Wenn die Toccata das Jailhouse rockt

Von Lorenz Schröter |
Der Pianist Joja Wendt ist ein Virtuose seines Fachs. Genregrenzen kennt er nicht, er spielt alles, was ihm gefällt, von Klassik über Chuck Berry bis Free Jazz. Darüber hinaus gilt er als begnadeter Entertainer.
"Test, test, bumm, bumm."

Es sind die schier endlosen Stunden vor einem Auftritt. Kabelträger schlurfen herum, Männer wie aus dem Harley Davidson Klub schleppen Lautsprecherboxen. Gefühlte Uhrzeit: Weit nach Mitternacht. Am Klavier übt ein unauffälliger Mann mit hoher Stirn im Kapuzenshirt seine Läufe.

"Ich freu mich heute Abend mit Chuck Berry zu spielen, der hat Musikgeschichte geschrieben."

Doch alte Rock & Roll-Stars zu begleiten, ist nur ein Hobby von Joja Wendt.

"Ich liebe es, wenn es virtuos ist, dass ist vielleicht auch meine große Stärke, dass virtuose Stücke mir leicht fallen, dass ich die gerne und gut spielen kann."

In seinen Konzerten quer durch die Republik sitzt er zwar anfangs ganz brav im Smoking an seinem Flügel, doch bevor das Publikum in die bildungsbürgerliche Konzerstarre fällt, spricht er mit seinem typischen norddeutschen Akzent...

"Ich bin in Hamburg geboren."
...Ein paar Sätze..

"Seid Ihr gut drauf?"

Haut in die Tasten, und aus dem so unauffälligen, höflichen 40-Jährigen wird ein Tier. Er springt auf, geht auf das Publikum ein, bringt eine kleine Slapstickeinlage. Doch bevor man denkt, da macht einer den Clown, muss auch der strengste Purist zugeben, spielen kann er.

"Bei uns war zuhause immer sehr viel Musik, meine Mutter ist selbst Sängerin und wir haben eine Menge Musik gehört und meine größere Schwester hat Klavierunterricht gehabt und das war der Grund, warum ich auch zum Klavier gekommen bin. Von zuhause aus bin ich eigentlich Jazz-Musiker, aber ich hab schon soviel Musik gehabt, die mir gefallen hat, also klassische Musik, genauso wie Popmusik, genauso wie Weltmusik, auch Folkmusik. Ich habe mich eigentlich nie so richtig auf eine Musikrichtung festgelegt, weil es einfach so viele schöne Musik gibt, die ich spielen will."

Joja Wendt gehört zur Generation der Klavierspieler, für die Musikgenres nur ein Fingerschnippen voneinander entfernt sind. Sylvester-Gala im ZDF, Fats Dominio...

"Auch während des Konzerts hat er immer was gefuttert. Das war irre gut."

...Oder die Musik zum Otto-Film "Die 7 Zwerge"...

"Ein Zwerg, da da da. Ich muss überlegen, ich kenn den Text nicht. Ein Zwerg ist selten allein. (Singen) dadada."

In erster Linie ist Joja Wendt ein Entertainer. Nach Minuten, ach was, nach Sekunden hat er sein Publikum im Griff.

Ungarische Rhapsodie, Jailhouse Rock, Toccata - ihm ist nichts heilig.

"Die Leute, die zu mir ins Konzert kommen, werden unterhalten auf hohem Niveau, sie bekommen sehr schwer zu spielende Stücke zu hören. Ich erzähl was über die Stücke und sie bekommen Hintergrundinformation und auch witzige Anekdoten zu hören. Im Grunde das, was ich mir auch immer gewünscht hätte bei Klavierkonzerten, ein bisschen was zu erfahren über die Stücke über die Künstler, die sie geschrieben haben, die Komponisten usw. ... Das ist z.B. der Hummelflug ..."

Doch es sind nicht nur Hits, die Joja Wendt spielt. Er lässt sein Publikum auch Raritäten entdecken.

" Und jetzt ein sehr virtuoses Stück von Art Tatum, dass geht …"

"Mir ist dieses Stück nur in die Hände gefallen, denn es wurde nie auf CD aufgenommen, von einer Tonbandaufnahme von den 40er Jahren, die mal zufälligerweise mitgeschnitten wurde von dem Stück. Und dass hat mir ein Secondhandladenbesitzer in New York zugespielt und hat mir dieses Band gegeben und daraufhin habe ich das geübt.

Das wird irre schnell noch mit irren Läufen, links und rechts, Straight Piano, die linke Hand macht noch große Sprünge, so mit links, dadurch bekommt es noch eine swingige, rhythmische Angelegenheit."