Wenn die Spuren der Geschichte verschwinden
Zu den wenigen Zeugnissen des DDR-Regimes, die in Berlin noch bestehen, gehört ein Haus, dessen wechselvolle Geschichte bis in die Weimarer Republik zurückreicht. Als Kaufhaus erbaut, wurde es nach dem Krieg zur SED-Zentrale umfunktioniert. Seit 1995 stand dieses so genannte "Haus der Einheit" leer und war dem Verfall preisgegeben. Nun wird es an einen britischen Investor verkauft.
Es ist eine Perle, die da am Prenzlauer Tor im Bezirk Mitte steht. Ein für Berlin seltenes Beispiel großstädtischer Warenhausarchitektur mit ihrer typischen Betonung der Vertikalen. 1929 wurde das Gebäude als "Kreditkaufhaus Jonaß" eröffnet, an zentraler Stelle im früheren Scheunenviertel. Die jüdischen Kaufmänner Hermann Golluber und Hugo Halle wollten, dass auch ärmere Leute "auf Pump" einkaufen konnten. Das aber kann nicht der Grund sein, weshalb DDR-Bürger jahrzehntelang einen weiten Bogen um das monumentale Eckgebäude zogen. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen:
"Das so genannte Haus der Einheit war jahrelang die Machtzentrale in der DDR, dort residierte das Politbüro, dort arbeiteten die ZK-Sekretäre, Todesurteile wurden dort von Ulbricht unterschrieben, es war also gerade in der harten Zeit der DDR das Zentrum der Macht, und nicht umsonst hat sich am 17. Juni hier auch der Zorn des Volkes ergossen."
Die Geschichte der Immobilie an der Torstraße 1 ist kompliziert, und gerade deshalb scheint die zukünftige Nutzung als Exklusiv-Club mit hohen Mitgliedsbeiträgen, wie sie ein britischer Investor vorsieht, sehr banal. Zwei deutsche Diktaturen haben das Haus für sich vereinnahmt, zuerst die Nationalsozialisten, dann die SED. 1939 mussten die jüdischen Besitzer Deutschland verlassen, die NSDAP zog drei Jahre später mit der Reichsjugendführung ein. Millionen Mitglieder der Hitlerjugend wurden hier außerschulisch betreut.
Dann kam das Kriegsende und das junge DDR-Regime eignete sich das alte Warenhaus an, benannte es in "Haus der Einheit" um. Reste des Arbeitszimmers von DDR-Präsident Wilhelm Pieck, das schon zu Ostzeiten in eine Gedenkstätte an den obersten Parteigenossen, das so genannte "Pieck-Kabinett" umfunktioniert wurde, sind noch vorhanden. Ende der 50er Jahre zog die SED-Führung samt Zentralkomitee um, die Torstraße 1 war fortan Adresse verschiedener Institute für Marxismus-Leninismus.
Für Jörg Haspel, den obersten Denkmalschützer Berlins, hat das Gebäude gerade wegen der Aneignung durch die deutschen Diktaturen eine immense historische Bedeutung:
"Denn der Einzug des Zentralkomitees der SED und des Instituts für Marxismus Leninismus in dieses Gebäude ist wahrscheinlich unter anderem dadurch erst ermöglicht worden, dass es von der NSDAP als Sitz der Hitlerjugend angeeignet worden war und insofern ist das eine besondere Geschichte und auch eine heikle Geschichte, wo man sich nicht darauf beschränken sollte, alleine dem architektonischen Oberflächenreiz der Kaufhausarchitektur zu erliegen, das wäre ein schlechter Dienst an der Geschichte."
Der "architektonische Oberflächenreiz" ist durchaus vorhanden. Zum einen durch die strenge Fassadengliederung mit ihren tiefen Vor- und Rücksprüngen. Vor allem aber durch die besondere Ausformulierung der Straßenecke. Denn das Gebäude nimmt quasi Anlauf, um von der bekannten Berliner Traufhöhe der Nachbarbebauung auf imposante sieben Stockwerke an seiner höchsten Stelle anzuwachsen.
"Das ist der Versuch, die Kraft und dieses Bauvolumen zu bündeln und monumental zu steigern und diese Ecke zu betonen. Und nicht mit Mitteln einer rechtwinkligen Geometrie, sondern in dieser expressionistischen, dynamischen Zusammenfassung durch die Abrundung der Ecke und die Ausbildung dieser halbrunden Ecktürme. Das wird gesteigert zu einer monumentalen, ja pathetischen städtebaulichen Geste an dieser Stelle."
Grundsätzlich, sagt Jörg Haspel, sei erst einmal jede Nutzung für dieses Haus besser als Leerstand und fortschreitender Verfall. Vorausgesetzt, sie ist nachhaltig und nicht auf kurzfristige Rendite ausgelegt. Trotz Denkmalschutz wird er mit dem Investor um die äußere Kubatur kämpfen müssen, sagt er. Aller Erfahrung nach will der nämlich die Geschossflächen durch Aufstockungen vergrößern. Für Hubertus Knabe dagegen ist der Verkauf des alten Kreditkaufhauses eine verpasste Chance.
"Ich bin der Auffassung, wir haben nicht zu viele authentische Orte dieser Art. Hier stand eine riesige Immobilie jahrelang leer und verrottete, da hätte es einer Initiative der Politik bedurft, sich diese Immobilie anzueignen und in eine entsprechende Nutzung zu führen."
Ein Konzept gab es bereits. Vor einem Jahr schlug die Expertenkommission zur Neuordnung der SED-Aufarbeitung vor, hier ein so genanntes "Forum Aufarbeitung" einzurichten, als eine von drei wesentlichen Säulen des zukünftigen DDR-Gedenkens. Auf den rund 10.000 Quadratmetern hätten mehrere Institutionen und Archive zusammengeführt werden können. Ein Geldgeber für den zweistelligen Millionenbetrag fehlte aber. Auch Jörg Haspel hätte ein "Forum Aufarbeitung" spannend gefunden. Nirgendwo, sagt er, lasse sich Geschichte besser begreifen, als an einem authentischen Ort.
"Das so genannte Haus der Einheit war jahrelang die Machtzentrale in der DDR, dort residierte das Politbüro, dort arbeiteten die ZK-Sekretäre, Todesurteile wurden dort von Ulbricht unterschrieben, es war also gerade in der harten Zeit der DDR das Zentrum der Macht, und nicht umsonst hat sich am 17. Juni hier auch der Zorn des Volkes ergossen."
Die Geschichte der Immobilie an der Torstraße 1 ist kompliziert, und gerade deshalb scheint die zukünftige Nutzung als Exklusiv-Club mit hohen Mitgliedsbeiträgen, wie sie ein britischer Investor vorsieht, sehr banal. Zwei deutsche Diktaturen haben das Haus für sich vereinnahmt, zuerst die Nationalsozialisten, dann die SED. 1939 mussten die jüdischen Besitzer Deutschland verlassen, die NSDAP zog drei Jahre später mit der Reichsjugendführung ein. Millionen Mitglieder der Hitlerjugend wurden hier außerschulisch betreut.
Dann kam das Kriegsende und das junge DDR-Regime eignete sich das alte Warenhaus an, benannte es in "Haus der Einheit" um. Reste des Arbeitszimmers von DDR-Präsident Wilhelm Pieck, das schon zu Ostzeiten in eine Gedenkstätte an den obersten Parteigenossen, das so genannte "Pieck-Kabinett" umfunktioniert wurde, sind noch vorhanden. Ende der 50er Jahre zog die SED-Führung samt Zentralkomitee um, die Torstraße 1 war fortan Adresse verschiedener Institute für Marxismus-Leninismus.
Für Jörg Haspel, den obersten Denkmalschützer Berlins, hat das Gebäude gerade wegen der Aneignung durch die deutschen Diktaturen eine immense historische Bedeutung:
"Denn der Einzug des Zentralkomitees der SED und des Instituts für Marxismus Leninismus in dieses Gebäude ist wahrscheinlich unter anderem dadurch erst ermöglicht worden, dass es von der NSDAP als Sitz der Hitlerjugend angeeignet worden war und insofern ist das eine besondere Geschichte und auch eine heikle Geschichte, wo man sich nicht darauf beschränken sollte, alleine dem architektonischen Oberflächenreiz der Kaufhausarchitektur zu erliegen, das wäre ein schlechter Dienst an der Geschichte."
Der "architektonische Oberflächenreiz" ist durchaus vorhanden. Zum einen durch die strenge Fassadengliederung mit ihren tiefen Vor- und Rücksprüngen. Vor allem aber durch die besondere Ausformulierung der Straßenecke. Denn das Gebäude nimmt quasi Anlauf, um von der bekannten Berliner Traufhöhe der Nachbarbebauung auf imposante sieben Stockwerke an seiner höchsten Stelle anzuwachsen.
"Das ist der Versuch, die Kraft und dieses Bauvolumen zu bündeln und monumental zu steigern und diese Ecke zu betonen. Und nicht mit Mitteln einer rechtwinkligen Geometrie, sondern in dieser expressionistischen, dynamischen Zusammenfassung durch die Abrundung der Ecke und die Ausbildung dieser halbrunden Ecktürme. Das wird gesteigert zu einer monumentalen, ja pathetischen städtebaulichen Geste an dieser Stelle."
Grundsätzlich, sagt Jörg Haspel, sei erst einmal jede Nutzung für dieses Haus besser als Leerstand und fortschreitender Verfall. Vorausgesetzt, sie ist nachhaltig und nicht auf kurzfristige Rendite ausgelegt. Trotz Denkmalschutz wird er mit dem Investor um die äußere Kubatur kämpfen müssen, sagt er. Aller Erfahrung nach will der nämlich die Geschossflächen durch Aufstockungen vergrößern. Für Hubertus Knabe dagegen ist der Verkauf des alten Kreditkaufhauses eine verpasste Chance.
"Ich bin der Auffassung, wir haben nicht zu viele authentische Orte dieser Art. Hier stand eine riesige Immobilie jahrelang leer und verrottete, da hätte es einer Initiative der Politik bedurft, sich diese Immobilie anzueignen und in eine entsprechende Nutzung zu führen."
Ein Konzept gab es bereits. Vor einem Jahr schlug die Expertenkommission zur Neuordnung der SED-Aufarbeitung vor, hier ein so genanntes "Forum Aufarbeitung" einzurichten, als eine von drei wesentlichen Säulen des zukünftigen DDR-Gedenkens. Auf den rund 10.000 Quadratmetern hätten mehrere Institutionen und Archive zusammengeführt werden können. Ein Geldgeber für den zweistelligen Millionenbetrag fehlte aber. Auch Jörg Haspel hätte ein "Forum Aufarbeitung" spannend gefunden. Nirgendwo, sagt er, lasse sich Geschichte besser begreifen, als an einem authentischen Ort.