Wenn die Punk-Söhne mit den 68er-Vätern abrechnen

Von Michael Laages · 06.03.2009
Schorsch Kamerun, Sänger der Hamburger Punk-Pop-Combo "Die Goldenen Zitronen", bringt im Theaterstück "M.S. Adenauer" den Generationenkonflikt als satirisch-ironische Farce auf die Bühne. Die Aufführung in der Halle Kalk des Kölner Schauspiels zeigt, dass auch die Punks von früher im Mainstream von heute angekommen sind.
Wer "das Feindbild" abgibt? Papa. Noch immer. Für die jüngste Theaterproduktion hat Schorsch Kamerun, Sänger der Hamburger Punk-Pop-Combo "Die Goldenen Zitronen", erklärtermaßen tief in der eigenen Familien-Sage geschürft – und lässt nun in der "Halle Kalk" des Kölner Schauspiels den eigenen Vater unter dem Namen "Günther Behrendt" und als Inhaber eines gut gehenden Autohauses in der Nähe von Neumünster sowie einer zunehmend quengeligen Familie auf der "M.S. Adenauer" das 50-jährige Betriebsjubiläum feiern - und den 70. Gründungstag des Volkswagen-Unternehmens gleich mit.

"M.S. Adenauer" nimmt also offenkundig nicht nur den Generationen-Krach der widerspenstigen Kinder aus Kameruns eigener Jugendzeit Anfang der 80er Jahre ins Visier, sondern im Namen des ersten westdeutschen Kanzlers den der 68er gleich mit – und obendrein die Kräche zwischen Vätern und Söhnen von heute. Und es bringt natürlich ein bisschen historische Verwirrung mit sich, wenn gleich ein halbes Jahrhundert und drei Generationen in einem Aufwasch und sozusagen idealtypisch ver- und behandelt werden – aber wirr und wunderlich darf und soll der Abend ja sein.

Der politische Horizont also ist weit – aber Kameruns Szenen geben bestenfalls das Material ab für eine satirisch-ironische Farce: mit Papa Günther, dem polternd-pöbelnden Allround-Patriarchen, dem immer zum Kompromiss bereiten Muttchen Ingrid, den Kindern Wiebke und Stephan (er schwul, sie sterilisiert, um keine Kinder in diese Welt zu setzen); dazu kommt zunächst Monika, Freundin der Kids und gegen alle Widerstände auf dem besten Wege zum Karriere-Weibchen, und schließlich ein Duo aus echten Karriere-Mädels, Tina und Gesa, angehende Models, denen Kamerun einen herrlich hohlen, haarsträubend doofen Dialog ganz von heute gestrickt hat.

Ergänzt wird das szenisch eher überschaubare, ja sogar etwas dünne Spiel vom Kölner "Lehrerchor", für den sich die "Mondays" und die "Liederlinge" zusammengetan haben. Der Chor streut Songs ein, die durchaus noch den gruftigen Aufruhr des Zitronen-Pops Marke Kamerun atmen. Handlung dagegen ist kaum vorhanden, nur am Ende erschießt sich Papa, weil der ganz aktuelle Niedergang auch sein geliebtes Autohaus zerstören wird; nicht nur Opel, auch VW.

All das ergibt ziemlich amüsante 80 Minuten – wobei Jens Rachut, einer von Kameruns Zitronen-Kumpels und bei all seinen Theaterprojekten immer dabei, ein wirklich hoch komisches Bühnen-Ereignis ist. Auch Constanze Kümmels Bühne ist ein Knüller: eine bühnenhohe Wohnzimmeruhr, wie sie früher in unzähligen Wohnungen auf dem Vertiko in der guten Stube vor sich hin tickte und klangvoll die Stunden schlug. In der und mit ihr vergeht die Zeit der Generationen flott; und im Untertitel, wo Kamerun noch etwas angestrengt eine "antiautoritäre Staatsoper" beschwört, wird auch noch mal mit der guten alten Provokation kokettiert. Aber längst sind natürlich die Punks von früher im Mainstream von heute angekommen.

Das macht die einzige Doppelbödigkeit aus auf der "M.S. Adenauer" – wie gehen die Aufrührer von einst zeitversetzt mit der alten Unruhe um? Und zwar quer durch alle Generationen – dieser Gedanke lässt sich vor allem aus den Songs destillieren, die Kamerun, Rachut und der Musiker Jörg Follert für den "Lehrerchor" geschrieben haben. Er reicht durchaus auch über den Abend selbst hinaus - der aber letztlich doch nur eine halbwegs ulkige Lach-Attacke mit ziemlich überschaubarer Wirkung ist.