damit abzurechnen."
Die Provinz war für Martin Becker der Nährboden seiner Geschichten. Wer weiß, vielleicht wäre er, wenn er in der Großstadt aufgewachsen wäre, weder zum Literaturfestival nach Klagenfurt eingeladen worden noch zum Schriftsteller geworden:
"Ich habe eigentlich in dem Moment mit dem Schreiben begonnen, oder ich dachte, das könnte interessant sein, als ich mit Kafka in Berührung gekommen bin. Ich las damals wenig Literatur, so mit 15, als man das in der Schule sozusagen vorgesetzt bekommt. Und auf einmal ging ich in diesen Lotto- und Buchladen bei uns in Plettenberg und habe mir Kafkas Gesamtausgabe bestellt und mich da sozusagen mal durchgelesen. Ich habe wenig verstanden, aber es war einfach so spannend!"
Zwei Semester studierte Martin Becker Germanistik in Bochum. Aber das analytische Zerpflücken literarischer Texte hatte eher eine abschreckende Wirkung auf ihn. Gepackt hat ihn dagegen das Studium am Literaturinstitut in Leipzig. Hier lernte er auch seine Freundin kennen. Die beiden Autoren leben gemeinsam in Berlin-Moabit. Noch ohne Nachwachs.
"Das Nachdenken über Kinder ist da, die Umsetzung eher nicht. (Lacht.) Aus dem ganz einfachen Grund: Ich wüsste halt nicht, wie das wäre, was man diesem Kind antun würde, mit zwei freien Autoren heranzuwachsen, die beide ihre Neurosen mitbringen, die sich dann wahrscheinlich potenzieren. Und das ist für mich im Moment noch das Hauptargument dagegen. Aber mal sehen, was die Jahre bringen. Vielleicht werden die Neurosen weniger, und die Kinder sind willkommen. Mal gucken. (Lacht.)"
Nicht nur ängstlich, sondern auch zerstreut sei er, erzählt Martin Becker stark gestikulierend. Seinen Erzählungen ist diese Zerstreuung nicht anzumerken. Mit lapidaren Sätzen versteht er es, Stimmungen heraufzubeschwören und den Leser darin zu festzuhalten: Und immer wieder, selbst in traurigen Liebesgeschichten, blitzt Beckers Komik auf. Selbst dem Tode, so Martin Becker, könne er etwas Komisches abgewinnen:
"Das habe ich aber irgendwie von meinem Vater. Der hat auch so einen latenten, aber sehr warmherzigen Zynismus. Der war lange Jahre Bergmann und dann später Industrieschmied, also nicht mit intellektuellen Gefilden in Kontakt. Aber das hat er, glaube ich, mir schon vererbt, also diese etwas lässige und komische Betrachtung der Welt, ohne dabei aber den Respekt zu verlieren. Also wenn jemand vor mir auf die Fresse fällt, dann tuts mir im ersten Moment leid, und ich würde nicht im ersten Moment loslachen. Es sei denn, ich falle selber hin, dann würde ich schon lachen."
Zu seinem Vater hatte Martin Becker eigentlich ein gutes Verhältnis. Nur mit seinem Wunsch zu schreiben konnte sein Vater nichts anfangen. Zu fremd waren sich die Welten von Vater und Sohn:
"Mittlerweile, so ganz langsam, nachdem ich auch in Klagenfurt gelesen habe und das sozusagen subjektiv fassbar war - 'Unser Junge ist im Fernsehen!' (Lacht.) - wird es allmählich besser. Das meine ich überhaupt nicht böse, weil ich mich da absolut reinversetzen kann. Und zu meiner Mutter hatte ich immer ein gutes Verhältnis."
Martin Becker sieht zufrieden aus. Natürlich läuft auch in seinem Leben nicht alles glatt. Morgens schreibt er Kolumnen und Rezensionen für Hörfunksender und am Nachmittag würde er eigentlich gerne schreiben. Aber manchmal funktioniert das tagelang überhaupt nicht. Bis es plötzlich aus ihm herausbricht und er schreibt und schreibt. Wie schon bei seinem Erzählungsband "Ein schönes Leben":
"Mein eigenes Leben ist auf jeden Fall schön. Ich mein, ich kann genau das machen, was ich möchte, nämlich schreiben. Ich bin da jeden Morgen dankbar für."
"Ich versuche das dann immer irgendwie zu bewältigen, indem ich halt Statistiken lese. Ich musste dieses Jahr zweimal fliegen und habe deswegen vorher recherchiert: Man müsste 70 Jahre am Stück ohne Essen, ohne Schlafen, in einem Flugzeug sitzen, um abzustürzen und zu sterben. Und das hat mich dann schon beruhigt."
Martin Becker, ein junger Mann mit blonden, strubbeligen Haaren, blauen Augen und einer dunklen Brille, grinst. Der Schriftsteller und Journalist liebt den komischen Blick auf seine eigenen Schwächen. Gerade ist er von einer Lesung nach Berlin zurückgekehrt, hat ein Café im Stadtteil Moabit aufgesucht, seinen Parker abgelegt, um über sich und sein erstes Buch zu sprechen.
In der Titelgeschichte seines Erzählungsbandes "Ein schönes Leben" taucht der vorsokratische Philosoph Heraklit plötzlich in der Jetztzeit auf, in einem Dorf zur Schützenfestzeit. Martin Becker kennt die Provinz, er ist in der sauerländischen Kleinstadt Plettenberg aufgewachsen:
"Wenn ich das jetzt mit Berlin vergleiche oder mit vielen anderen Städten, dann meine ich, dass in der Provinz vieles zugespitzter ist durch die Kleinheit: Dieses Geschichtenerzählen, wenig gelesen, aber viel erlebt zu haben und so eine Hand breit über der Realität Geschichten zu erfinden! Und das sind alles Ruhrgebietler oder Sauerländer. Insofern bin ich sehr dankbar und fühle mich mit der Provinz eng verbunden, habe jetzt nicht das Bedürfnis, damit abzurechnen."
Die Provinz war für Martin Becker der Nährboden seiner Geschichten. Wer weiß, vielleicht wäre er, wenn er in der Großstadt aufgewachsen wäre, weder zum Literaturfestival nach Klagenfurt eingeladen worden noch zum Schriftsteller geworden:
"Ich habe eigentlich in dem Moment mit dem Schreiben begonnen, oder ich dachte, das könnte interessant sein, als ich mit Kafka in Berührung gekommen bin. Ich las damals wenig Literatur, so mit 15, als man das in der Schule sozusagen vorgesetzt bekommt. Und auf einmal ging ich in diesen Lotto- und Buchladen bei uns in Plettenberg und habe mir Kafkas Gesamtausgabe bestellt und mich da sozusagen mal durchgelesen. Ich habe wenig verstanden, aber es war einfach so spannend!"
Zwei Semester studierte Martin Becker Germanistik in Bochum. Aber das analytische Zerpflücken literarischer Texte hatte eher eine abschreckende Wirkung auf ihn. Gepackt hat ihn dagegen das Studium am Literaturinstitut in Leipzig. Hier lernte er auch seine Freundin kennen. Die beiden Autoren leben gemeinsam in Berlin-Moabit. Noch ohne Nachwachs.
"Das Nachdenken über Kinder ist da, die Umsetzung eher nicht. (Lacht.) Aus dem ganz einfachen Grund: Ich wüsste halt nicht, wie das wäre, was man diesem Kind antun würde, mit zwei freien Autoren heranzuwachsen, die beide ihre Neurosen mitbringen, die sich dann wahrscheinlich potenzieren. Und das ist für mich im Moment noch das Hauptargument dagegen. Aber mal sehen, was die Jahre bringen. Vielleicht werden die Neurosen weniger, und die Kinder sind willkommen. Mal gucken. (Lacht.)"
Nicht nur ängstlich, sondern auch zerstreut sei er, erzählt Martin Becker stark gestikulierend. Seinen Erzählungen ist diese Zerstreuung nicht anzumerken. Mit lapidaren Sätzen versteht er es, Stimmungen heraufzubeschwören und den Leser darin zu festzuhalten: Und immer wieder, selbst in traurigen Liebesgeschichten, blitzt Beckers Komik auf. Selbst dem Tode, so Martin Becker, könne er etwas Komisches abgewinnen:
"Das habe ich aber irgendwie von meinem Vater. Der hat auch so einen latenten, aber sehr warmherzigen Zynismus. Der war lange Jahre Bergmann und dann später Industrieschmied, also nicht mit intellektuellen Gefilden in Kontakt. Aber das hat er, glaube ich, mir schon vererbt, also diese etwas lässige und komische Betrachtung der Welt, ohne dabei aber den Respekt zu verlieren. Also wenn jemand vor mir auf die Fresse fällt, dann tuts mir im ersten Moment leid, und ich würde nicht im ersten Moment loslachen. Es sei denn, ich falle selber hin, dann würde ich schon lachen."
Zu seinem Vater hatte Martin Becker eigentlich ein gutes Verhältnis. Nur mit seinem Wunsch zu schreiben konnte sein Vater nichts anfangen. Zu fremd waren sich die Welten von Vater und Sohn:
"Mittlerweile, so ganz langsam, nachdem ich auch in Klagenfurt gelesen habe und das sozusagen subjektiv fassbar war - 'Unser Junge ist im Fernsehen!' (Lacht.) - wird es allmählich besser. Das meine ich überhaupt nicht böse, weil ich mich da absolut reinversetzen kann. Und zu meiner Mutter hatte ich immer ein gutes Verhältnis."
Martin Becker sieht zufrieden aus. Natürlich läuft auch in seinem Leben nicht alles glatt. Morgens schreibt er Kolumnen und Rezensionen für Hörfunksender und am Nachmittag würde er eigentlich gerne schreiben. Aber manchmal funktioniert das tagelang überhaupt nicht. Bis es plötzlich aus ihm herausbricht und er schreibt und schreibt. Wie schon bei seinem Erzählungsband "Ein schönes Leben":
"Mein eigenes Leben ist auf jeden Fall schön. Ich mein, ich kann genau das machen, was ich möchte, nämlich schreiben. Ich bin da jeden Morgen dankbar für."