Wenn Altbekanntes plötzlich neu tönt

Von Jörn Florian Fuchs |
Der Österreicher Bernhard Lang versucht sich als Mittler zwischen der E- und U-Musik. Sein Faible für postmoderne Theorien schlägt sich auch in seinem Werk nieder: altbekanntes klingt neu und gleichzeitig altbacken, wenn Lang Versatzstücke ineinander schachtelt und durch den elektronischen Reißwolf jagt. Seine jetzt aufgeführte Oper "I Hate Mozart" eröffnet ungeahnte Klangräume.
Der gute alte Adorno hätte sich das wohl nicht träumen lassen - neue Musik discotauglich, zum Abrocken oder gar Raven geeignet? Schlechterdings unmöglich! Zu sperrig sind sie, die Klangwelten der neutönenden Zeitgenossen. Eben E-Musik, anstrengend und nicht für jedermanns Ohren. Über Jahrzehnte hinweg blieb ein unüberbrückbarer Graben zwischen dem Ernsten, Schweren und dem Leichteren, Unterhaltsamen.

Mittlerweile gibt es aber eine ganze Reihe von Komponisten, die nicht nur eine Brücke schlagen zwischen E und U, sondern denen es auch völlig egal ist, wie man ihre Musik nun bezeichnet. Seit den späten 90er Jahren scheint es zudem einen Paradigmenwechsel zu geben, die E-Musik-Szene öffnet sich mehr und mehr für Elemente des Jazz, Pop oder sogar für beatlastige Technomusik.

Einer der äußerst unbekümmerten Verbinder von E und U ist der 1957 geborene Österreicher Bernhard Lang. Bernhard Lang kommt ursprünglich vom Jazz, studierte in den Achtzigern jedoch von Grund auf Musikwissenschaft und Komposition bei einschlägigen Lehrern: Gösta Neuwirth und Georg Friedrich Haas. Lang vertiefte sich allerdings auch in philosophische Schriften und verschlang die postmodernen Konvolute von Gilles Deleuze, Felix Guattari oder Jacques Derrida.

Inspiriert durch die Dekonstruktion und das Denken in schleifenförmigen Zirkeln, begann Lang einen umfangreichen Werkzyklus mit dem Titel Differenz und Wiederholung. Das Kompositionsprinzip ist dabei bestechend einfach und zugleich doch komplex. Einzelne Klangfiguren, teilweise entliehen aus aktueller Popmusik oder klassischem Jazz werden gegeneinander verschoben, wiederholt, übereinandergestapelt und immer wieder durch einen elektronischen Reißwolf gejagt, sprich versampelt. Das Altbekannte tönt so ganz neu und das Neue wirkt zwar neu, aber irgendwie auch - ein wenig - altbekannt.

Rund 20 Stücke sind im Rahmen von Differenz und Wiederholung mittlerweile entstanden, besetzungstechnisch ist alles dabei, vom Soloinstrument über das elektroakustisch verstärkte Kammerensemble bis zum gewaltig wummernden Orchestersound reicht das Spektrum.

Inspiriert von Deleuze/Guattaris Theorie des Rhizoms, überführt Bernhard Lang einzelne Klänge gleichsam assoziativ in neue Zustände, fasst sie zu Blöcken zusammen oder hebt einzelne Instrumentalstimmen heraus und lässt sie solistisch agieren. Das Wiederholen größerer blockhafter Klangereignisse kontrastiert er dabei häufig mit einer Solostimme, die sich - manchmal verzweifelt - Gehör verschaffen will.

In seiner ersten Oper, dem Theater der Wiederholungen, verwendete Lang unter anderem Protokolle der Nürnberger Prozesse, Texte von Marquis de Sade und William S. Burroughs. Die textlichen und musikalischen Wiederholungsschleifen führen dabei zu einer reichlich klaustrophobischen Atmosphäre.

Im Theater der Wiederholungen sind die Akteure gefangen in einem Geflecht aus Texten, Tönen und Gesten.

Bernhard Lang geht es vor allem um das Aufzeigen der zerstörerischen Kraft des Alten, Überkommenen und Wiederholten. Gemeint sind damit sowohl politische Ideologien als auch klassische Texte oder Kunstwerke. Gegen den Wiederholungszwang des Alten setzt Lang die Hoffnung auf das Neue, das sich aus dem Alten entwickelt:

"Gleichzeitig steht dem gegenüber die entwickelnde Wiederholung, dass sich wirklich Zyklen in Hinsicht eines aufklärerischen Fortschritts entwickeln. Also dass Wiederholungen quasi transformiert werden, dass man zurückgreift auf ältere Modelle, die man transformiert im Sinne eines Fortschritts."

Lang versucht einen neuen Hörblick auf das ständig wiederholte Alte zu gewinnen, indem er es in einen neuen Rahmen, in andere Kontexte stellt und so einen Weg vom Alten hin zum produktiv Neuen aufzeigt. Es geht also letztlich um Kritik und um Aufklärung:

"Letztendlich ist die Beschäftigung mit der Wiederholung eigentlich bei mir dekonstruktivistische Methode - es ist eine Form der Kritik."

In "I hate Mozart" geht es Lang um die Frage, was man im Mozartjahr aus Mozart machen kann und soll, wie man die ständige Wiederaufführung seiner Werke produktiv kommentiert. "I hate Mozart" ist ein bissiger Kommentar zum Kulturbetrieb und zur medialen Ausschlachtung des Jubilars; der Zuschauer erlebt die Proben zur Aufführung einer neuen Mozart-Oper, mit Verwicklungen, Affären und der Angst vor dem ersten Auftritt. Librettist und Regisseur Michael Sturminger stellt ein umfangreiches Personal auf die Bühne, Sängerinnen und Sänger, ein Dirigent, Kritiker, Agenten einer Künstleragentur und das Publikum spielen mit- und gegeneinander.

Das musikalische Material stammt zum Teil aus Mozart-Opern, es sind Arien, die Lang durch einen Loop-Generator jagt. Die elektronisch versampelten Mozart-Arien eröffnen einen manchmal verstörenden, manchmal geradezu betörenden Klangraum, Mozart wie aus einer geisterhaften Ferne ...