Weniger Braunkohle

"Lieber schwedischer Ministerpräsident..."

Stefan Löfven von den schwedischen Sozialdemokraten hat die Parlamentswahl gewonnen
Stefan Löfven von den schwedischen Sozialdemokraten hat die Parlamentswahl gewonnen © AFP/TTNews Agenc/Pontus Lundahl
Von Axel Flemming  · 21.10.2014
Unter der neuen rot-grünen Minderheitsregierung in Schweden könnte der Staatskonzern Vattenfall zu einem Vorreiter bei der Energiewende werden. Jetzt bekommt Schwedens Ministerpräsident jede Menge Brief aus der Lausitz, denn das könnte auch den dortigen Braunkohletagebau betreffen.
"Sehr geehrter Herr Stefan Löfven" – nee, vielleicht zu formal.
"Lieber schwedischer Ministerpräsident" – klingt irgendwie komisch.
Wie reden Schweden sich im Brief überhaupt an?
Ich hab’s, ich rufe eine Freundin an, die ist zwar Schottin, wohnt aber in Schweden und ist Übersetzerin:
"Eileen Laurie" "Guten Tag Frau Laurie, hier ist Axel Flemming.
Ich will einen Brief an den neuen schwedischen Ministerpräsidenten schreiben. Sage ich da einfach: Hallo, Herr Ministerpräsident?"
"Ja, nur dass auf Schwedisch sagt man ganz selten‚ Herr oder so was. Du kannst wahrscheinlich seinen Namen sagen, einfach‚ Hallo, Hej!"
Na, das wäre schon mal geklärt. Also legen wir los.
Hei Stefan – Falls Du nicht alle Briefe gelesen hast, will ich versuchen Dich auf den neuesten Stand zu bringen.
Der sächsische und der brandenburgische Ministerpräsident beginnen Ihren Brief mit: "Exzellenz!", gratulieren Dir zur Ernennung und kommen schnell zur Sache. Sie bitten Dich um Unterstützung für den Braunkohletagebau in der Lausitz.
"Mit den bisherigen und noch geplanten erheblichen Investitionen bietet die Braunkohle gerade auch jungen Leuten eine Perspektive und verhindert so eine weitere Abwanderung aus der Region. Dies kommt insbesondere den Sorben in der Lausitz zugute, die als nationale Minderheit in Deutschland anerkannt sind und ihre eigene slawische Sprache und Kultur haben."
Gratulationen zur Energiewende
Kulturschutz durch Abbaggerung der Heimat, darauf muss man erst einmal kommen. Dann schreiben Sie noch: Die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke sind die weltweit modernsten und effizientesten.
Naja, lieber Stefan, das stimmt nicht ganz!
Jänschwalde beispielsweise, pustet 1200 Gramm CO2 pro Kilowattstunde heraus. Also ein Kraftwerk mit dem vierthöchsten CO2-Ausstoß auf der Welt. Es gehört zu den "dirty thirty".
Das wissen auch die Brandenburger Grünen und wollen Dir deshalb auch einen Brief schicken. Das hat mir Fraktionschef Axel Vogel schon mal angekündigt.
"Das ist natürlich völlig Gaga, Jänschwalde ist eine alte Büchse! Und das kann also nicht im Interesse der schwedischen Koalition sein. Und nachdem also alle sich dort die Klinke in die Hand geben, werden wir also zusammen mit dem sächsischen Grünen nach Schweden fahren, weil anscheinend wird über die Zukunft der Lausitz gar nicht mehr hier entschieden wird, sondern in Schweden und da wollen wir natürlich auch unsere Meinung vortragen."
Und dann die Umweltorganisation Greenpeace.
Sie fordert in einem offenen Brief von den Regierungen in Brandenburg und Sachsen ein Aussetzen aller Braunkohle-Pläne in der Lausitz. Wollen Dich aber auch in Kenntnis setzen.
Du musst aber auch wissen, auch andere greifen zur Feder.
Michael Vassiliadis beispielsweise. Der ist Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie. Er schlägt jetzt einen Verkauf der deutschen Aktivitäten von Vattenfall vor, falls diese nicht zu Eurer neuen Energiepolitik passen sollten.
Aber damit nicht genug. Auch der Verein "Pro Lausitzer Braunkohle" – eigentlich nicht so sehr bekannt dafür, dass er intensiven internationalen Briefverkehr pflegt – hat an alle Fraktionen des schwedischen Reichstags geschrieben.
In Schweden spielt die Lausitz keine Rolle
Es wird nicht einfacher.
"Ein 'Nein' zur Lausitzer Braunkohle ist ein 'Ja' zum Atomstrom, soweit sich Deutschland nicht von Putins Erdgas abhängig machen möchte. Machen Sie die Lausitz mit einem schleichenden Ausstieg Vattenfalls oder einem Verkauf einzelner lukrativer Bestandteile nicht zur sterbenden Region."
Und dann haben Dir auch noch die Präsidenten des Bauernbunds – christlich, konservativ, heimatverbunden – geschrieben:
"Die von Ihrer Regierung beabsichtigte Neuausrichtung der Unternehmenspolitik von Vattenfall bedroht keinesfalls die wirtschaftliche Zukunft der Lausitz. Im Gegenteil sie kann die gegenwärtige Lähmung der Region durch die erdrückende Übermacht der Braunkohle-Lobby beenden."
Mannmannmann! Da schwirrt einem ja der Kopf vor lauter Briefen. Die Post wird sich jedenfalls gefreut haben. Kommt das alles aber in Schweden wirklich an? – Also inhaltlich betrachtet?
Ich frag noch mal bei Eileen Laurie nach, die ja in Schweden lebt, und das vielleicht beurteilen kann.
"Eigentlich nicht. Die Diskussion dreht sich vielmehr um die Regierung selber, dass die Grünen dabei sind. Aber was Vattenfall in Deutschland macht, spielt kaum eine Rolle."
Lieber Stefan Löfven, solltest Du all die Briefe doch noch lesen und, was die Zukunft von Vattenfall betrifft, zu einer Entscheidung kommen, lass es mich wissen.
P.S.: Da Du am Donnerstag und Freitag ohnehin beim KU-Klimagipfel in Brüssel bist, sprich doch mal mit der Kanzlerin. Sie jedenfalls hat letzte Woche im Bundestag gesagt, dass Deutschland sich "noch ambitioniertere Ziele beim Klimaschutz vorstellen" könne.
Bin gespannt, ob das klappt und freue mich auf eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen aus Brandenburg. Dein Axel Flemming
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