Weniger fliegen und langsamer fahren
Der Vorsitzende der Stiftung „Forum für Verantwortung“, Klaus Wiegandt, hat das Strategiepapier der EU-Kommission für eine Senkung des CO2-Ausstoßes bei Neuwagen gelobt. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie habe die Entwicklung bei der Abgasreduzierung verschlafen, sagte der ehemalige Chef des Metro-Konzerns. Nun müssten auch die Deutschen umdenken.
Leonie March: Bundeskanzlerin Merkel betont gerne die Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz. Die Autoindustrie hat eine Selbstverpflichtung unterschrieben. Und trotzdem: Deutschland durchkreuzte die ehrgeizigen Klimaschutzpläne des EU-Umweltkommissars. Gestern stellte die EU-Kommission einen Kompromiss vor. Der CO2-Ausstoß europäischer Neuwagen soll laut Strategiepapier von heute 160 Gramm in den nächsten fünf Jahren um 40 Gramm sinken. Drei Viertel davon müssen die Hersteller durch eine Verbesserung der Motorentechnik erreichen. Der Rest soll unter anderem durch den Einsatz von Bio-Sprit gewährleistet werden. – Am Telefon begrüße ich nun den ehemaligen Top-Manager und Unternehmer Klaus Wiegandt, der nun seiner Stiftung Forum für Verantwortung vorsteht. Guten Morgen Herr Wiegandt!
Klaus Wiegandt: Guten Morgen Frau March!
March: Die einen begrüßen die Tatsache, daß den Autoherstellern erstmals Grenzwerte vorgeschrieben werden sollen. Andere bedauern, daß die ursprünglichen Pläne abgeschwächt wurden. Wie stehen Sie zu den Kommissionsplänen?
Wiegandt: Insgesamt würde ich sagen, ist das eine positive Entwicklung, dass wir endlich ein Stückchen vorankommen, und das geht wahrscheinlich nur über solche Maßnahmen. Freiwilligkeit scheint nicht zu nutzen. Wir sehen, daß insbesondere die deutsche Autoindustrie wohl die Zeit verschlafen hat. Japan ist dort weiter. Und insofern können wir mit diesem Kompromiss leben, denn nun begreifen glaube ich auch die Deutschen, daß es ernst wird und sie umdenken müssen.
Aus meiner Sicht kann aber der Verbraucher und der Autofahrer selbst ein Großteil dazu beitragen, dass wir vorankommen. Wir sollten weniger Auto fahren und mehr die Bahn benutzen. Wir benutzen zu 55 Prozent unsere Autos für Freizeit und Urlaub und sollten dort mehr auf die Bahn umsteigen. Wir können freiwillig ohne Gesetzesverordnungen die 130 Kilometer uns doch selbst auferlegen. Müssen wir warten, bis Gesetze kommen?
Und wir sollten weniger weit fliegen. Es nutzt auch nichts, wenn jemand ein Drei-Liter-Auto fährt und fliegt zweimal im Jahr auf die Malediven. Da kann der andere zehn Jahre ein großes Auto fahren. Also wir müssen die Gesamtzusammenhänge sehen. Und was im Klima die Wissenschaft ganz deutlich betont, ist: Im Klima kommt es auf die Langfristmaßnahmen an. Wir müssen im Jahr 2050 mindestens um 50 Prozent das Niveau der CO2-Emissionen von 1990 unterbieten. Das sind die großen Ziele, die wir erreichen müssen, und bis zum Ende des Jahrhunderts gegen null kommen. Das sind gewaltige Anstrengungen, aber dafür haben wir auch genügend Zeit.
March: Nun waren Sie ja nicht schon immer ein Vorkämpfer im Klimaschutz. Als ehemaliger Manager zum Beispiel bei der Metro AG haben Sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden. Was hat Ihr Umdenken ausgelöst?
Wiegandt: Mein Umdenken hat ausgelöst, daß ich mich seit sechs Jahren intensiv jetzt mit diesen Fragen auf wissenschaftlichem Niveau versuche auseinanderzusetzen. Und einfach zum Ergebnis gekommen bin, dass die Mehrheit der Wissenschaftler Recht hat, die sagt: Wir haben zwar viele Maßnahmen in den letzten 30 Jahren in der Umwelt bewirkt, aber die sind viel zu klein, um eine wirkliche Kollision mit unseren ökologischen Systemen zu verhindern. Das heißt, die großen Herausforderungen, die großen Aufgaben liegen vor uns und wir müssen schneller handeln. Das hat mich überzeugt, mich in den Dienst dieser Sache zu stellen.
March: Warum sind die Schritte jetzt zum Beispiel der Wirtschaft immer noch so klein? Ist das immer noch der Spagat zwischen der Verantwortung für die Umwelt und dem Wunsch nach steigenden Gewinnen?
Wiegandt: Ja sicherlich, aber man muss auch den Wirtschaftsmanagern zugutehalten: Die sind in einem System eingebunden und können von sich aus allein auch keine gewaltigen Maßnahmen ausrichten. Wir müssen im Grunde die politischen Rahmenbedingungen dafür setzen. Aber die Politik – und das ist für mich der entscheidende Ansatzpunkt – kann das nicht, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerung begreift, worum es geht. Das hat in den letzten 30 Jahren gefehlt: der öffentliche Diskurs über das, was auf uns zukommt und notwendig ist.
Wobei es ja gar keine Horrorszenarien sein müssen. Wenn wir rechtzeitig handeln, arbeiten wir an einer besseren Welt in der Zukunft. Das muss man den Menschen versuchen, durch Informationen aufzuzeigen, dass die Zivilgesellschaft selbst entscheiden kann, welche Zukunft sie möchte. Dann kann die Politik die Rahmenbedingungen setzen. Bisher ist die Wissenschaft immer direkt auf die Politik zugegangen. Die Politik hat einen Vier-Jahres-Horizont und kann gar nicht im Prinzip wesentliche Maßnahmen durchbringen, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerung dahinter steht.
March: Und dafür setzen Sie sich ein. Ziel Ihrer Stiftung Forum für Verantwortung ist es ja, über Energie- und Ressourcenverschwendung, Ursachen und Folgen von Klimaveränderungen aufzuklären für ein nachhaltiges Verhalten. Fehlt uns also tatsächlich nur die richtige Information und dann klappt das auch schon mit dem Klimaschutz?
Wiegandt: Ich glaube im Grundsatz ja. Wenn sie sich im kleinen Kreis mit Menschen unterhalten, dann sieht jeder ein, daß das vernünftig ist, daß wir etwas tun müssen. Und die Zeichen der Zeit sind ja nun deutlich, daß wir wohl das Klima beeinflussen. Diese Sensibilisierung der letzten eineinhalb Jahre in der Bevölkerung gibt mir auch den Mut zu sagen: Das ist der richtige Zeitpunkt. Die Menschen hören zu. Wir müssen nur in einer verständlichen Sprache das machen.
Bisher hat auch die Wissenschaft Bücher herausgebracht, aber die kann der Normalbürger, selbst der gebildete Normalbürger, nicht lesen. Weil sie viel zu kompliziert geschrieben sind. Ich habe in meiner Stiftung 12 Wissenschaftler gebeten, zu diesen Themen in einer allgemein verständlichen Sprache die Themen aufzubereiten und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Ich will es aber nicht dabei belassen, daß die Bücher erscheinen. Die ersten vier sind jetzt erschienen. Ich möchte, daß das durch Bildungsmaßnahmen wirklich vertieft wird, denn es ist ein weiter Weg vom Wissen zum Handeln.
March: Und für die Wirtschaft braucht es dann noch gesetzliche Daumenschrauben?
Wiegandt: Ich würde das gar nicht Daumenschrauben nennen. Die Rahmenbedingungen: Solange der Manager durch Aktienrechte im Grunde an sein Shareholder Value denken muss, handelt er legal richtig. Aber im Prinzip ist dieses Shareholder-Value-Prinzip falsch. Wir müssen ein Stakeholder Value nehmen. Das heißt es muss eingebunden sein die Mitarbeiterschaft des Unternehmens. Es muss die Gemeinde, die Umwelt eingebunden sein. All die Dinge müssen bei den Entscheidungen berücksichtigt sein, und vor allen Dingen wir müssen in der Wirtschaft wieder zu Langfristentscheidungen kommen und nicht wie in Amerika zu den Quarterly-Berichten und damit kurzfristigen Entscheidungen, die mit Gewinnmaximierung immer verbunden sind.
March: Klaus Wiegandt war das, ehemals Manager und Unternehmer, heute Vorstand der Stiftung Forum für Verantwortung. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Klaus Wiegandt: Guten Morgen Frau March!
March: Die einen begrüßen die Tatsache, daß den Autoherstellern erstmals Grenzwerte vorgeschrieben werden sollen. Andere bedauern, daß die ursprünglichen Pläne abgeschwächt wurden. Wie stehen Sie zu den Kommissionsplänen?
Wiegandt: Insgesamt würde ich sagen, ist das eine positive Entwicklung, dass wir endlich ein Stückchen vorankommen, und das geht wahrscheinlich nur über solche Maßnahmen. Freiwilligkeit scheint nicht zu nutzen. Wir sehen, daß insbesondere die deutsche Autoindustrie wohl die Zeit verschlafen hat. Japan ist dort weiter. Und insofern können wir mit diesem Kompromiss leben, denn nun begreifen glaube ich auch die Deutschen, daß es ernst wird und sie umdenken müssen.
Aus meiner Sicht kann aber der Verbraucher und der Autofahrer selbst ein Großteil dazu beitragen, dass wir vorankommen. Wir sollten weniger Auto fahren und mehr die Bahn benutzen. Wir benutzen zu 55 Prozent unsere Autos für Freizeit und Urlaub und sollten dort mehr auf die Bahn umsteigen. Wir können freiwillig ohne Gesetzesverordnungen die 130 Kilometer uns doch selbst auferlegen. Müssen wir warten, bis Gesetze kommen?
Und wir sollten weniger weit fliegen. Es nutzt auch nichts, wenn jemand ein Drei-Liter-Auto fährt und fliegt zweimal im Jahr auf die Malediven. Da kann der andere zehn Jahre ein großes Auto fahren. Also wir müssen die Gesamtzusammenhänge sehen. Und was im Klima die Wissenschaft ganz deutlich betont, ist: Im Klima kommt es auf die Langfristmaßnahmen an. Wir müssen im Jahr 2050 mindestens um 50 Prozent das Niveau der CO2-Emissionen von 1990 unterbieten. Das sind die großen Ziele, die wir erreichen müssen, und bis zum Ende des Jahrhunderts gegen null kommen. Das sind gewaltige Anstrengungen, aber dafür haben wir auch genügend Zeit.
March: Nun waren Sie ja nicht schon immer ein Vorkämpfer im Klimaschutz. Als ehemaliger Manager zum Beispiel bei der Metro AG haben Sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden. Was hat Ihr Umdenken ausgelöst?
Wiegandt: Mein Umdenken hat ausgelöst, daß ich mich seit sechs Jahren intensiv jetzt mit diesen Fragen auf wissenschaftlichem Niveau versuche auseinanderzusetzen. Und einfach zum Ergebnis gekommen bin, dass die Mehrheit der Wissenschaftler Recht hat, die sagt: Wir haben zwar viele Maßnahmen in den letzten 30 Jahren in der Umwelt bewirkt, aber die sind viel zu klein, um eine wirkliche Kollision mit unseren ökologischen Systemen zu verhindern. Das heißt, die großen Herausforderungen, die großen Aufgaben liegen vor uns und wir müssen schneller handeln. Das hat mich überzeugt, mich in den Dienst dieser Sache zu stellen.
March: Warum sind die Schritte jetzt zum Beispiel der Wirtschaft immer noch so klein? Ist das immer noch der Spagat zwischen der Verantwortung für die Umwelt und dem Wunsch nach steigenden Gewinnen?
Wiegandt: Ja sicherlich, aber man muss auch den Wirtschaftsmanagern zugutehalten: Die sind in einem System eingebunden und können von sich aus allein auch keine gewaltigen Maßnahmen ausrichten. Wir müssen im Grunde die politischen Rahmenbedingungen dafür setzen. Aber die Politik – und das ist für mich der entscheidende Ansatzpunkt – kann das nicht, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerung begreift, worum es geht. Das hat in den letzten 30 Jahren gefehlt: der öffentliche Diskurs über das, was auf uns zukommt und notwendig ist.
Wobei es ja gar keine Horrorszenarien sein müssen. Wenn wir rechtzeitig handeln, arbeiten wir an einer besseren Welt in der Zukunft. Das muss man den Menschen versuchen, durch Informationen aufzuzeigen, dass die Zivilgesellschaft selbst entscheiden kann, welche Zukunft sie möchte. Dann kann die Politik die Rahmenbedingungen setzen. Bisher ist die Wissenschaft immer direkt auf die Politik zugegangen. Die Politik hat einen Vier-Jahres-Horizont und kann gar nicht im Prinzip wesentliche Maßnahmen durchbringen, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerung dahinter steht.
March: Und dafür setzen Sie sich ein. Ziel Ihrer Stiftung Forum für Verantwortung ist es ja, über Energie- und Ressourcenverschwendung, Ursachen und Folgen von Klimaveränderungen aufzuklären für ein nachhaltiges Verhalten. Fehlt uns also tatsächlich nur die richtige Information und dann klappt das auch schon mit dem Klimaschutz?
Wiegandt: Ich glaube im Grundsatz ja. Wenn sie sich im kleinen Kreis mit Menschen unterhalten, dann sieht jeder ein, daß das vernünftig ist, daß wir etwas tun müssen. Und die Zeichen der Zeit sind ja nun deutlich, daß wir wohl das Klima beeinflussen. Diese Sensibilisierung der letzten eineinhalb Jahre in der Bevölkerung gibt mir auch den Mut zu sagen: Das ist der richtige Zeitpunkt. Die Menschen hören zu. Wir müssen nur in einer verständlichen Sprache das machen.
Bisher hat auch die Wissenschaft Bücher herausgebracht, aber die kann der Normalbürger, selbst der gebildete Normalbürger, nicht lesen. Weil sie viel zu kompliziert geschrieben sind. Ich habe in meiner Stiftung 12 Wissenschaftler gebeten, zu diesen Themen in einer allgemein verständlichen Sprache die Themen aufzubereiten und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Ich will es aber nicht dabei belassen, daß die Bücher erscheinen. Die ersten vier sind jetzt erschienen. Ich möchte, daß das durch Bildungsmaßnahmen wirklich vertieft wird, denn es ist ein weiter Weg vom Wissen zum Handeln.
March: Und für die Wirtschaft braucht es dann noch gesetzliche Daumenschrauben?
Wiegandt: Ich würde das gar nicht Daumenschrauben nennen. Die Rahmenbedingungen: Solange der Manager durch Aktienrechte im Grunde an sein Shareholder Value denken muss, handelt er legal richtig. Aber im Prinzip ist dieses Shareholder-Value-Prinzip falsch. Wir müssen ein Stakeholder Value nehmen. Das heißt es muss eingebunden sein die Mitarbeiterschaft des Unternehmens. Es muss die Gemeinde, die Umwelt eingebunden sein. All die Dinge müssen bei den Entscheidungen berücksichtigt sein, und vor allen Dingen wir müssen in der Wirtschaft wieder zu Langfristentscheidungen kommen und nicht wie in Amerika zu den Quarterly-Berichten und damit kurzfristigen Entscheidungen, die mit Gewinnmaximierung immer verbunden sind.
March: Klaus Wiegandt war das, ehemals Manager und Unternehmer, heute Vorstand der Stiftung Forum für Verantwortung. Ich danke Ihnen für das Gespräch.