Wenn Erfolg die Freundschaft zerstört

30.09.2009
Schon als Nachbarskinder dachten sich die beiden Schriftsteller Truman Capote und Harper Lee zusammen Geschichten aus. Lee half Capote später bei den Recherchen zu seinem Erfolgsbuch "Kaltblütig". Doch der Erfolg entzweite sie, wie Alexandra Lavizzari in ihrem Doppelporträt zeigt.
Im Juli 1960 erschien der Roman "Wer die Nachtigall stört ...". Er stürmte im Handumdrehen die Bestsellerlisten der großen amerikanischen Zeitungen. Niemand war überraschter über den Erfolg als Harper Lee, die in ihrem Debütwerk einen spektakulären Gerichtsfall aus dem Jahr 1933 darstellte. Angeklagt war ein Afroamerikaner wegen der vermeintlichen Vergewaltigung einer weißen Frau. Schauplatz ist ein Nest in den Südstaaten der USA. Und dieses kleine Städtchen ist dem Ort nachgebildet, wo Harper Lee und Truman Capote sich als Kinder kennen gelernt hatten.

Alexandra Lavizzari: "Das kann man als einen verrückten Zufall anschauen, dass zwei große Schriftsteller wie Lee und Capote buchstäblich Haus an Haus aufgewachsen sind. Harper Lee ist in Monroeville, im Hinterland von Alabama aufgewachsen, einem kleinen Städtchen, und Capote, der in New Orleans geboren wurde, hatte sehr unzuverlässige Eltern, eine Mutter, die total überfordert war, und sie hat Capote einfach bei Cousins untergebracht, um ihr Leben weiter zu leben ohne ihn, und diese Cousins, die lebten im Nebenhaus von der Familie Lee. Die beiden Kinder haben sich im Sommer 1930 gefunden, sind einander Halt gewesen in der Welt und diese Freundschaft ist sehr, sehr intensiv und tief gewesen während etwa zweieinhalb Jahren, bis Capote dann von der Mutter wieder zurück geholt wurde."

Im Sommer 1930 war Truman Capote ein kleiner Knirps, blond, blauäugig und geschniegelt wie Mamas kleiner Liebling, ganz in weiß. Harper Lee, zwei Jahre jünger, war das ganze Gegenteil: eine laute Göre, die sich gern in Raufhändel mit den Burschen einließ. Aber sie war auch eine besessene Leserin.

Während der Jahre, die Truman Capote bei den Cousins der Mutter lebte, freundeten sich die beiden an. Das Mädchen wurde zum Beschützer für den femininen Knaben. Gemeinsam lasen sie spannende Abenteuergeschichten, und sie fingen auch bald an, selbst Geschichten zu erfinden und aufzuschreiben. Vater Lee, ein angesehener Rechtsanwalt in Monroeville, schenkte den beiden eine alte Schreibmaschine.

"Die beiden Kinder haben ihre ersten Geschichten so abgetippt auf dieser Maschine, einmal erfand Capote eine Geschichte, und Lee tippte, ein anderes Mal war's umgekehrt, aber das wurde doch konsequent und mit Ernst verfolgt."

Alexandra Lavizzari erzählt die Lebensgeschichte der beiden später weltberühmten Autoren spannend und mit vielen amüsanten Einzelheiten gespickt. Was in der Kindheit begann, sollte sich später im professionellen Leben Lees und Capotes fortsetzen: Die gemeinsame Arbeit an einem Buch.

"Mich fasziniert das Buch 'Kaltblütig', ich finde auch Capotes Biografie, seine Persönlichkeit sehr, sehr einnehmend, und man kommt nicht darum herum natürlich, wenn man diese Biografie studiert, Harper Lee kennen zu lernen, und zu sehen, dass diese beiden sehr unterschiedlichen Schriftsteller doch jahrzehntelang zueinander gehalten haben, dass aber der Erfolg am Schluss sie entzweit hat und sie sich auseinander gelebt haben. Das ist sehr traurig, aber es gibt so eine Art Logik in der ganzen Geschichte, weil beide Persönlichkeiten so unterschiedlich gelagert waren."

Truman Capotes Roman "Kaltblütig" basiert auf einem Kriminalfall aus dem Jahre 1959. Eine wohlhabende Farmerfamilie war in Kansas brutal umgebracht worden. Capote wollte für die Zeitschrift "The New Yorker" eine Reportage schreiben. Da ihm die ganze Sache etwas unheimlich schien, engagierte er seine Beschützerin aus Kindertagen.

"Er brauchte eine Assistentin und hat Lee damit sozusagen beschlagnahmt, und die beiden sind nach Kansas raus gefahren mehrere Male und haben recherchiert zusammen. Aber das Buch sollte eigentlich Capotes Buch sein. Ohne Lee hätte Capote nie den Zugang zu den Leuten in Kansas gehabt. Sie hat die Türen geöffnet mit ihrem weiblichen Charme, der dort sehr gut angekommen ist, während Capote mit seiner homosexuellen Art dort sehr angeeckt hat, und die Leute ein bisschen misstrauisch waren."

Um das Buch zu vollenden, brauchte Truman Capote fast sechs Jahre. Und als es dann erschien und einschlug wie eine Bombe, war seine Freundin entsetzt über die Kargheit der dem Text vorangestellten Widmung. Sie kam ihr vor wie eine herablassende, billige Geste.

"Harper Lee hat sich zurückgezogen, sie schaffte kein zweites Buch mehr, und Capote hat sich dann in die New Yorker Schickeria begeben, er wurde so berühmt, wurde so reich, das hat ihn wohl geblendet, und er ist dann in die Drogenszene, Alkoholszene abgedriftet, und ist dann ziemlich elendig dann gestorben, und verfrüht auch, also er hat sich selbst zerstört."

Besprochen von Jens Brüning

Alexandra Lavizzari: Glanz und Schatten - Truman Capote und Harper Lee - eine Freundschaft
edition ebersbach/ Berlin 2009
180 Seiten, 16,80 EUR