Wenn ein Lebensentwurf scheitert
Fredrik, die Hauptfigur in Marie Hermansons Roman „Der Mann unter der Treppe“, leidet unter enormen Schlafproblemen. Er glaubt, unter der Treppe hause ein merkwürdiger „Mieter“. Darum wirken das betont glückliche Zusammenleben mit Frau und Kindern sowie die gute materielle Situation wie ein glanzvolles Polaroidfoto, von dem man weiß, dass es allmählich verblassen wird.
Fredrik, die Hauptfigur in Marie Hermansons Roman „Der Mann unter der Treppe“, leidet unter enormen Schlafproblemen. Nachts gegen drei Uhr fällt er in einen Zustand, der weder Tief- noch Traumschlaf ist, so fühlt er sich von seinen Erinnerungen, von Stimmen und sogar von geträumten Träumen regelrecht geplagt.
„Es war, als würde jemand in diesen Morgenstunden einen Löffel in sein Inneres stecken und umrühren, so dass alles aufwirbelte, bunt durcheinander.“ Fredrik kann sich dieser Tortur, die auch körperliche Schmerzen verursacht, nur entziehen, indem er sich zwingt aufzustehen.
Da die schwedische Autorin ihren Roman mit diesem eindringlichen Psychogramm beginnt, sind die Weichen des Erzählens von Anbeginn gestellt. Das betont glückliche Zusammenleben mit der Künstlerin Paula und den Kindern sowie ihre gute materielle Situation, die durch Fredriks Job als Wirtschaftssekretär bei der Stadtverwaltung gesichert scheint, wirken wie ein glanzvolles Polaroidfoto, von dem man weiß, dass es allmählich verblassen und seine Konturen verlieren wird.
Um von diesem Verlust erzählen zu können, bedient sich die Autorin einer klaren, spannungsreichen Konstruktion. Seit einigen Monaten wohnt die junge Familie in einem großen Holzhaus außerhalb der Stadt. Doch ihre Freude über die idyllische Lage des Hauses wird bald getrübt. Denn nach Fredriks Aussage haust unter der Treppe ein merkwürdiger „Mieter“ namens „Kwådd“.
Dass dieses unrasierte und schrecklich schmutzige Wesen nur ihm in schlaflosen Nächten begegnet, lässt bald ahnen, worum es geht. Fredrik bietet fortan alle körperlichen und seelischen Kräfte auf, um den Mann aus seinem Revier zu vertreiben und wird dabei zur traurigen Fallstudie, an der jeder Psychoanalytiker seine Freude hätte.
Marie Hermanson beschreibt die schmerzvolle Konfrontation ihres Protagonisten mit dem unbekannten Mann als Begegnung mit dem eigenen unbewussten und von Trieben gesteuerten Teil. Das Haus als Symbol von Geborgenheit verweist mit seinem Fremden unter der Treppe auf den psychischen und physischen Zustand Fredriks.
So wie Keller und Dachboden im Denken des Psychoanalytikers C. G. Jung Orte „verdrängten Inhalts“ darstellen, türmen sich im Raum unter der Treppe Fredriks verdrängte Erinnerungen, Träume und Ängste. Indem er sich strikt weigert, dort hineinzuschauen und jedes persönliche Missgeschick auf die störende Anwesenheit des fremden Mannes verlagert, weiß er Reales und Gedachtes bald nicht mehr zu unterscheiden. Sein Versuch, diesen Raum verschlossen zu halten, muss letztendlich scheitern.
Marie Hermanson erzählt von einem qualvollen, zerstörerischen Existenzkampf, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt und materielle Verluste noch das kleinste Übel eines gescheiterten Lebensentwurfs bedeuten.
Rezensiert von Carola Wiemers
Marie Hermanson: Der Mann unter der Treppe
Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, 269 Seiten, 8,90 Euro
„Es war, als würde jemand in diesen Morgenstunden einen Löffel in sein Inneres stecken und umrühren, so dass alles aufwirbelte, bunt durcheinander.“ Fredrik kann sich dieser Tortur, die auch körperliche Schmerzen verursacht, nur entziehen, indem er sich zwingt aufzustehen.
Da die schwedische Autorin ihren Roman mit diesem eindringlichen Psychogramm beginnt, sind die Weichen des Erzählens von Anbeginn gestellt. Das betont glückliche Zusammenleben mit der Künstlerin Paula und den Kindern sowie ihre gute materielle Situation, die durch Fredriks Job als Wirtschaftssekretär bei der Stadtverwaltung gesichert scheint, wirken wie ein glanzvolles Polaroidfoto, von dem man weiß, dass es allmählich verblassen und seine Konturen verlieren wird.
Um von diesem Verlust erzählen zu können, bedient sich die Autorin einer klaren, spannungsreichen Konstruktion. Seit einigen Monaten wohnt die junge Familie in einem großen Holzhaus außerhalb der Stadt. Doch ihre Freude über die idyllische Lage des Hauses wird bald getrübt. Denn nach Fredriks Aussage haust unter der Treppe ein merkwürdiger „Mieter“ namens „Kwådd“.
Dass dieses unrasierte und schrecklich schmutzige Wesen nur ihm in schlaflosen Nächten begegnet, lässt bald ahnen, worum es geht. Fredrik bietet fortan alle körperlichen und seelischen Kräfte auf, um den Mann aus seinem Revier zu vertreiben und wird dabei zur traurigen Fallstudie, an der jeder Psychoanalytiker seine Freude hätte.
Marie Hermanson beschreibt die schmerzvolle Konfrontation ihres Protagonisten mit dem unbekannten Mann als Begegnung mit dem eigenen unbewussten und von Trieben gesteuerten Teil. Das Haus als Symbol von Geborgenheit verweist mit seinem Fremden unter der Treppe auf den psychischen und physischen Zustand Fredriks.
So wie Keller und Dachboden im Denken des Psychoanalytikers C. G. Jung Orte „verdrängten Inhalts“ darstellen, türmen sich im Raum unter der Treppe Fredriks verdrängte Erinnerungen, Träume und Ängste. Indem er sich strikt weigert, dort hineinzuschauen und jedes persönliche Missgeschick auf die störende Anwesenheit des fremden Mannes verlagert, weiß er Reales und Gedachtes bald nicht mehr zu unterscheiden. Sein Versuch, diesen Raum verschlossen zu halten, muss letztendlich scheitern.
Marie Hermanson erzählt von einem qualvollen, zerstörerischen Existenzkampf, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt und materielle Verluste noch das kleinste Übel eines gescheiterten Lebensentwurfs bedeuten.
Rezensiert von Carola Wiemers
Marie Hermanson: Der Mann unter der Treppe
Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, 269 Seiten, 8,90 Euro