Weniger Unterhalt für unverheiratete Mütter

Bis heute können nach dem sogenannten Unehelichenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch unverheiratete Mütter weniger Unterhaltsansprüche geltend machen als verheiratete. Ein neues Unterhaltsrecht, das der modernen Gesellschaft gerecht wird, wird Anfang 2008 in Kraft treten. Steffen Baumgartens Buch beschreibt die Geschichte des Unehelichenrechts.
Nach monatelangem Streit einigten sich endlich die Rechtspolitikerinnen und -politiker der verschiedenen Parteien: das neue Unterhaltsrecht wird Anfang 2008 in Kraft treten. Die meisten Rechtspraktiker waren sich darin einig, dass eine Reform überfällig war. Das 30 Jahre alte Unterhaltsrecht entsprach längst nicht mehr den Realitäten und neuen Wertvorstellungen. Immer mehr Ehen werden geschieden, Zweit- oder sogar Drittfamilien gegründet. Die traditionelle Form der Ehe ist nicht mehr einzige Grundlage für das Familienmodell.

Die nichteheliche Partner- und auch Elternschaft ist eine inzwischen allgemein akzeptierte Lebensform. Alle Kinder, ob ihre Eltern geschieden sind oder nie verheiratet waren, sollen dieselben Ansprüche auf Unterhalt haben.

Dass die Kinder betreuenden nicht verheirateten Mütter dieselben Ansprüche haben sollen wie die geschiedenen Frauen, das jedoch mochten nicht alle einsehen. Zuviel Gleichmacherei könnte die Institution der Ehe gefährden. Eine uralte Debatte, wie sie auch vor gut 100 Jahren schon geführt wurde, als das Bürgerliche Gesetzbuch entstand.

Steffen Baumgarten widmet sein Buch der Entstehungsgeschichte des Unehelichenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch und zitiert Julius von Staudinger, der an den Debatten damals beteiligt war, und dessen Name heute immer noch den Großkommentar des Bürgerlichen Gesetzbuches kennzeichnet.

Staudinger schreibt: "In wenigen Parthien des bürgerlichen Rechts haben die grundlegenden rechtlichen Anschauungen im Laufe der Jahrhunderte so sehr gewechselt wie in Ansehung der rechtlichen Stellung der unehelichen Kinder. Die rechtsgeschichtliche Entwicklung dieser Verhältnisse stellt zugleich ein lehrreiches Stück von Kulturgeschichte dar."

Auch Steffen Baumgarten geht zurück in frühere Jahrhunderte. Im römischen Recht wurden die unehelichen Kinder nur der Mutter zugerechnet, eine Verwandtschaft mit dem Vater gab es nicht. Im deutschen Recht des Mittelalters waren uneheliche Kinder familien- und rechtlos, es galt das sogenannte Bastardrecht: Das Vermögen eines Unehelichen fiel bei seinem Tod an den Landesherrn. Erst nach dem Ende des Mittelalters bekamen die Unehelichen immer mehr Rechte. Der Begriff Bastard indes hielt sich noch bis weit ins 20. Jahrhundert.

Bei Reichsgründung 1871 hatten die schwierigen Debatten um ein einheitliches Zivilgesetzbuch längst begonnen. Zur damaligen Zeit herrschte ein durch und durch patriarchalisches Familienverständnis. Das unehelich geborene Kind wurde der Mutter und deren Familie zugerechnet. Der uneheliche Vater und sein Kind galten nicht als verwandt. Dadurch wurde vermieden, dass das Kind gegenüber dem Vater irgendwelche Erbansprüche geltend machen konnte.

Aber nicht einmal die Frauenbewegung, die sich an der Debatte aktiv beteiligte, hatte Bedenken gegen diese Regelung. Die Frauenverbände konstatierten, dass " einmal bestehende, durch Jahrtausende alte Traditionen erzeugte, und tief eingewurzelte Anschauungen und Verhältnisse mit ihren Folgen sich nicht mit einem Schlage aus der Welt schaffen lassen".

Ob im Namensrecht, in Fragen der Elterlichen Gewalt oder im Erbrecht – die unehelichen Mütter und ihre Kinder waren weit entfernt von gleichberechtigter Behandlung. Tatsächlich waren die Debatten von Vorurteilen und Spekulationen geprägt. Dass uneheliche Mütter ihre Kinder nicht so lieben wie die ehelichen, dass aus unehelichen Kindern später Kriminelle werden, waren gängige Argumentationen.

Gegen die "Pächter der Moral, der Sitte und Ordnung" lehnten sich allenfalls die Sozialdemokraten auf und forderten damals schon, die unehelichen mit den ehelichen Kindern gleichzustellen. Und die Frauenverbände setzten sich vor allem in Fragen des Unterhalts für die unehelichen Kinder ein. Sie wollten, dass die Alimente an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Vaters zu bemessen seien, damit die Kinder nicht mit kärglichen Unterhaltszahlungen "in das Proletariat hinabgestoßen würden". Im Gesetz allerdings wurde es noch anders niedergeschrieben.

In den Debatten um das Unterhaltsrecht verschwanden allmählich die Rufe nach Moral und Sitte. Die realen Lebensverhältnisse wurden berücksichtigt und das "Wohl des Kindes" rückte in den Mittelpunkt. Bis uneheliche und eheliche Kinder gleichgestellt wurden, dauerte es noch einmal Jahrzehnte, bis zur neuesten Reform.

Rezensiert von Annette Wilmes

Steffen Baumgarten, Die Entstehung des Unehelichenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch,
Böhlau Verlag, Köln, 2007, Akademie Verlag, Berlin 2007, 311 Seiten, 42,90 Euro